Großes Bündnis gegen den CCS-Gesetzesentwurf der Ampel-Bundesregierung
Ein großes Bündnis von über 70 Organisationen hat sich kürzlich in einem vielbeachteten Aufruf gegen das von der Ampelregierung am 21. Juni 2024 per Kabinettsbeschluss in den Bundestag eingebrachte CCS-Gesetz ausgesprochen (vgl. BT-Drs. 20/11900).
CCS (Carbon Capture and Storage) ist der Versuch, Kohlendioxid aus den Verbrennungsgasen fossiler Anwendungen oder der Zementproduktion abzuscheiden und beispielsweise in ausgeförderten Erdgas- und Erdölfeldern zu deponieren. Bereits vor über 20 Jahren habe ich davor gewarnt, dass CCS keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, sondern lediglich dazu dient, die fossile Wirtschaft länger am Leben zu halten. An dieser Einschätzung hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil: In den letzten Jahren wurde noch deutlicher, dass CCS kein Lösungsansatz für den Klimaschutz sein kann. Zuletzt habe ich in meinem Newsletter vom 16. Mai 2023 neuere Erkenntnisse dazu zusammengetragen. Mehr dazu hier
Kritische Stimmen zum Kabinettsbeschluss der Ampelregierung gab es auch bereits im Bundestag, insbesondere aus der Grünen Bundestagsfraktion. Quelle: Deutschlandfunk
Ob der Gesetzentwurf noch in dieser Wahlperiode im Bundestag verabschiedet wird, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Bekanntlich verfügt die aktuelle Bundesregierung aus SPD und Grünen nicht mehr über eine eigene Mehrheit im Bundestag. Zwar haben FDP und Union signalisiert, dass sie unter Umständen eine Verabschiedung des Gesetzes in dieser Wahlperiode unterstützen könnten, doch die Vorbehalte innerhalb der SPD und insbesondere bei den Grünen haben zugenommen (Tagesspiegel Background).
Wer mehr über die Gefahren und die fehlende Wirksamkeit von CCS im Klimaschutz erfahren möchte, findet umfangreiche Informationen auf der Homepage „Stoppt CO2-Endlager“ unter keinco2endlager.de.
Die Fossile Wirtschaft hat mit CCS Lobbyisten auch die letzte Weltklimakonferenz beherrscht
Der Guardian berichtete kürzlich, dass auf der vor kurzem zu Ende gegangenen Weltklimakonferenz in Baku die CCS-Lobbyisten besonders stark vertreten waren. Es waren mehr CCS-Lobbyisten anwesend als die nationalen Delegationen großer Länder wie der USA und Kanada. Fast die Hälfte dieser Lobbyisten erhielt als Mitglieder nationaler Delegationen Zutritt und konnte so sogar direkt an den Verhandlungen teilnehmen. Insgesamt hatten 1.773 Kohle-, Öl- und Gaslobbyisten Zugang zu den Klimaverhandlungen. In Baku wurden neue Regeln für die Nutzung von Kohlenstoffmärkten verabschiedet, die der CCS-Lobby möglicherweise große Vorteile verschaffen könnten, einschließlich einer verstärkten Finanzierung von CCS-Technologien. (Quelle: The Guardian)
Die Teilnehmerzahl von Klima-NGOs wurde hingegen sehr restriktiv gehandhabt. Auch wir von der Energy Watch Group haben dies deutlich gespürt, da es uns – anders als bei früheren Weltklimakonferenzen – diesmal nicht gelungen war, Zugang zu erhalten. Im Gegensatz dazu feierten die fossilen CCS-Lobbyisten „größten Erfolg“. In Baku wurden die in Abu Dhabi bereits beschlossenen Ziele, wie der Ausstieg aus fossilen Energien und die Verdreifachung des Anteils Erneuerbarer Energien bis 2030, nicht weiter vorangetrieben.
Der Aufruf gegen das CCS Gesetz kann noch unterzeichnet werden
Umso größere Bedeutung kommt nun dem Aufruf gegen das bundesdeutsche CCS-Gesetz zu, der von über 70 Organisationen unterzeichnet wurde. Als Präsident der Energy Watch Group habe ich diesen Aufruf ebenfalls als Erstunterzeichner unterzeichnet. Dadurch bestehen realistische Chancen, die Verabschiedung dieses klimaschädlichen CCS-Gesetzes in dieser Wahlperiode zu verhindern. Sollte dies gelingen, würde das Gesetz der Diskontinuität zum Opfer fallen. Das bedeutet, dass eine kommende Regierungskoalition zunächst einen neuen Gesetzesentwurf einbringen müsste.
Es wäre wünschenswert, wenn sich noch viele weitere Organisationen dem Aufruf anschließen würden. Wer dies tun möchte, kann den Aufruf per E-Mail an Kerstin.Meyer@bund.net unterstützen.
Die Pressemitteilung sowie den vollständigen Aufruf finden Sie hier: Gemeinsam gegen den fossilen Irrweg: CCS-Gesetz stoppen
Hier der Wortlaut des offenen Briefes:
Gemeinsam gegen den fossilen Irrweg
CCS-Gesetz stoppen. Echte Klimaschutzlösungen jetzt.
Die Klimakrise schreitet voran. Ihre Hauptursache: Das andauernde Verbrennen von Kohle, Öl und Gas. Doch anstatt den dringend notwendigen Ausstieg aus den fossilen Energien fortzuführen, plant die Bundesregierung, Milliarden an Steuergeldern in eine Technik zu investieren, die diesen Ausstieg verhindern oder zumindest stark verschleppen würde: CCS. Die Abkürzung CCS steht für Carbon Capture and Storage – die Abscheidung und unterirdische Deponierung von CO2.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes) würde es Raffinerien, Kraftwerken, Müllverbrennungsanlagen sowie Produktionsanlagen für Plastik, Düngemittel oder Zement erlauben, CO2-Abscheideanlagen zu errichten und das aufgefangene CO2 über Pipelines, Züge und Schiffe zu Endlagerstätten zu transportieren – in der Nordsee sowie potenziell an Land. Der Gesetzentwurf zielt auf die Entwicklung großer kommerzieller CO2-Abscheideanlagen, die Errichtung von CO2-Deponien und den Bau eines flächendeckenden Pipelinenetzes durch ganz Deutschland, an das jeder Emittent ein Recht auf Anschluss hätte – unabhängig davon, ob seine CO2-Emissionen nicht auch von vornherein vermieden werden könnten. Das Geschäft mit CCS wird um so profitabler sein, je mehr CO2 entsteht.
Für diesen Plan würde die Londoner Konvention aufgeweicht, ein Meeresschutz-Übereinkommen, welches die Ausfuhr von Abfällen verbietet. Auch Informations-, Beteiligungs- und Klagerechte der Bevölkerung sollen beschnitten und Enteignungen für CO2-Pipelines erleichtert werden. Der Bedarf dieser CO2-Deponien steht laut Gesetzentwurf über dem Meeresschutz. CO2-Pipelines durch das Weltnaturerbe Wattenmeer sollen ermöglicht werden. Dieser Gesetzentwurf leistet keinen Beitrag zum Klimaschutz, sondern stellt im Gegenteil eine Gefahr für echten Klimaschutz dar.
CCS ist eine End-of-Pipe-Technik, die die Vorkettenemissionen aus dem fortgesetzten Einsatz von Erdgas nicht erfasst. Dies gilt insbesondere für das extrem klimaschädliche Methan, das im Zuge der Erdgasproduktion in großen Mengen in die Atmosphäre entlassen wird. Die CO2-Abscheidung ist auch nie vollständig, so dass trotz CCS bedeutende Mengen CO2 weiter in die Atmosphäre ausgestoßen werden. CCS kann daher keinen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Die Injektion von hunderten Millionen Tonnen CO2 unter den Meeresboden birgt unkalkulierbare Risiken für Mensch und Umwelt und unvorhersehbare Überwachungsprobleme. Im Fall von Leckagen gefährdet ein Netz von tausenden Kilometern CO2-Pipelines durch dicht besiedelte Gebiete Leben und Gesundheit von Menschen und Tieren. Auf Länder und Kommunen kommen durch den flächenintensiven Infrastrukturzubau enorme Planungskosten zu – ganz zu schweigen von der Naturzerstörung, die damit einher geht.
Der Weltklimarat hält CCS für den teuersten Versuch, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Er bezeichnet die Wirksamkeit als unsicher. Bisherige Erfahrungen zeigen: Weltweit sind CCS-Projekte gescheitert. Der hohe Energieverbrauch, hohe verbleibende Restemissionen und der überwiegende Einsatz in der Erdöl- und Erdgasförderung sorgen dafür, dass CCS dem Klima und der Umwelt schadet. Die Bundesregierung plant jedoch Milliarden-Subventionen für CCS-Anlagen und –Infrastruktur.
Der CCS-Irrweg ist gefährlich für die Menschen und die Umwelt. Er verschlimmert die Klimakrise, belastet die Meere und gefährdet die Energiewende. Profitieren wird vor allem die fossile Industrie. Die Kosten in Milliardenhöhe muss die Gesellschaft tragen.
Stoppen wir gemeinsam das CCS-Gesetz und damit den CCS-Irrweg der Bundesregierung!
Wir fordern die Mitglieder des Bundestags und die Landesregierungen auf:
- Keine Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes
- Schnellstmöglicher Ausstieg aus Erdgas, Kohle und Erdöl gerade auch in der Industrie
- Kein Aufweichen der Meeresschutzvereinbarungen London Protokoll und Hohe-See-Einbringungsgesetz für CCS
- Alle Kraft in Energieeinsparung und Energiesuffizienz, den naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien bis zu 100%, eine ressourcenschonende Produktion, Kreislaufwirtschaft und Priorität für natürlichen Klimaschutz.