Erstmals investiert die Welt mehr in die Energiewende als in fossile Energie, aber eine „Atom-Renaissance“ ist weiter nicht in Sicht

Laut Bloomberg Energie Finanzreport (BNEF) 2022 hat die Weltgemeinschaft mit 1,1 Billionen US-Dollar mehr in die Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien investiert als in die fossile Infrastruktur. Einschließlich der notwendigen Infrastruktur Investitionen wie E-Mobilität oder elektrische Heizungen bedeutet dies gegenüber 2021 ein Wachstum von 31%.

Dabei machen die Investitionen in Erneuerbare Energien wie Solar, Wind aber auch Bioenergie und Wasserkraft mit 495 Milliarden US Dollar den Löwenanteil der Investitionen aus, gefolgt von 466 Milliarden in die Elektrifizierung des Verkehrs.

Die fossilen Investitionen bleiben 2022 mit etwa gleicher Größenordnung von einer Billion US-Dollar allerdings immer noch viel zu hoch, um wirksamen Klimaschutz zu erreichen. Dafür müssten die Investitionen in Erdgas, Erdöl und Kohle sofort komplett beendet werden.

Bei aller Freude über das hohe Wachstum der Erneuerbaren Energien in 2022 – es reicht bei weitem noch nicht aus, um wenigsten das 2°C Klimaschutzziel zu halten. Laut Bloomberg New Energy Finance (BNEF) würden die Investitionen in die globale Energiewende mit „Net Zero“ bis 2050 ein viermal höheres jährliches Investment von etwa 4 Billionen erfordern. Da aber die Treibhausgasemissionen für die Nicht-Überschreitung des 2-Grad-Zieles schon bis Mitte der 30er-Jahre beendet werden müssten, sind die Anstrengungen der Weltgemeinschaft noch wesentlich zu erhöhen. Es bräuchte dafür in den kommenden Jahren ein Wachstum von mindestens 50 Prozent pro Jahr. Ein Ziel, welches durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Das große Wachstum von 31 Prozent im Jahr 2022 ist ja hauptsächlich durch die hohen fossilen Preise von Erdgas, Erdöl und Kohle stimuliert worden und – außer in den USA – weniger durch neue politische Maßnahmen. Dort hat der durch Präsident Biden unterzeichnete Inflation Reduction Act (IRA) einen Turbo für die Erneuerbaren Energien angestoßen. Aber weltweit sind die Subventionen für fossile Energien immer noch auf sehr hohem Niveau.

So stemmte China mit 546 Milliarden fast die Hälfte der globalen Energiewende-Investitionen, gefolgt von den USA mit 141 Milliarden. Deutschland ist immerhin noch auf dem dritten Platz. Wäre die EU eigens gelistet, wäre sie mit 180 Milliarden sogar vor den USA auf Platz zwei.

Bezeichnend ist auch, dass manche Technologien, die von vielen als zentraler Klimaschutz angesehen werden, weit unter ferner liefen rangieren, insbesondere Carbon Capture and Storage (CCS).

Grüner Wasserstoff und andere Speichertechnologien sind ebenfalls noch auf sehr niedrigem Niveau. Diese Investitionen müssen und werden sicherlich in den kommenden Jahren weiter stark anwachsen.

„Atomenergie-Renaissance“ gibt es nicht

BNEF rechnet auch die Atomenergie fälschlicherweise zu den Energiewende-Technologien. Bezeichnend ist aber, dass die Investitionen in die Kernenergie auch im Jahr 2022 auf einem sehr niedrigen Niveau faktisch ohne Wachstum verharren. Das ganze Beschwören der Atomlobby von der so genannten „Renaissance der Atomenergie“ entpuppt sich daher als das, was es in Wirklichkeit ist: eine hilflose Propaganda der Atom-Befürworter:innen, ohne jegliche Substanz in der Realität.

Zu diesen gehört vor allem der französische Präsident Macron, der für Frankreich letztes Jahr den Neubau von 14 neuen Atomkraftwerken bis 2050 angekündigt hat. Absurd, denn Frankreich hat in den letzten dreißig Jahren nicht einmal den einzigen geplanten Neubau eines AKWs in Flammanville ans Netz gebracht, dafür aber hohe Milliardenkosten produziert indem es die Baukosten mehr als verdreifacht hat. Wie Macron dann 14 (!) AKWs in 28 Jahren finanzieren und vollenden will, bleibt sein Geheimnis.

Bundeskanzler Scholz spielte dabei auch keine gute Rolle: Er sicherte dem Ziel einer französischen Wasserstoffproduktion aus Atomenergie seine Unterstützung zu.

Die einzige Gewissheit dabei ist nur, dass es schon alleine aus Kostengründen nie nennenswert Wasserstoff aus Atomenergie geben wird.

Auch in Deutschland gibt es ein unglaubliches Rumgeeiere der Atombefürworter:innen, allen voran vor allem durch CDU Vorsitzenden Merz. Auf der CDU Fraktionssitzung letzte Woche sprach er erst vom Atomkraft-Neubau in Deutschland, dann besann er sich aber auf den CDU Atomausstieg-Beschluss und plötzlich war „nur noch“ von Forschung und Entwicklung der nächsten Atomgeneration (SMR, deutsch „kleine modulare Reaktoren“) die Rede. Über die Verwirrung um die Haltung der CDU zu neuen Atomkraftwerken berichtete die Süddeutsche Zeitung.

Dabei stellt gerade auch die nächste Generation der Atomkraft unbezahlbare Luftschlösser dar. Hervorragend hat dies Marc Jacobsen, Energieforscher an der weltberühmten Stanford Universität in Kalifornien, in einem Webinar erklärt.

Er verdeutlicht klar warum SMR keine Lösung für das Klima sind:

Bei gleicher Leistung ist Atomkraft bis zu 14-mal teurer als Solar und Wind und auch die Betriebskosten sind bis zu 8-mal teuer. Jacobsen entzieht der Hoffnung auf neue kleine und mittlere Atomkraftwerke mit Natrium gekühlten Reaktoren auch gleich die Grundlage: diese haben viel höhere Kosten als Große.

Doch die Sturheit und Unbelehrbarkeit vieler Atombefürworter:innen kennt keine Grenzen. Bestes Beispiel hierfür ist Bill Gates. Als einer der reichsten Milliardäre der Welt investiert er mit Terra Power Hunderte Millionen US-Dollar in einen mit Natrium gekühlten Atomreaktor, obwohl dieser bei den ungeheuren hohen Investitionskosten pro Leistungseinheit nie wirtschaftlich werden kann.

Dabei hat ihm der Nuklearingenieur Arnie Gundersen – Experte mit 50 Jahren Nuklearerfahrung – einen Brief geschrieben, in dem er die Bauentscheidung von Gates für den mit Natrium gekühlten Reaktor als ziemlich dumme Idee bezeichnete und die 70 Jahre Misserfolgserfahrungen dieses Reaktortyps aufzeigte.

Solche unter der Abkürzung SMR geforderten kleinen und mittleren Reaktortypen sind bei weitem nichts Neues, wie gerne von den Atombefürwortern dargestellt, sondern gehören zu den längst gescheiterten Reaktorlinien aus den Anfangsjahren der Atomtechnik. Nur unbelehrbare Atombefürworter:innen von Macron bis Merz sowie die EU Kommission schauen sich offensichtlich nie die wichtigen Details solcher Linien an.

Ich kann ihnen allen nur diesen Brief von Gundersen empfehlen. Doch habe ich den Eindruck, dass sie resistent für stichhaltige Argumente sind und andere Ziele im Kopf haben. Immerhin würde ein funktionierender mit Natrium gekühlter Reaktor direkt hochangereichertes Uran für Atombomben liefern …