Neue Beschlüsse zum Klimaschutz und Erneuerbare Energien aus Berlin und Brüssel – wie wirksam sind sie?
In den letzten Tagen überschlugen sich die Beschlüsse aus Brüssel und dem Koalitionsausschuss zu den Themen Klimaschutz und Erneuerbare Energien. Scheinbar ein gutes Zeichen – doch leider immer noch nicht ausreichend.
Die EU-Richtline für Erneuerbare Energien (RED III)
Nach zwei Jahren Verhandlungen im Trialog (also als gemeinsame Entscheidung von EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat) wurde eine Einigung zur neuen Richtlinie für den Ausbau der Erneuerbare Energien (RED III) erzielt. Doch ist die Anhebung des Zieles zum Ausbau der Erneuerbaren Energien bis 2030 von 32% auf 45% wirklich so „ambitioniert“, wie PolitikerInnen und Presse verkünden?
- Genehmigungsfristen: Einzelne Bereiche der RED III werden den Ausbau der Erneuerbare Energien beschleunigen und können gute Wirkung entfalten: etwa die Einführung von verkürzten Genehmigungsfristen für Wind- und Solaranlagen.
- Biogasanlagen: Für Biogasanlagen ist dagegen die rückwirkende Einführung neuer Treibhausgasminderungskriterien als Vergütungsvoraussetzung bedrohlich für den Fortbestand bestehender Anlagen. Dass nun für Bestandsanlagen höhere Anforderungen als für neu gebaute Anlagen gelten sollen, ist nicht nachvollziehbar. Möglicherweise wird dies auch gerichtlich überprüft werden, da es sich hier eigentlich um einen grundgesetzlich verbotenen rückwirkenden Eingriff in das Eigentum handeln dürfte.
- Holz: Erleichterung herrscht in der Holzbranche, dass Holz weiterhin als Erneuerbare Energie eingestuft wird. Es wäre absurd gewesen, jetzt z.B. kleine Holzfeuerungen auszuschließen, wo es doch darum gehen muss, klimaschädliche Erdgas- und Erdölheizungen möglichst schnell zu ersetzen. Gleichwohl müssen alle Holzfeuerungen darauf achten, dass nur Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft, also kein Kahlschlagholz verwendet und beste Rauchgasreinigung eingesetzt wird, damit gesundheitsschädliche Feinstaubemissionen weitgehend vermieden werden. Für diese Kriterien hätten die Anforderungen in der RED III durchaus schärfer sein müssen.
- Wasserstoff aus Atomenergie: Frankreichs Anliegen, Wasserstoff aus Atomenergie auch als grüne Energie zu bezeichnen, wurde insofern abgewehrt, da die Umsetzungshürden so hoch sind, dass es dazu nicht kommen wird. Das ist positiv zu bewerten.
- Umsetzung: Leider bewirken EU-Richtlinien noch lange keine Umsetzung in nationales Handeln. Deutschland hat die Pflicht aus der 2019 erlassenen RED II zum Energy Sharing immer noch nicht in nationales Gesetz umgesetzt. Dies wäre aber fundamental für den beschleunigten Ausbau der dezentralen Erneuerbaren Energien.
Auch der Trialog bezieht sich auf das Pariser Abkommen mit dem Ziel, eine Erdaufheizung möglichst über 1,5°C nicht zu überschreiten. Faktisch bedeutet die RED III, dass auch 2030 in der EU noch mehr als die Hälfte der Energie aus klimaschädlichem Erdöl, Erdgas und Kohle, sowie Atommüll produzierender Atomkraft kommen sollen. 2030 wird aber die 1,5°C Erdaufheizung bereits überschritten sein. Schon jetzt werden Klimakipppunkte irreversibel überschritten. Die EU beschließt also mit der RED III den Weg der Menschheit in eine unbeherrschbare Heißzeit der Erde mit 3°C bis 2050 – eine politische Kapitulation vor der sich beschleunigt aufheizenden Erde.
Deutschland – Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung
Am 28.3. beschloss die Ampelkoalition nach langer Diskussion ein umfangreiches Beschleunigungspaket für den Klimaschutz. Das Paket ist trotz positiver Elemente immer noch voller, für den Klimaschutz kontraproduktiver Punkte: der Autobahnbau soll beschleunigt werden (FDP), im Austausch für den Ausbau von neuen Schienenstrecken, des ÖPNV, der Radinfrastruktur, genauso wie Solar- und Windanlagen (Grüne). Der Naturschutz soll beschleunigt und effizienter gemacht werden – ein Erfolg für Klimaschutz und Biodiversität (Grüne). Gleichzeitig sollen ineffiziente E-Fuels staatlich unterstützt werden (FDP). Auffallend: Die SPD scheint kaum eigene Positionen im Ringen um mehr Klimaschutz einzubringen. So erscheint die Klimaschutz-Ampel-Politik öffentlich als ein Streit zwischen den sich stark widersprechenden Programmen der Koalitionspartner FDP und Grünen.
Der Streit im Bundestag und der Ampelkoalition ist ein Spiegelbild der in Klimaschutzfragen zerstrittenen Gesellschaft.
Allerdings ist dieser für viele unverständliche „Streit“ im Bundestag und der Regierung nichts anderes als das Spiegelbild der Gesellschaft und der gesellschaftlichen Debatte. Alle Parteien vertreten Interessensgruppen mit ihren Forderungen. Diese Forderungen z.B. für oder gegen Autobahnausbau sind beide in der Gesellschaft weit verbreitet. Daher wäre es zu einfach nur den politisch den Klimaschutz wenig beachtenden Parteien zu unterstellen, nur diese seien gegen Klimaschutz. Es sind nicht nur Parteien im Bundestag, die beim Klimaschutz versagen. Es ist die gesamte Gesellschaft. Im Bundestag findet nur federführend der gesellschaftliche Kampf darum statt, weil dort die gesetzlichen Entscheidungen dazu getroffen werden müssen. Auch in der Gesellschaft muss sich viel ändern, damit mehr und mehr Menschen sich den engagierten Klimaschutzbewegungen anschließen und eben nicht in Interessensverbänden eine Antiklimaschutzpolitik vorantreiben.
Leider gibt es noch zu viele Menschen, die ignorant und egoistisch weiterhin mit günstigen fossilen Energien den Status Quo erhalten, keine individuelle Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen, weiter unbegrenzt in den Urlaub fliegen oder bequem weiter Plastik nutzen und wegwerfen wollen. Viel zu viele Menschen wollen neue Autobahnen und unbeschränkte Raserei mit fossil betriebenen Verbrennungsmotoren auf der Autobahn, weiter wie bisher mit Erdöl und Erdgas heizen, aber auf staatliche Hilfe setzen, wenn die Erdgas- und Erdölpreise durch die Decke schießen. Sie lehnen den schnellen Austausch von fossilen Heizungen als zu kostspielig ab – und ignorieren die Warnzeichen, wie den jüngsten OPEC-Beschluss zur Kürzung der Erdölförderung, der ja eigentlich vor der Verknappung der fossilen Rohstoffe und damit verbundenen Preiserhöhungen warnen müsste. Es liegt nahe, dass FDP, Union und AFD eine Politik für diese Seite der Gesellschaft machen, weil zu wenig Druck und Engagement insgesamt aus der Gesellschaft für wirksamen Klimaschutz kommt. Die vielen unglaublich stark engagierten Klimaschützer sind eben doch noch zu wenige.
Natürlich wird die Stimmung gegen wirksame Klimaschutzmaßnahmen auch von starken Interessensgruppen insbesondere aus der fossilen Wirtschaft mit großer Finanzkraft beeinflusst. Um diese Klientelinteressen einer fossilen Wirtschaft zu befördern, brauchen auch die PolitikerInnen der Opposition nur laut kritisieren, Verantwortungsübernahme und eigene Lösungsvorschläge sind dabei überflüssig. Die AfD, die Union unter Friedrich Merz und die Springerpresse beherrschen das gut. Gerade die Union schimpft auf die aktuelle Ampel, als seien ihre eigenen Klimaschutz-Blockaden der letzten zwei Jahrzehnte ungeschehen und vergessen.
Gegenüber solchen Widerständen haben es die verantwortlichen PolitikerInnen in Regierung und Parlament naturgemäß schwer, eine konsequente Klimaschutzagenda zu beschließen, was ihnen wiederum Kritik aus der klimabewegten Zivilgesellschaft einbringt.
Es ist ernüchternd: Statt gemeinsam verantwortlich am Klimaschutz zu arbeiten, um noch die letzte Chance für den Erhalt der menschlichen Zivilisation zu nutzen, übertreffen sich viele gesellschaftlichen Interessensgruppen mit den Forderungen ihrer Klientel und behindern so massiv eine konsequente Klimaschutzpolitik. Und so kommt es, dass dann das jüngste Modernisierungspaket der Ampelkoalition einige Klimaschutzverbesserungen in Teilbereichen beinhaltet, aber auch viele Punkte, die komplett kontraproduktiv sind.
Auf der Strecke bleibt ein mit vernünftigen Argumenten ausgetragener Streit darüber, WIE das 1,5 Grad Ziel noch einzuhalten wäre. Stattdessen wird das 1.5 Grad-Ziel klammheimlich abgeschrieben und beispielsweise der Verkehrsminister von seinem Sektorziel befreit. Weiter geht auch die Unterstützung für Investitionen in fossile Infrastruktur und Beschaffungen von fossilen Rohstoffen. Insbesondere die massiven Unterstützungen, die mit dem Schummellabel „wasserstoffready“ eigentlich nur die Lebensdauer von klimaschädlichen Erdgas-Kraftwerken, Heizungen und LNG-Terminals verlängern, verhindern konsequenten Klimaschutz in Deutschland.
Wir sind trotz der jüngsten Beschlüsse in Brüssel und Berlin nach wie vor auf Kurs in die Klimahölle.