Energiegewinnung aus Kernfusion: Die teuerste Fata Morgana der Welt
Der Start des Experiments des Kernfusionsreaktors ITER in Frankreich wird sich schon wieder um acht Jahre verzögern und schon wieder teurer werden, diesmal um 5 Milliarden Euro. Damit läuft dieses größte Kernfusionsexperiment endgültig aus dem Ruder. Anstatt wie ursprünglich geplant im Jahr 2025 in den Testbetrieb zu gehen, soll ITER nun erst 2034 fertiggestellt werden.
Die Gesamtkosten ITER werden vom internationalen Projektleiter Pietro Barabaschi derzeit auf 20 bis 40 Milliarden Euro geschätzt. Eine ungeheure Summe für ein einziges Forschungsexperiment, das nach meiner festen Überzeugung nie vollständig realisiert werden wird. Niemand kann jedoch genau sagen, wie viel das Experiment letztendlich kosten wird; es gibt auch Schätzungen, die von 60 Milliarden Euro ausgehen.
Wohlgemerkt: Diese Kosten beziehen sich nur auf das Experiment, das den Nachweis erbringen soll, dass Plasma mithilfe von Magnetfeldern prinzipiell zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Die Entwicklung eines funktionierenden Reaktors wird voraussichtlich weitere zig oder hunderte Milliarden kosten.
In meiner Rede vom 6. Juni 2002 im Deutschen Bundestag wies ich darauf hin, dass „etwa 80 % aller Energieforschungsmittel der OECD in den letzten 50 Jahren in die Kernspaltung und Kernfusion investiert wurden. Mit dem äußerst mageren Ergebnis, dass nur 5 % des heutigen Weltenergiebedarfs mit Nuklearenergie gedeckt werden.“ Die Kernfusion aber hatte damals genauso wie heute überhaupt keinen Energiebeitrag geleistet.
ITER hätte nie beschlossen werden dürfen
Es war alles von vornherein absehbar. In den 1950er Jahren versprachen Kernphysiker, dass sie einen Kernfusionsreaktor in etwa 30 Jahren, also um 1990, in Betrieb nehmen könnten. Bis heute machen sie großartige Versprechen, nämlich dass die Kernfusion die Energieprobleme der Welt lösen würde, da sie fast unendlich viel Energie im Vergleich zum Energieverbrauch der Menschheit liefern würde – was jedoch nur rein theoretisch stimmt.
Nach wie vor gehen die meisten Forschungs- und viele Energiepolitiker ihnen auf den Leim und investieren unentwegt Forschungsgelder in die Kernfusion. Auch heute gilt noch wie 2002: Die Kernfusion hat weltweit in den letzten 70 Jahren mit Abstand wesentlich mehr öffentliche Energieforschungsmittel erhalten als die Erneuerbaren Energien. Das Ergebnis: Der Energiebeitrag der Kernfusion zur Lösung der Energieversorgung ist dennoch gleich null.
Dass die auf der Sonne tatsächlich stattfindende Kernfusion der Menschheit über die Sonnenstrahlen jährlich mehr als zehntausendmal so viel Energie liefert, wie die Menschheit benötigt, wird von vielen Menschen nicht als Lösung der Energieprobleme anerkannt. Sie setzen lieber weiterhin auf die Kernfusion, obwohl die Solarenergie inzwischen die billigste Art der Energieerzeugung geworden ist. Die Fata Morgana Kernfusion lebt unausrottbar in vielen Köpfen weiter.
Bundesregierung wird die Kernfusion weiter mit Milliarden unterstützen, kürzt jedoch bei Erneuerbaren
So auch im Kopf von Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger (FDP). Vor kurzem erklärte sie: „Fusion ist eine riesige Chance, alle unsere Energieprobleme zu lösen.“ Sie kündigte an, dass die Bundesregierung die Fusionsforschung in den nächsten fünf Jahren mit mehr als einer Milliarde Euro fördern wird. Dazu kommen noch die Zahlungen Deutschlands an EURATOM, aus denen die EU-Beiträge für ITER bezahlt werden. Die Höhe dieser Milliardenbeträge ist undurchsichtig, da der EURATOM-Haushalt nicht demokratisch vom EU-Parlament kontrolliert wird.
Ein Irrsinn. Dies wird den Technologiestandort Deutschland erheblich schwächen, wie Martin Henning vom Fraunhofer Institut ISE in Freiburg zu Recht beklagt.
ITER: Immer teurer, immer später – Fertigstellung möglicherweise noch Jahrzehnte entfernt, Projektaufgabe nicht ausgeschlossen
Im Jahr 2006 wurde nach langen Verhandlungen der Bau von ITER durch die Projektmitglieder – die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Russland, Indien und China – beschlossen, nachdem bereits 1985 der Grundsatzbeschluss dazu gefasst worden war. Als Sprecher für Forschungspolitik der Grünen im Forschungsausschuss des Bundestages setzte ich mich damals dafür ein, dass ITER nicht gebaut wird und das vorgesehene Geld besser in die Forschung für Erneuerbare Energien investiert wird. Gegen die überwältigende Macht der anderen beteiligten Länder konnte ich mich jedoch als einsamer Warner nicht durchsetzen. Ich machte auf die Gefahr aufmerksam, dass der Bau endlos dauern würde, die vorgesehenen Fertigstellungstermine nicht eingehalten und immer wieder massive Kostensteigerungen auftreten würden. Am Ende würde es sich um eine endlose Geschichte handeln, da ITER letztlich nicht funktionieren könne.
Bis heute habe ich mit meinen Warnungen recht behalten. Schon 2008, nur zwei Jahre nach dem Baubeschluss, kam die erste Kostensteigerung. In einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion bestätigte die Bundesregierung am 27. Juni 2008, dass sich die Baukosten des ITER um etwa 1,6 Milliarden Euro erhöhen und die für 2016 vorgesehene Fertigstellung sich um 1 bis 3 Jahre verzögern werde.
Nachdem die Fertigstellungstermine zunächst auf 2016, dann auf 2018 und später auf 2025 verschoben wurden, wird nun erst im Jahr 2034 mit dem Beginn des Testbetriebs gerechnet. Ich würde eine Million Euro wetten, dass ITER auch 2034 keinen Probebetrieb aufnehmen wird.
Wann endlich werden Forschungspolitiker aufhören, den Kernfusionsforschern weiterhin Geld hinterherzuwerfen, das in den letzten 70 Jahren völlig ergebnislos verschwendet wurde? Bis heute ist keine einzige Kilowattstunde Strom erzeugt worden, und ich bin mir sicher, dass die Kernfusion niemals erfolgreich sein wird – auch nicht durch die wenigen Start-ups, die nun versuchen, die Kernfusion privatwirtschaftlich zu verwirklichen.
Immerhin gibt es nun einen neuen Hoffnungsfunken: Die neue Kostenschätzung ist noch nicht von den ITER-Mitgliedern genehmigt. Hoffentlich kommen sie nun zu dem Schluss, den ich bereits 2002 gezogen habe, und stampfen diese Fata Morgana endlich ein.