Die Bundesbehörde BGR behinderte nicht nur den Windkraftausbau, sondern den Klimaschutz in Gänze

Liebe Leserinnen und Leser,

Die Bundesbehörde BGR behinderte nicht nur den Windkraftausbau, sondern den Klimaschutz in Gänze

In den letzten Wochen wurde aufgedeckt, dass die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit Sitz in Hannover einen gravierenden wissenschaftlichen Fehler zugeben musste, der seit 2004 maßgeblich von den Windkraftgegner*innen als Begründung für eine angebliche gesundheitliche Gefährdung durch Windkraftanlagen angeführt wurde.

Im Zentrum der Argumentationen der Windkraftgegner*innen steht neben anderen Begründungen der Infraschall. Er soll angeblich so stark von Windkraftanlagen ausgesendet werden, dass erhebliche gesundheitliche Gefahren entstünden. Infraschall ist eine unhörbare Schallemission unterhalb einer Frequenz von 20 Hertz und wird sehr vielen technischen Geräten mehr oder weniger stark emittiert, so für eine*n Mitfahrer*in im Auto wesentlich mehr als für einen Bewohner in der Nähe einer Windkraftanlage. Dabei ist die Unbedenklichkeit der Infraschall-Emissionen aus Windkraftanlagen bereits seit Jahren nachgewiesen.

Dennoch verunsichern unbelehrbare Windkraftgegner*innen auf ihren Webseiten weiterhin die Bevölkerung mit der angeblichen Gesundheitsgefahr durch Infraschall und haben so den Ausbau der Windkraft und damit den Klimaschutz stark behindert. Die maßgebliche Quelle ihrer Behauptungen ist eine Untersuchung der BGR von 2004, die zwar nicht die gesundheitlichen Auswirkungen untersuchte, aber dennoch unentwegt von faktisch allen Windkraftgegner*innen als zentrale Referenz dafür angeführt wurde.

Nun hat die BGR zugegeben, dass ihre Berechnungen um den Faktor 1000 (!) zu hohe Emissionswerte ergeben haben und hat die Studie zurückgezogen. Ihre Verantwortung aber, Windkraftgegner*innen durch den Missbrauch ihrer Studie gestärkt zu haben, leugnet die BGR weiterhin. Sie hatte gegen die missbräuchlichen Interpretationen für die Gesundheit nie in ausreichendem Maße Einspruch erhoben, auch aktuell nicht.

So lässt die BGR weiterhin die Windkraftgegner*innen unwissenschaftlich gegen Windenergie polemisieren. Deren Ignoranz der umfangreichen wissenschaftlichen Fakten zur Unbedenklichkeit von Infraschall aus Windkraft ist – wie immer schön verpackt in scheinwissenschaftlichen Argumenten – beim führenden Windenergie-Gegner, Vernunftkraft, auch nach dem Eingeständnis der BGR immer noch nachzulesen.

Der Bayerische Rundfunk hat neben anderen Medien klar die eklatanten jahrelangen Verfehlungen der BGR in Sachen Infraschall aufgezeigt und auch, dass diese keine Nebensächlichkeit sind. Immerhin ist die BGR eine Bundesbehörde und dem Wirtschaftsministerium unterstellt. Dort sollte man eigentlich saubere, exakte, interessensunabhängige Wissenschaft erwarten.

Doch genau das gibt es bei der BGR offensichtlich seit Jahrzehnten nicht. Die massiven Verstrickungen und finanziellen Unterstützungen der BGR mit der fossil/atomaren Wirtschaft hat die Süddeutsche Zeitung in einer bemerkenswerten Recherche von 2016 aufgezeigt, so ist die BGR z.B. wichtige Stichwortgeberin u.a. für die große Szene der Klimawandelleugner*innen:

So hat die BGR laut SZ in einer Stellungnahme gegen allen wissenschaftlichen Konsens behauptet: „Das anthropogen eingebrachte CO₂ spielt mit einem Anteil von 1,2 Prozent am gesamten Treibhausgaseffekt nur eine untergeordnete Rolle.“ Weiter schrieb die SZ: „Nicht selten steht die Bundesanstalt auf Seiten der Industrie, ob beim Fracking, der unterirdischen Lagerung von CO₂ per „CCS“ oder beim Endlagerprojekt Gorleben. Auch Studien, die Zweifel am Salzstock Gorleben zerstreuen sollen, werden durch die Stiftung gefördert.“

Finanzierungen holte sich die BGR als Bundesbehörde vielfach von der Hans-Joachim-Martini-Stiftung. Zu den Stiftungs-Spendern gehörten Unternehmen, für deren wirtschaftliche Tätigkeit die inhaltliche Ausrichtung der BGR von Bedeutung ist, die engen Verbindungen zur Martini-Stiftung zeigten somit auch die Nähe der BGR zur Industrie auf. So schrieb die SZ: „Wie freigiebig die Spitzen der Industrie in den „Hans-Joachim-Martini-Fonds“ einzahlten, wie unverblümt die BGR selbst an Spender herantrat, das belegen Akten, die WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung vorliegen. Bayer, Degussa, die Energiekonzerne Preussag und Rheinbraun, der Gasförderer Wintershall und der Stahlriese Salzgitter, sie alle machten mit.“  

Wechselnde Manager der fördernden Unternehmen saßen im Lauf der Jahre im Kuratorium der BGR sowie dem Stiftungsrat, hier zusammen mit dem Präsidenten der BGR und einem ständigen Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums. Längst stand die BGR insbesondere mit der Verbindung zur Martini-Stiftung unter Korruptionsverdacht. Doch ein wirkliches Durchleuchten seitens der Aufsichtsbehörden gab es nie. Dabei muss man auch wissen, dass Hans-Joachim Martini ein lupenreiner und bekennender Nazi war.

Nun hat auch das Bundeswirtschaftsministerium Stellung bezogen: „Bundesminister Altmaier, in dessen Geschäftsbereich die BGR arbeitet, betonte, dass er es sehr bedauere, dass viele Menschen, auch Windkraftgegner, schlaflose Nächte gehabt hätten, weil sie sich aufgrund der falschen Zahlen Sorgen vor den gesundheitlichen Auswirkungen von Infraschall gemacht hätten. Darunter habe auch die Akzeptanz von Windkraft an Land gelitten, die für den Erfolg der Energiewende und damit für den Klimaschutz sehr wichtig ist.

Ein Bedauern dieser gravierenden, seit über 15 Jahren massiv klimaschädlichen Wissenschaft aus der BGR ist zwar gut, aber bei weitem nicht angemessen bezüglich des Schadens, den die BGR seit Jahrzehnten gegen die Windkraft und damit den Klimaschutz verursacht hat. Zudem findet kein grundsätzliches Hinterfragen all der klimaskeptischen und die fossil/atomare Wirtschaft befürwortenden Stellungnahmen der BGR statt, wie sie die SZ zusammen mit anderen Zeitungen längst aufgedeckt hat.

Offensichtlich will Altmaier nur sein Gesicht wahren und gibt einen nicht mehr zu leugnenden Fehler der BGR zu, will aber weiter kein Licht in das Dunkel der Finanzierungen und Veröffentlichungen der BGR bringen.

Der Sumpf der Verquickungen der Union in der fossilen und atomaren Wirtschaft und den mit ihr verknüpften bundeseigenen Wissenschaftsinstituten soll wohl weiterhin nicht offengelegt werden. Das große Schweigen der Union – ganz anders als beim Maskenkorruptionsskandal von Abgeordneten – zu den Vorwürfen im Energiesektor gegen Abgeordnete wie u.a. Joachim Pfeiffer oder Axel Fischer, beides vehemente Gegner der Erneuerbare Energien, ist bezeichnend. Am 4. Mai hat das ZDF in der Sendung „Die Anstalt“ eine Sendung ausgestrahlt, in der die Fülle der Skandale der CDU/CSU zusammengetragen sind. Lesen Sie den unglaublichen Faktencheck zu dieser Sendung. Neben Masken, Immobilien stehen vor allem Energieskandale u.a. auch um die Erdöl- und Erdgasinteressen des korrupten Regimes Aserbaidschan im Focus.

Die Verquickungen der BGR mit der fossilen und atomaren Energiewirtschaft hätten bei den zuständigen Ministern Gabriel und Altmaier spätestens seit den schwerwiegenden Recherchen der SZ Anlass sein müssen, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch es scheint klar zu sein, dass die Union bis heute unter Kanzlerin Merkel vehement versucht, alles im Dunkeln zu lassen, damit zumindest vor der Bundestagswahl keine neuen Skandale wie die Maskenaffäre aufkommen.

Offensichtlich ist die Dimension der tiefen Verstrickung der Union mit den Geschäften der fossilen und atomaren Wirtschaft so gravierend, dass die Aufdeckung schlimmste finanzielle und inhaltliche Verbindungen offenlegen würde. Insbesondere würde klar werden, warum die Union über Jahrzehnte keine wirksame Klimaschutzpolitik gemacht hat, obwohl sie damit massiv die Freiheiten kommender Generationen einschränkt, wie das Bundesverfassungsgericht erst vor kurzem urteilte.

Das unbeanstandete Gewähren einer Bundesbehörde wie der BGR, die seit Jahren klimaskeptische, erdöl- und erdgasfreundliche, atombefürwortende und windkraftschädliche Untersuchungen auflegt, spricht Bände für das Versagen des meist unions-, aber auch liberal- und SPD- geführten Aufsichtsministeriums BMWI.

Hammelburg, 06. Mai 2021

Ihr Hans-Josef Fell