Die Weltgemeinschaft braucht dringend vollkommen neue Strategien, um die Pariser Klimaziele einhalten zu können
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
Die Weltgemeinschaft braucht dringend vollkommen neue Strategien, um die Pariser Klimaziele einhalten zu können
(Dieser Artikel erschien zuerst als Meinungsbeitrag auf klimaretter.info)
Die Weltgemeinschaft braucht dringend vollkommen neue Strategien, um die Pariser Klimaziele einhalten zu können. Die Energiegewinnung ist schnellstens auf 100 Prozent Erneuerbare umzustellen. Gleichzeitig muss CO2 im großen Maßstab aus der Atmosphäre geholt werden – durch Begrünung degradierter Flächen.
Selbst mit einer sofortigen weltweiten Null-Emissions-Wirtschaft ist das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad, am besten auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, nicht mehr zu schaffen. Das zeigen die neuesten weltweiten Forschungsergebnisse, zusammengestellt im australischen Informationsdienst Renew Economy von Anfang Februar.
Dabei muss selbst eine globale Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad angesichts der heute schon vorhandenen Katastrophen als inakzeptable Katastrophe für die gesamte Menschheit bezeichnet werden. Das sehen wir schon jetzt bei über 20 Millionen Klimaflüchtlingen auf der Erde, die aus weitgehend vernichteten Lebensräumen infolge der bereits erreichten Erwärmung von etwa 1,1 Grad kommen.
Die neuen Klimaforschungsergebnisse, zusammengetragen von David Spratt, konnten unter anderem den kühlenden Einfluss der gesundheitsschädlichen Luftverschmutzung (Aerosole), wie Schwefel, Stickoxide oder Kohlenstoffpartikel, quantifizieren. Diese kühlen die Erdtemperatur um etwa 0,5 bis 0,9 Grad ab. Die kühlenden Partikel stammen vor allem aus der Verbrennung der fossilen Rohstoffe, genauso wie die Klimagase CO2 und Methan, die den Treibhauseffekt anheizen.
Die 1,5 Grad würden schon in kurzer Zeit übertroffen werden, selbst wenn die Weltgemeinschaft ab sofort keine Emissionen mehr zulassen würde. Denn wenn die Förderung und Verbrennung von Erdöl, Kohle und Erdgas beendet ist, wird die Luft schnell wieder sauber. Die krank machende Luftverschmutzung in vielen Regionen der Erde würde zwar endlich verschwinden – mit ihr aber auch ihre kühlende Wirkung auf die Erdatmosphäre.
Sofort auf Null-Emissions-Wirtschaft umsteuern
Ein Teufelsdilemma, das nur durchstoßen werden kann, wenn sofort eine Wende zu einer kompletten Nullemissionswirtschaft in Verbindung mit massiven, schnell organisierten Kohlenstoffsenken auf der Erde eingeleitet wird. Diese einzig wirksame Strategie hatte der Autor schon vor einigen Jahren in dem Buch „Globale Abkühlung“ vorgeschlagen.
Um also das weitere Aufheizen spätestens bei zwei Grad zu begrenzen, müssten sofort alle Treibhausgas-Emissionen gestoppt und gleichzeitig große Mengen CO2 wieder aus der Atmosphäre entnommen werden.
Doch von einer solchen Strategie ist – außer in Ansätzen in China – in den großen führenden Nationen der Erde nichts zu sehen. Mit Schaudern muss man feststellen, wie verantwortungslos schwach CDU/CSU und SPD mit der neuen Groko in Sachen Klimaschutz regieren wollen und wie Präsident Donald Trump versucht, die in den USA gerade stark anwachsende Klimaschutzwirtschaft zu behindern. Dort haben die Verantwortlichen offenbar nicht die geringste Ahnung, wie dramatisch die Lage im irdischen Hitzefieber tatsächlich ist und wie schnell sich in den kommenden Jahren die Erde weiter aufheizen wird.
Das Ganze ist auch ein Ergebnis der wissenschaftlichen Politikberatung etwa durch den Weltklimarat IPCC. So hat der IPCC bis heute keine Konzepte entwickelt, wie die Weltgemeinschaft zu einer Nullemissionswirtschaft und zu einer großflächigen „Kohlenstoffreinigung“ der Atmosphäre kommen kann. Es gibt dazu viel zu wenig von der Weltpolitik in Auftrag gegebene Forschung und daher nur völlig unzulängliche Politikkonzepte. Auch von dem für Oktober angekündigten IPCC-Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel sind diese Konzepte nicht zu erwarten.
Die im Rahmen des Pariser Klimavertrags vereinbarten und angekündigten Maßnahmen, die Klimagas-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent zu reduzieren und Kohlenstoffsenken erst ab 2050 großflächig in den Blick zu nehmen, sind völlig unzulänglich. Das kann nur als Kapitulation vor der rasant wachsenden Erderwärmung bezeichnet werden. Es muss endlich verstanden werden, dass das globale CO2-Budget bereits aufgebraucht ist.
Dabei ist eine schnelle Umstellung der planetaren Wirtschaft auf eine Nullemissionswirtschaft technologisch und ökonomisch machbar – wenn alle auf der Erde daran arbeiten, vielleicht sogar schon bis 2030. Die rasanten Umwälzungen im Bereich der Informationstechnologien geben ein gutes Bespiel, wie schnell und disruptiv sich auch die Klimaschutztechnologien durchsetzen könnten.
Globale Konzepte für 100 Prozent Erneuerbare
Doch dafür braucht es auch politikfähige Konzepte, und daran wird in der Welt viel zu wenig gearbeitet. An Modellierungen und Konzepten für eine weltweite Energiewirtschaft mit 100 Prozent erneuerbaren Energien arbeiten nach den Erkenntnissen des Autors gerade mal drei Universitäten: Mark Jacobson an der Stanford-Universität in Kalifornien, Sven Teske an der Universität Sydney und Christian Breyer an der Lappeenranta University of Technology (LUT) in Finnland. Alle drei gehören zum weltweiten Wissenschaftler-Netzwerk der Energy Watch Group.
Noch in diesem Jahr will die LUT gemeinsam mit der Energy Watch Group eine erste globale Simulation einer Nullemissionswirtschaft für die meisten Wirtschaftssektoren vorstellen, verbunden mit einer Abschätzung der Kohlenstoffsenken durch Begrünung degradierter Flächen. Der erste Schritt, eine Simulation des weltweiten Elektrizitätssektors mit 100 Prozent erneuerbaren Energien, ist bereits der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Doch die Forschungen in Lappeenranta, Sydney und Stanford sind bei Weitem nicht ausreichend, um die Herausforderungen zu meistern, die in einem tatsächlich wirksamen Klimaschutz stecken. Es wird Zeit, dass alle Verantwortlichen endlich erkennen, dass man ganz andere Konzepte, politische Maßnahmen und Technologien entwickeln muss, um noch eine Chance für das Überleben der Menschheit zu haben.
Hammelburg, den 12. Februar 2018
Ihr Hans-Josef Fell