Erste Protestaktionen gegen Reiches Klima- und Energiepolitik beginnen sich zu formieren

Das Entsetzen in weiten Kreisen der Umwelt-, Klima- und Erneuerbare-Energien-Bewegung nimmt immer mehr zu.
In der Tat hat Wirtschaftsministerin Reiche in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit bereits bedrohliche Absichtserklärungen gegen den Klimaschutz und den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien geäußert.
Schon zweimal habe ich darüber berichtet:

-> Ministerin Reiche will die feste Einspeisevergütung für private PV-Dachanlagen abschaffen

-> Wirtschaftsministerin Reiche will – wie bereits 2012 – die Wirtschaft der Erneuerbaren Energien erneut unwirtschaftlich machen.

Jetzt hat auch Kanzler Merz angedeutet, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien verlangsamt werden soll.

Nun formieren sich erste, noch kleine, aber wichtige Protestaktionen.

Zukunftszelt und offener Brief der Gesundheitsberufe zwischen Charité und Wirtschaftsministerium in Berlin

Health for Future (H4F)  protestiert gegen die Pläne von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche, den Klimaschutz hinauszuzögern und den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu schwächen.

Am morgigen Dienstag, 16. September, wird ganztägig ein „Zukunftszelt“ zwischen dem Wirtschaftsministerium und der Charité auf dem Platz vor dem Neuen Tor / Ecke Invalidenstraße aufgebaut. Dort wollen H4F zusammen mit kompetenten Expertinnen die Bevölkerung über die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Nutzung fossiler Energieträger sowie über Optionen für eine fossilfreie, erfolgreiche und gesunde Zukunft informieren.

Um 12 Uhr werde ich im Zukunftszelt einen Redebeitrag halten. Neben den massiv drohenden Einschnitten beim Klimaschutz und beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Ministerin Reiche in ihren ersten hundert Tagen der Amtszeit angekündigt hat, werde ich auch auf die damit verbundenen Verschlechterungen der Gesundheit der Bevölkerung eingehen.

Die Energy Watch Group hatte diese Gesundheitsbelastungen auf Anregung des damaligen Gesundheitsministers Lauterbach zusammengestellt. Leider wollte er sie nach Fertigstellung nicht mehr zur Kenntnis nehmen.

Weiterhin leidet die Gesundheitspolitik daran, dass sie „nur“ die Krankheiten in einem immer teurer werdenden Gesundheitssystem und einer immer kranker werdenden Gesellschaft zu verwalten versucht, statt eine ebenso starke Offensive zur Gesunderhaltung der Menschen zu starten. Dazu gehören Erneuerbare Energien, die die Atemluft sauber halten, giftfreie Biolebensmittel, ein wirksamer Klimaschutz und Klimaanpassung u. v. a. m.

Lesen Sie das Papier der EWG „Klima – Umwelt – Gesundheit“

Solarstrom statt Erdgasstrom

Gemeinsam mit besonders betroffenen Solarhandwerkern startet Frank Farenski in seinem privaten Internetfernsehsender „Leben mit der Energiewende“ eine Kampagne. So sollen die Auswirkungen der geplanten EEG-Änderungen beleuchtet und vor allem die Wahlkreisabgeordneten in ganz Deutschland informiert werden, welche verheerenden Auswirkungen auf die Solarwirtschaft durch die Pläne der Wirtschaftsministerin drohen.

Ein zweiter Einbruch zeichnet sich ab, ähnlich wie von 2013 bis 2014, als durch die EEG-Änderungen der Solarausbau drastisch von 7 Gigawatt Neuzubau in 2012 auf ca. 1 Gigawatt einbrach und weit über 100.000 Jobs verloren gingen. Frau Katherina Reiche war damals als Staatssekretärin unter Minister Altmaier mitverantwortlich.
Erst unter der Ampelregierung erholte sich der Solarausbau wieder und hatte zuletzt 2014 einen Neuzubau von 17 Gigawatt erreicht. Genau dieser notwendige, hohe Ausbau ist in höchster Gefahr.

Am morgigen Dienstag, 16. September, um 20.30 Uhr können Sie die Sendung in „Leben mit der Energiewende“ anschauen. Im Studio werde ich mit Frank Farenski darüber sprechen. (->Alle Sendungen zur Kampagne)

Im Folgenden: der eindringliche, offene Brief von H4F an Ministerin Reiche:

Frau Ministerin

Katherina Reiche

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Invalidenstraße 48

10100 Berlin


Offener Brief von Health for Future Berlin, Angehörige der Gesundheitsberufe

Berlin, 09. September 2025

Sehr geehrte Frau Ministerin Reiche,

wir schreiben diesen offenen Brief an Sie in einer ungewöhnlichen Form, weil wir meinen, dass die Umstände, die uns zu diesem Brief veranlassen, eine andere Form der Ansprache erfordern. Zu viel steht auf dem Spiel, und wir gehen davon aus, dass herkömmliche Formen der Meinungsäußerung oder Protestformen nur noch begrenzt wirken oder der Situation nicht mehr angemessen sind.

Wir gehören zu Health for Future (H4F). Bei H4F engagieren sich insbesondere Menschen aus dem Gesundheitswesen. Unsere Arbeitsschwerpunkte liegen in den Ursachen und Auswirkungen der planetaren Krise auf die Gesundheit sowie in einem entschlossenen Beitrag zur notwendigen gesellschaftlichen Transformation.

Die Erderhitzung, der Artenverlust und die ökologische Zerstörung sind die größten Bedrohungen für unser Leben, unsere Gesundheit, unseren Wohlstand, wie auch für die Grundlage unseres Wirtschaftens. Der Klimakollaps wird sich verheerend auf hunderte Millionen, wahrscheinlich Milliarden Menschen auswirken, von denen viele heute nicht einmal geboren sind, und deren Lebenschancen und Freiheitsrechte schon heute in großen Teilen der Welt – auch hierzulande – massiv beeinträchtigt werden. Nur ambitionierter Klimaschutz und ein Wirtschaften innerhalb planetarer Grenzen können diese Risiken noch einigermaßen begrenzen, unser Wohlergehen sowie unseren Wohlstand sichern und uns vor einer dystopischen Entwicklung bewahren.

Zugleich bieten weltweiter Klima- und Umweltschutz und vor allem der schnelle Ausstieg aus den fossilen Energien die größten Chancen für die menschliche und planetare Gesundheit, aber auch für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung. Dies gilt ganz besonders für den Industriestandort Deutschland.

Diese Feststellungen werden von zahlreichen Gesundheitsorganisationen weltweit, inklusive der WHO und großer nationaler Ärzte- und Pflegeorganisationen, und von der großen Mehrzahl von Fachkräften der Wissenschaft nachdrücklich untermauert. Bei Nicht-Tätigkeit drohen die großen bisherigen Fortschritte in der globalen Gesundheit der letzten 50 Jahre zunichte gemacht zu werden. Von den katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer sich verselbständigenden Klimakrise ganz zu schweigen!

Die bisherige Bilanz der neuen Bundesregierung unter Kanzler Merz und mit Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin Reiche, setzt in der Klima- und Umweltpolitik auf eine rückwärtsgewandte Politik der Abhängigkeit von Öl und Gas und den fatalen Versuch, die Energiewende auszubremsen. Zu nennen sind die fortgesetzte Subvention fossiler Energien, die Verzögerung des Baus von Windkraftanlagen, das geplante Ende der Förderung von privaten Solaranlagen, die Bohrungen neuer Gasfelder nahe dem Wattenmeer, einem UNESCO-Weltnaturerbe, die Beauftragung eines Instituts, das der fossilen Brennstoffindustrie nahesteht, mit der Begutachtung des zukünftigen Bedarfs an Erneuerbaren Energien, sowie nun auch noch die Empfehlung von Gutachtern Ihres Hauses, zentrale Ziele des Net-Zero Industrie Gesetzes der EU Kommission aufzugeben. Als desaströs erachten wir vor allem Ihre folgenschweren Pläne für den Bau von 40 überdimensionierten, nicht H2-fähigen neuen Gaskraftwerken („mindestens 20 Gigawatt“), dem in dieser Form zahlreiche Wirtschafts-Expert:innen und sogar Mitglieder der Klima-Union heftig widersprechen. Auch die Bundesnetzagentur spricht in Bezug auf den Versorgungssicherheitsbericht, den Sie als Auftrag verstehen, Gaskraftwerke zuzubauen, nur von „steuerbarer Leistung“ und lässt offen, wieviel davon von Gaskraftwerken erbracht werden muss.

Sie initiieren mit Ihrer Politik genau das Gegenteil von dem, was für eine ursächliche und wirksame Bekämpfung der Erderwärmung dringend erforderlich wäre! Der Ersatz der fossilen Energien durch Erneuerbare ist das wichtigste und dringlichste, was wir als Menschen tun können, um die Erderhitzung zu begrenzen, planetare Gesundheit zu schützen und unsere Lebensgrundlagen und unseren Wohlstand zu erhalten.

Wir akzeptieren nicht, dass Sie und der Großteil dieser Bundesregierung Klimaschutz und die Energiewende abwickeln und „als Gedöns in die Rumpelkammer“ (Bernhard Pötter) stellen. In Deutschland besteht eine breite Zustimmung für Klimaschutz, doch es mangelt am Glauben an die politische Umsetzung. Die meisten Menschen wünschen sich mehr Klimaschutz – und zwar sowohl von der Partei, die sie bei der nächsten Bundestagswahl wählen würden, als auch von der aktuellen Bundesregierung.

Obendrein ignorieren Sie als Bundesministerin für Wirtschaft und Energie die seit dem Bericht des ehemaligen Weltbankchefökonomen Nikolas Stern (2006) immer wieder bestätigte Erkenntnis, dass Klimaschutz zwar teuer ist, aber kein Klimaschutz um ein Mehrfaches teurer wird. Ohne entschlossenes Handeln droht bei einer globalen Erwärmung von über 3°C ein globaler BIP-Rückgang von bis zu 50%. Die ökologische Krise gefährdet zudem die Stabilität der Weltwirtschaft. Klimaschutz dagegen wird ökonomisches Wachstum fördern, so ein gemeinsamer Bericht der OECD mit dem UN Development Programm u.a.

Ja, es gibt Probleme bei der Energiewende. Andererseits ist die Energiewende aber eine riesige Erfolgsgeschichte, die die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft mit niedrigen Energiekosten erst ermöglicht hat. Die Lösung kann jedoch aus vielen guten Gründen kein „Zurück“ in die Gasabhängigkeit sein. Es gilt, die Probleme, die bei der „Großbaustelle“ Energiewende auftreten, durch zukunftsorientierte gestalterische Politik anzugehen. Die Lösungen für die Behebung der derzeitigen Ungleichgewichte bei der Energiewende liegen konzeptionell und technisch vor. Sie müssen jedoch abgerufen, politisch gewollt und die Rahmenbedingungen für ihre Implementierung geschaffen werden. Eine Politik zugunsten von Erdgas steht dem im Wege.

Sehr geehrte Frau Ministerin Reiche, Ihre Energiepolitik steht weder für Zukunft noch für Wohlstand noch für (postfossile) Freiheit. Sie gefährdet das Leben und das Überleben sehr vieler Menschen auch in Deutschland, möglicherweise sogar der Menschheit. Können Sie das mit Ihrem Gewissen und Ihrem Amtseid vereinbaren? Es kann doch nicht sein, dass Sie den kurzfristigen finanziellen Vorteil des fossilen Sektors höher werten als das existentielle Gemeinwohl?

Wir als Angehörige der Gesundheitsberufe tragen besondere Verantwortung für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen, und deshalb auch für den Schutz von Klima- und Ökosystemen, da diese die Basis für menschliche Gesundheit darstellen. Deshalb fordern wir von Ihnen und der Regierung entschlossenes transformatives Handeln vor allem im eigenen Land, aber auch in internationaler Abstimmung und Zusammenarbeit, insbesondere:

Erneuerbare Energien konsequent fördern

  • Beschleunigte Förderung aller Erneuerbaren (Genehmigungsverfahren, Einspeisevergütung, etc.)
  • Bürgerenergie stärken
  • Intelligente Netze und Speicher (für eine stabile, nachhaltige Energieversorgung ohne gesundheitsgefährdende Emissionen)

Nachhaltige Technologien entwickeln

  • Kreislaufwirtschaft, energieeffiziente Produktion, GreenTech-Forschung, Gebäudetechnik
  • Mehr Unterstützung für Digitalisierung, Klima-Startups, Wasserstoff u.v.m.

Verkehr reduzieren und klimafreundlich gestalten 

  • Mehr ÖPNV, Rad- und Fußverkehr (weniger Luftverschmutzung, mehr Bewegung)
  • Effiziente Sektorpreisinstrumente (z. B. CO₂-Bepreisung, Abschaffung klimaschädlicher Subventionen, Einführung eines generell verbindlichen Tempolimits)

Landwirtschaft ökologisch gestalten

  • Förderung ökologischer Betriebe
  • Reduktion von Dünger und Pestiziden (weniger Schadstoffe in Böden, Wasser und Nahrungsmitteln)
  • Biodiversitätsschutz
  • Pflanzenbasierte Ernährung (gesundheitsförderlich und klimafreundlich)

Sehr geehrte Frau Ministerin, wir wenden uns in größter Sorge mit diesem offenen Brief an Sie. Wir fordern Sie eindringlich auf, sich mit aller Kraft für die Einhaltung der verbindlichen Klimaziele einzusetzen – insbesondere für ein zügiges Ende von Kohle, Öl und Gas – und keine Steuermilliarden aus dem Klima- und Transformationsfonds für neue Erdgasbohrungen oder für andere Kosten des fossilen Wirtschaftens zu verwenden.

In diesem Zusammenhang werden wir am Dienstag, dem 16. September, ganztägig ein „Zukunftszelt“ zwischen Ihrem Ministerium und der Charité auf dem Platz vor dem Neuen Tor/Ecke Invalidenstraße aufbauen. Dort möchten wir, zusammen mit kompetenten Expert:innen, die Bevölkerung über die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Nutzung von fossilen Energieträgern und über Optionen für eine fossilfreie, erfolgreiche und gesunde Zukunft informieren. Für ein Gespräch hierzu stehen wir selbstverständlich auch Ihnen und Ihren Mitarbeitenden jederzeit gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Health for Future Berlin, vertreten durch:

Cornelia Apel, Diplom-Pflegewirtin und Krankenschwester;

Dr. med. Ludwig Brügmann, Internist/Gastroenterologe/Diabetologe;

Emilia Döring, M. Sc. Public Health, Pflegehelferin;

Julia Faul, M. Sc. Public Health;

Dr.med. Dieter Lehmkuhl, Facharzt Psychiatrie und Neurologie;

Dr. med. Reinhard Koppenleitner, Kinder-und Jugendarzt und

Matti Schulzke, Arzt in Weiterbildung

Table.Media (2025)

Planetary Solvency – finding our balance with nature – Global risk management for human prosperity  (2025)

Global Risk Report 2025 des World Economic Forum (2025)