Globaler Gesundheitsschutz braucht eine Abkühlung des Planeten
In The Lancet, nach Wikipedia eine der ältesten und renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften der Welt, erschien kürzlich ein bedeutender wissenschaftlicher Beitrag. Darin wird die planetare sichere Grenze (Erdsystemgrenze, ESB) für die globale mittlere Temperatur auf 1,0 °C über dem vorindustriellen Niveau festgelegt. Diese Erdsystemgrenze ist auch aus medizinischer Sicht zum Schutz der Gesundheit der Menschen notwendig. In den letzten 12 Monaten lag die durchschnittliche Erderwärmung nach Angaben von Kopernikus jedoch bereits bei etwa 1,6 °C über dem vorindustriellen Niveau.
Sie liegt damit also seit einem Jahr 0,6 °C über der sicheren Erdsystemgrenze und auch 0,1 °C über dem in Paris vereinbarten Klimaschutzziel von 1,5 °C. Nach den Autoren der Veröffentlichung in The Lancet muss die Erde daher um etwa 0,6 °C auf die sichere Erdsystemgrenze von 1,0 °C abgekühlt werden.
In den Medien und der Politik wird jedoch eine Abkühlung der Erde gar nicht diskutiert. Überall wird die Akzeptanz einer weiteren Erhöhung der Erdtemperatur, sogar um bis zu 2 °C, thematisiert, obwohl offensichtlich ist, dass die Erde bereits überhitzt ist.
Auswirkungen einer Erdtemperaturerhöhung über 1,0 °C sind gravierend
Dabei sind die Auswirkungen der Erdaufheizung auf die menschliche Gesundheit schon heute gravierend und untragbar. So ist im The Lancet Beitrag nachzulesen:
Die globale Erwärmung bedroht die Stabilität des Erdsystems sowie das Leben und die Lebensgrundlagen heutiger und künftiger Generationen. Extreme Temperaturen verursachen jährlich Millionen von Todesfällen und die hitzebedingte Sterblichkeit steigt. Dürren und Überschwemmungen beeinträchtigen weltweit die Ernteerträge und das Trinkwasser und in Küstengemeinden sind durch die Erwärmung der Ozeane und den Verlust der Korallenriffe Lebensgrundlagen und Ernährungssicherheit verloren gegangen. Durch Vektoren und Wasser übertragene Krankheiten wie Denguefieber, Malaria und Cholera stellen insbesondere für arme und ausgegrenzte Menschen sowie für Menschen an Orten mit schwachen Gesundheitssystemen ein Risiko dar.
(Übersetzung mit Deepl)
Luftverschmutzung eine der größten Krankheitsursachen
Neben dem Klimawandel werden im Bericht von The Lancet auch eine Reihe weiterer Erdsystemgrenzen und deren Auswirkungen beschrieben, darunter die Luftverschmutzung, die durch Aerosole verursacht wird. Ihre Hauptursache liegt, neben anderen Faktoren, im Verbrennen von Erdöl, Erdgas und Kohle in Kraftwerken, Heizungen, Verkehr und Industrie. Somit hat die Luftverschmutzung die gleichen Ursachen wie die Erderwärmung und muss mit denselben Maßnahmen bekämpft werden – insbesondere durch eine vollständige Umstellung auf 100 % Erneuerbare Energien.
Laut dem Lancet-Bericht ist Luftverschmutzung weltweit die vierthäufigste Ursache für Krankheiten (nach Bluthochdruck, Ernährungsrisiken und Rauchen). Jährlich verursacht die Luftverschmutzung im Außenbereich 4,2 Millionen Todesfälle, während die Luftverschmutzung in Innenräumen weitere 3,8 Millionen Todesfälle verursacht. Eine langfristige Belastung des Menschen durch Luftverschmutzung erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen.
Umweltzonen verbessern die Luft und schaffen mehr Gesundheit
Viele Städte haben aufgrund der hohen Luftverschmutzung bereits Umweltzonen eingerichtet, in denen Autos mit erhöhtem Schadstoffausstoß nicht fahren dürfen. Dies betrifft insbesondere Dieselautos, die vermehrt Feinstaub emittieren.
In den Umweltzonen in Deutschland gibt es dadurch immerhin etwa 5 Prozent weniger Feinstaubbelastung. Erste wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirkung der Umweltzonen zeigen, dass Anwohner tatsächlich gesundheitlich davon profitieren.
Nach dieser Untersuchung haben Neugeborene und Kinder weniger Asthma.
Die Einrichtung von Umweltzonen ist wichtig, doch wesentlich stärkere Maßnahmen, wie die vollständige Umstellung auf 100 % erneuerbare Energien, müssen ergriffen werden, um die weiterhin hohe Luftverschmutzung und die steigende Erdtemperatur wirksam zu senken.
Wie können die Erdsystemgrenzen für Klimaschutz (1,0° C) und saubere Luft wieder erreicht werden?
Da die Erde bereits viel zu heiß ist, was auf die hohe Konzentration von derzeit 425 ppm Kohlendioxid in der Atmosphäre zurückzuführen ist, müssen folgende zentrale Maßnahmen ergriffen werden: Die CO₂-Konzentration muss auf unter 350 ppm gesenkt werden. Dies ist nur möglich durch einen Stopp aller Klimagasemissionen und eine Kohlenstoffreinigung der Atmosphäre. Unverzichtbare Elemente dafür sind: eine Umstellung der gesamten Wirtschaft auf 100 % Erneuerbare Energien, eine emissionsfreie Kreislaufwirtschaft sowie eine regenerative, kohlenstoffsenkende Forst-, Land- und Meereswirtschaft.
Diese Maßnahmen würden gleichzeitig auch die Luftverschmutzung deutlich reduzieren. Alle Brückentechnologien wie wasserstofffähige Erdgaskraftwerke, CCS, LNG-Terminals und andere sind in diesem Zusammenhang kontraproduktiv, da sie weiterhin über Jahre Klimagasemissionen verursachen werden.
Die Gesundheitsminister versagen komplett, da sie die großen Krankheitsursachen Klimawandel und Luftverschmutzung nicht aktiv bekämpfen
Nach einem offenen längeren Gespräch mit Gesundheitsminister Lauterbach hatte ich auf seinen Wunsch hin ein umfassendes Papier Klima-Umwelt-Gesundheit erarbeitet.
Dort finden sich Empfehlungen, dass sich der Gesundheitsminister nicht nur um die Struktur des Gesundheitswesens, wie die aktuelle Krankenhausreform, kümmern sollte, sondern auch aktiv in die öffentliche Debatte eingreifen und Klimaschutz sowie saubere Luft einfordern muss. Ohne eine Umstellung auf E-Mobilität und 100 % Erneuerbare Energien wird es immer mehr Erkrankungen geben, wie der Lancet-Bericht eindrücklich belegt. Ohne die Bekämpfung der Krankheitsursachen werden die Kosten des Gesundheitswesens weiter steigen. Jede Krankenhausreform ist daher ohne die Bekämpfung der Krankheitsursachen zum Scheitern verurteilt.
Amerikanische Lungenärzte haben dies längst erkannt und in einem umfassenden Bericht dargelegt, dass in den USA 72 Milliarden US-Dollar im Gesundheitswesen eingespart werden könnten, wenn es einen vollständigen Umstieg auf E-Mobilität und Erneuerbare Energien gäbe.
Doch in der deutschen und europäischen Gesundheitspolitik ist kaum etwas davon zu hören und zu lesen.
Die zunehmende Ignoranz großer Teile der Gesellschaft und Politik gegenüber dem Klimaschutz schmälert nicht deren Schadenswirkungen
Die derzeitige Ignoranz vieler in der Öffentlichkeit zur Erdaufheizung wird die weitgehende Untätigkeit im Klimaschutz aufrechterhalten und so unweigerlich dazu führen, dass immer mehr Menschen krank werden.
Dies zeigt sich gerade in den Hochwassergebieten von Österreich, Rumänien, Ungarn, Tschechien, Polen und anderen Ländern: Neben den wirtschaftlichen Schäden für Hausbesitzer, Kommunen und Firmen in den betroffenen Regionen sind die Gesundheitsfolgen gravierend. Unterkühlungen durch die Wassermassen, Verletzungen und insbesondere psychische Schäden infolge von Stress, Depressionen, Schlafmangel und existenziellen Sorgen werden viele Menschen krank machen.
Das war bereits bekannt. Das Elbehochwasser von 2002, bei dem ein Jahrhunderthochwasser enorme Schäden verursachte, hatte damals viele Wähler wachgerüttelt und das Wahlergebnis beeinflusst, was dem Klimaschutz neue Chancen eröffnete. Nun, nur 22 Jahre später, gibt es erneut ein Jahrhunderthochwasser in der gleichen Region, teils noch schlimmer als 2002. Doch ich habe nichts davon gehört, dass die Union unter ihrem Kanzlerkandidaten Merz das Thema Klimaschutz wieder in den Vordergrund stellt und eine Abkühlung der Erde anstrebt. Ebenso wenig gibt es bei den Klimawandelleugnern der AfD Anzeichen dafür, dass sie sich für Klimaschutz engagieren. Und Kanzler Scholz reist während dieser europäischen Katastrophe nach Kasachstan, um neue Erdöl- und Erdgaslieferungen zu werben, die das Weltklima weiter aufheizen, die Luftverschmutzung aufrechterhalten und somit auch die Gesundheit der Menschen weiter belasten werden.
Wie viele Katastrophen müssen noch Millionen Menschen peinigen, bis es endlich einen breiten Konsens gibt, dass die Erde wieder abgekühlt werden muss und alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden?