Atomlobbyist in Vorstand des Forschungsverbundes Erneuerbare Energien gewählt
Union und FDP versuchen zusammen mit der rechtsradikalen AFD der Atomenergie in Deutschland wieder eine Zukunft zu geben. Sie begründen dies mit aktuell hohen Strompreisen und einem zu schwachen Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Union und FDP haben in den letzten zehn Jahren den Ausbau der Erneuerbaren Energien erheblich behindert, indem sie sich gemeinsam mit klagenden Windkraftgegnern, insbesondere aus der Bundesinitiative Vernunftkraft, die eng mit dem undurchsichtigen rechten Spektrum um die AfD verflochten ist, positioniert haben.
Atomenergie in der Welt auf absteigendem Ast
Klar ist, dass die Atomenergie, wenn man auf Fakten statt auf Fake News setzt, viel zu teuer ist. Ein Neubau dauert über 20 Jahre, und weltweit nimmt die Nutzung der Atomkraft insgesamt ab, wie der jüngste World Nuclear Industry Report zeigt.
Selbst in China, dem Land mit dem stärksten Ausbau der Atomenergie, spielt Atomkraft nur eine marginale Rolle gegenüber den Erneuerbaren Energien. So wurden in China 2023 unbedeutende 1,2 GW Atomkraft neu zugebaut, aber 278 GW an Erneuerbaren Energien.
Doch all diese Realität lässt die Atomgemeinde aus Politik, Rechtsaußen und sogar in der Forschungslandschaft kalt. Es ist vielmehr Methode, gerade bei den Rechtsradikalen in der globalen Welt, wie auch in Deutschland, Wahrheiten zu ignorieren und stattdessen Lügen, wie die angebliche Renaissance der Atomenergie, zu verbreiten.
Atomlobbyist Knebel wird stellvertretender Sprecher des Forschungsverbundes Erneuerbare Energien (FVEE)
Dass nun mit Dr. Joachim Knebel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sogar einer der größten Atomlobbyisten Deutschlands in den Vorstand des FVEE gewählt wurde, ist unfassbar.
In meiner Zeit als Forschungspolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion von 1998 bis 2005 hatte ich intensiven Kontakt zum FVEE. Bereits damals empfahl ich dem Gremium, sich politisch zu engagieren, um mich in den Haushaltsberatungen zu unterstützen. Ziel war es, die Forschungsmittel für die Atomspaltung und Kernfusion zugunsten eines verstärkten Ausbaus der Erneuerbaren Energien gemäß dem rot-grünen Atomausstieg umzuschichten. Leider fand ich außer beim Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energietechnik, Dr. Eicke Weber, keine Unterstützung im Vorstand des FVEE. Die Forschungsmittel für Erneuerbare Energien blieben daher stets zu niedrig, während die Mittel für die Nuklearforschung zu hoch ausfielen. Insbesondere die Forscher der Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) standen dem Vorhaben ablehnend gegenüber. Der Gründungsgeist der HGF-Institute, die allesamt als Atomforschungseinrichtungen ins Leben gerufen wurden, besteht dort bis heute fort.
Das KIT entstand 2009 aus der Fusion des früheren Kernforschungszentrums mit der Universität Karlsruhe. Das atomare Erbe bleibt dort weiterhin sehr aktiv. Der eigentliche Auftrag des Forschungsverbundes Erneuerbare Energien besteht darin, die Forschung im Bereich der Erneuerbaren Energien voranzutreiben und nicht die der Atomenergieforschung, wie es Dr. Knebel jedoch sein Leben lang getan hat und auch heute noch tut. Dr. Knebel war unter anderem in leitenden Positionen für das Deutsche Atomforum (DAtF) und sein europäisches Pendant ENS tätig.
Es wurde ihm der Titel `honoris causa´ der russischen Universität St. Petersburg verliehen. Wofür genau, ist bisher nicht öffentlich bekannt. Diese Universität ist bislang nicht durch ihre Forschung im Bereich Erneuerbare Energien aufgefallen.
Neben vielen anderen Posten ist Knebel auch im Leitungskomitee der Europäischen Energieforschungsallianz EERA. Diese betreibt ein umfangreiches Forschungsprogramm zu Nuklear-Materialien (JPNM) und an dessen Agenda MATERIALS FOR SUSTAINABLE NUCLEAR ENERGY (Materialien für nachhaltige Nuklearenergie) ist wiederum das KIT beteiligt.
Umfangreiche Atomenergieforschung am KIT
Dr. Knebel betreut im KIT alle Maschinenbau-, Elektrotechnik- sowie alle Nuklearinstitute, insgesamt 32 an der Zahl. Also auch alle für die Energiewende-Forschung wichtigen technischen Institute.
Doch in seinen Verantwortungsbereich fallen mehrere höchst problematische Zuständigkeiten aus der Atomforschung, hier seien nur drei genannt:
- Framatome Nuklearschule FPS: Sie bietet spezielle Weiterbildungs-Lehrangebote im Bereich Nuklearwissenschaften an, sowie Projektarbeiten in Instituten des KIT zu Reaktorkonstruktion und neuartigen Atomkraftwerken (z.B. Leichtwasserreaktoren der IV. Generation)
Framatome ist weltweit für das Management von rund zwei Drittel aller kerntechnischen Anlagen verantwortlich und ist bei mehr als 380 Reaktoren im Einsatz.
Darüber hinaus arbeitet Framatome u.a. an sogenannten Kleinen Modularen Reaktoren (SMR), sowie an Flüssigsalzreaktoren (MSR) - Flüssigsalzreaktoren: Sofern sie mit Thorium betrieben werden, kann durch die integrierte Wiederaufarbeitung das atomwaffenfähige Uran-233 abgezweigt werden, was nicht nur aus Proliferationsgründen ein hohes Sicherheitsrisiko darstellt. Das KIT war zu diesen Reaktoren an den EU-Projekten SAMOFAR und SAMOSAFER beteiligt, die nun ausgelaufen sind. Allerdings soll es ein Nachfolgeprojekt unter dem Namen ENDURANCE geben, auch unter Beteiligung des KIT. Dies muß unbedingt verhindert werden.
- Chinesische Leitung: Das KIT-Institut für Angewandte Thermofluidik (IATF) arbeitet mit Prof. Cheng an der Spitze u.a. an folgenden Themen:
– Flüssigmetallgekühlte Brennelemente
– Kleine Modulare Reaktoren
– Beteiligung am internationalen Benchmark-Programm CANDU-TH-1 CANDU-Reaktoren ermöglichen durch ihre spezielle Bauweise eine relativ einfache Gewinnung von Waffenplutonium, da im laufenden Betrieb Brennstoff zugegeben und entnommen werden kann. Dieses und andere Merkmale machen den Reaktortyp besonders interessant für Schwellen- und Entwicklungsländer mit Atombombenwünschen und führen so zu einem erhöhten Risiko der Weiterverbreitung von Atomwaffen.
Nukleare Aktivitäten des KIT sind der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt
Auf der KIT-Homepage und in Pressemitteilungen werden die umfangreichen Atomenergieforschungsaktivitäten kaum erwähnt. Stattdessen wird derzeit vermehrt über kleinere Erneuerbare-Energien- und Nachhaltigkeitsprojekte berichtet, die zweifellos relevant und wichtig sind. Dennoch entsteht der Eindruck, dass die Erneuerbaren und andere Projekte als Alibi-Aktivitäten dienen, um die öffentliche Wahrnehmung zu verschleiern und die Atomforschung ungestört fortzusetzen.
Offensichtlich geht es am KIT darum, das Weiterbestehen der atomaren Infrastruktur zu sichern. Häufig werden auch Erneuerbare-Energien-Forschungen mit Nuklearforschung verbunden, beispielsweise bei der Thermischen Solarenergie. Diese scheint am IATF-Institut nur insoweit interessant zu sein, wie damit Forschungsgelder für „neue nukleare und solarthermische Dampferzeugerkonzepte“ eingeworben werden können. Selbst Workshops und studentische Austauschprogramme wirken mit dieser strategischen Kopplung unverfänglicher.
Das KIT wird bald einen neuen Präsidenten haben. Er sollte die Forschungsarbeiten des KIT zu den genannten Hochrisikotechnologien und insbesondere die Kooperation mit Framatom umgehend beenden. Da Framatom trotz des Ukrainekriegs intensive Kooperationen mit Rußland unterhält und diese sogar noch ausbauen will (s.u.), sind durch den möglichen und nicht zu kontrollierenden Wissenstransfer auch die Sicherheitsinteressen Deutschlands betroffen.
Deutsche Stromkonzerne haben kein Interesse mehr an der Atomenergie
Dabei zeigen die deutschen Stromkonzerne kein Interesse mehr an der Atomkraft. Der Chef des Stromkonzerns EnBW hat gerade erneut eine klare Absage an die von CDU/CSU/FDP/AFD geforderte Rückkehr zur Atomenergie erteilt. Auch die anderen Konzerne haben stets betont, dass der Neubau oder Weiterbetrieb von Atomkraftwerken für sie keine Rolle mehr spielt.
Rosatom und Framatom treiben die Atomenergie auch auf deutschem Boden voran
Im Gegensatz dazu treiben der russische Atomkonzern Rosatom, der große Einnahmen für die russische Kriegswirtschaft erwirtschaftet, zusammen mit dem französischen Atomkonzern Framatom ihre Atomaktivitäten auf deutschem Boden weiter voran. Atomkraftgegner*innen demonstrierten daher kürzlich vor dem Haupttor der Brennelemente-Fabrik in Lingen gegen den geplanten Ausbau der Atomanlage.
Vladimir Slivyak, Ko-Vorsitzender der russischen Umweltorganisation Ecodefense! und Träger des Alternativen Nobelpreises 2021, der genau um die Unterdrückung und die Kriegsaggression unter Putin weiß, warnte in der Pressemittelung von ausgestrahlt am 17. Januar 2024:
„Rosatom ist die rechte Hand des Kreml und versucht mit jeder Handlung, den Einfluss Putins zu vergrößern. Die Bundesregierung darf nicht zulassen, dass ein solcher Konzern Zugang zu einer Atomfabrik bekommt. Sie muss vielmehr alles dafür tun, dass jegliche Zusammenarbeit mit Rosatom unverzüglich unterbunden wird.“
Niedersachsens grüner Energieminister Christian Meyer fordert daher eindeutig ein Ende der trotz des Ukraine-Kriegs weiterhin andauernden Atomgeschäfte mit Russland. „Geschäfte mit Putin sollten beendet werden, das gilt auch und gerade für den Atombereich“ wird er in der Süddeutschen zitiert.
Es wird bedeutsam sein, dass Christian Meyer sich erfolgreich durchsetzt. Angesichts des oft versteckten, aber dennoch weiter starken Lobbyismus der Atomwirtschaft in Politik, Medien, Forschung und Unternehmen in Deutschland sicherlich keine leichte Aufgabe.