Werden französische Soldat*innen wegen Erdgas jetzt im Jemenkrieg eingreifen?

Werden französische Soldat*innen wegen Erdgas jetzt im Jemenkrieg eingreifen?

Liebe Leser*innen,

aus Angst vor der winterlichen Erdgasknappheit infolge eines russischen Erdgaslieferstopps treiben europäische Regierungen in immer gefährlicheres geopolitisches Fahrwasser.

Statt den Ausbau der Erneuerbaren Energien endlich massiv voranzutreiben, steigern sich die Aktivitäten der europäischen Regierungen immer mehr in die Suche nach Erdgaslieferungen, insbesondere von LNG, aus allen Teilen der Welt.

Noch immer haben jene Regierungen nicht verstanden, dass die gesamte verfügbare Erdgas- und Erdölförderung der Welt kaum steigerbar ist – jedenfalls nicht um die Mengen, die den abzuschaltenden russischen Energielieferungen entsprechen.

Wohlgemerkt kann das Problem nicht gelöst werden, indem – wie es immer mehr skrupellose Stimmen, z.B. aus der AFD fordern – Nordstream 2 in Betrieb genommen wird. Dadurch würde die Kriegsfinanzierung des Aggressors Russland nur noch mächtiger werden. Dies wäre vollkommen inakzeptabel und würde mit Sicherheit nicht zum ersehnten Frieden in der Ukraine führen.

Die Diversifizierung neuer Erdgaslieferungen aus fernen Ländern ist aber nur in geringem Umfang möglich und würde Jahre in Anspruch nehmen. So hat Katar erst kürzlich mitgeteilt, dass es die großen LNG-Mengen, die Deutschland erwartet, in den nächsten Jahren gar nicht liefern kann. Und auch Kanada war beim jüngsten Besuch von Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck sehr zurückhaltend, was die deutschen Wünsche nach LNG-Lieferungen betrifft.

Meine Warnungen, dass die Diversifizierungsstrategie Deutschlands und der EU nur in neue geopolitische Spannungen führen, scheinen sich schneller zu bewahrheiten, als vorherzusehen war.

Wie The New Arab berichtet, will Frankreich Soldat*innen in den Krieg nach Jemen senden, um neue Erdgasexporte im LNG-Terminal Balhaf in der umkämpften Provinz Shabwa vorzubereiten und militärisch zu sichern.

Seit sieben Jahren kämpfen Saudi-Arabien und der Iran im Stellvertreter-Krieg im Jemen um ihre Vorherrschaft. Der Krieg im Jemen gilt daher als eine der schlimmsten humanitären Katastrophen weltweit.

Erst kürzlich stellte US-Präsident Biden den Mord an dem Saudischen Journalisten Khashoggi in seinen Gesprächen mit Saudi-Arabien hintenan und versuchte stattdessen neue Energielieferungen aus Saudi-Arabien zu erhalten. Offensichtlich haben die USA selbst Energieprobleme und werden genauso wenig wie Kanada oder Katar die europäischen Energiewünsche nennenswert erfüllen können.

Wenn aber nun tatsächlich französische Soldat*innen im Jemenkrieg den Erdgasexport aus dem Jemen militärisch sichern, hat das eine ganz neue Dimension: Europa greift wegen seines Erdgashungers in den Jemenkrieg ein. Was das im Hinblick auf erneute Anschläge des Islamistischen Terrors auch für die EU bedeuten könnte, lässt sich allenfalls erahnen.

Erstaunlich ist, dass bisher kein europäisches Medium über diese mögliche Absicht Frankreichs zur militärischen Sicherung neuer Erdgaslieferungen aus dem Jemen berichtet hat.

Dabei wird immer klarer: Es gibt keine Strategie, die die notwendige vollständige Ablösung russischer Energielieferungen mit fossilen und atomaren Energielieferungen aus anderen Lieferländern schaffen kann – schon gar nicht ohne neue geopolitische Verwerfungen und Kriege, erst recht nicht kurzfristig für diesen Winter und auch nicht mittel- oder langfristig.

Und im Übrigen würde diese Strategie auch den entscheidenden Booster geben, die Erdüberhitzung massiv zu beschleunigen. Neue und schlimmere Dürren, Hitzeperioden, Waldbrände, Starkregen und andere Katastrophen auch in Deutschland sind dann die Folge.

Es gibt nur den einen Ausweg: Den Ausbau der Erneuerbare Energien zu beschleunigen. Doch dafür braucht es keine französischen Soldat*innen im Jemenkrieg, keine Reisen von Kanzler und Vizekanzler nach Katar, Israel, Ägypten, Kanada und sonst wohin.

Es bräuchte aber sehr wohl Reisen der beiden in die Bundesländer, um deren Blockaden gegen die Erneuerbare Energien zu lösen, nach Bayern um die 10H-Regel zu Fall zu bringen, nach Baden-Württemberg, um endlich neue Windausbaugebiete zu bekommen, nach Hessen um die Abschaltung der kleinen Wasserkraft zu stoppen.

Und es braucht endlich klare Vorgaben für den Ausbau der Erneuerbare Energien und keine Diskriminierung, wie es jetzt die Gasumlage vorsieht. Sie soll allen Ernstes auch auf den Bezug von heimischem Biogas erhoben werden, obwohl genau die Biogaskonsument*innen bisher schon freiwillig erheblich mehr bezahlt haben als die Erdgaskund*innen.

Es ist also der Ausbau der Erneuerbaren Energien viel zu schwach. Im ersten halben Jahr der Ampelkoalition ist der Windkraftausbau mit 977 MW weiter auf dem erschreckend niedrigem Niveau, welches unter Ex-Minister Altmaier massiv gedrosselt wurde.

Die letzten Ausschreibungsergebnisse für Solaranlagen auf Dächern sind weit unterzeichnet und das, obwohl schon die Ausschreibungsvolumina viel zu niedrig sind, im Vergleich zur Zielerfüllung der Regierungsziele.

Die Ampelkoalition sowie auch die EU müssen sich endlich besinnen und die massiven Bremsen des Ausbaus der heimischen Erneuerbaren Energien lösen, statt in fernen Ländern nach LNG zu betteln, welches diese eh nicht in ausreichender Menge liefern können.

Hammelburg, 29. August, 2022

Ihr Hans-Josef Fell