Kalifornien: Unglaubliche Erfolgsgeschichte für kommunale Erneuerbare Bürgerenergie
Vor Kurzem kontaktierte mich Woody Hastings aus Sonoma County, Kalifornien. Er erinnerte mich an seine Einladung für meinen Vortrag anlässlich der Vorstellung meines Buches „Global Cooling“ in Sonoma County und San Francisco im Jahre 2012.
Er bedankte sich für meine damalige Unterstützung und Motivation bezüglich der Bürgerenergie im Sonoma County. Sonoma County liegt direkt nördlich der Golden Gate Bridge und ist eine der großen Weinbaugegenden in den USA.
Woody selbst engagiert sich seit über 20 Jahren zusammen mit anderen im Climate Center für Erneuerbare Bürgerenergie.
Die Erfolgsgeschichte ist fast unglaublich. Inzwischen ist Sonoma County nur eine von 200 Städten, Gemeinden und Landkreisen in Kalifornien, die erfolgreich kommunal geführte Community Choice Aggregation-Stromversorger (CCA) gegründet haben. Diese CCAs sind öffentlich geführte Unternehmen der Kommunen oder Regionen, ohne Gewinnorientierung. Insgesamt gibt es bisher 22 CCAs in Kalifornien, die nun über 200 Kommunen und Regionen mit Erneuerbaren Energien versorgen. Und die Neugründungen wachsen schnell weiter.
Dadurch wird die Bewegung zur Schaffung von Gemeinden mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien in Kalifornien erfolgreich und umfassend umgesetzt.
14 Millionen Stromkunden (Kalifornien hat knapp 40 Millionen Einwohner, etwa 8 Prozent der US-Bevölkerung) erhalten inzwischen ihren Strom von den neuen lokalen Bürgerenergie-Unternehmen. Bis heute wurden 7000 Megawatt (MW) Solaranlagen, 1500 MW Windkraftanlagen, 5000 MW Energiespeicher, 325 MW Geothermie und 25 Megawatt Biogasanlagen errichtet.
Grundlage für den Erfolg ist ein kalifornisches Gesetz aus dem Jahre 2002, welches allen Kommunen das Recht und die Unterstützung gibt, eine eigene Energieversorgung unabhängig von den großen Energiekonzernen aufzubauen.
Das kalifornische Gesetz unterstützt die Gründung von CCAs durch die Kommunen mit dem Ziel, Energieeffizienz und integrierte dezentrale Energieressourcen zu entwickeln und zu verwalten. Daher werden auch leitungslose Alternativen zum Ausbau der Verteilungsinfrastruktur und der zentralisierten Erzeugung gefördert und entwickelt.
Das Gesetz schützt sogar das Recht der CCA-Kunden saubere Energie durch dezentrale Energieressourcen hinter dem Zähler auszuwählen, zu bündeln und zu betreiben.
Initiativen für 100-Prozent-Erneuerbare-Kommunen begannen vor gut 20 Jahren in Deutschland und Kalifornien
Auch in Deutschland wurden vor ca. 20 Jahren viele kommunale Beschlüsse für den Aufbau von 100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030 in Kommunen gefasst. Das damalige Netzwerk „100 Prozent Erneuerbare-Energie-Regionen“ wird seit 2021 als „Initiative für 100 Prozent Erneuerbare in Regionen bis 2030“ unter dem Dach des Klima-Bündnisses fortgeführt.
Aber nur sehr wenige deutsche Kommunen haben dieses Ziel auch tatsächlich erfolgreich auf den Weg gebracht, wie beispielsweise die Stadt Haßfurt in Unterfranken, Schönau im Schwarzwald, Feldheim in Brandenburg oder der gesamte Landkreis Rhein-Hunsrück.
Leider sind jedoch im Gegensatz zu Kalifornien sehr viele kommunale Beschlüsse über die Jahre kläglich versandet und haben kaum Wirkung entfaltet.
Die kalifornischen kommunalen Initiativen haben nach vielen Vorbereitungen dann um das Jahr 2012 richtig Fahrt aufgenommen. Treibende Kräfte waren hohe Strompreise, die von den Energiekonzernen von den Stromkunden verlangt wurden; viele Stromausfälle, oft infolge von Waldbränden; der Wunsch nach lokaler Energiesicherheit und natürlich der Klimaschutz mit Abschaltung der fossilen Energienutzung.
Heutzutage haben viele Stromkunden in Kalifornien eine zuverlässige Energieversorgung und durch Erneuerbare Energien niedrigere Energiekosten im Vergleich zu den Tarifen der Energiekonzerne.
In Deutschland wurde die erfolgreich gestartete kommunale 100 Prozent-Erneuerbare-Energien-Bürgerenergiebewegung von den Merkel-Regierungen erstickt
Anders als in Kalifornien ist die Bewegung für 100 Prozent Erneuerbare Energien auf kommunaler Ebene in Deutschland mit wenigen Ausnahmen etwa seit 2012 zum Erliegen gekommen.
Dies ist auf eine weit verbreitete Denkweise zurückzuführen, die durch zahlreiche politische Beschlüsse unterstützt wird: Die Erneuerbaren Energien sollen sich in ein Energiekonzernsystem mit großen Leitungen und großen Strukturen integrieren, anstatt dezentral von unten die Versorgungssicherheit mit autonomen Strukturen aufzubauen. Daher wird versucht die Systemsicherheit über die Strombörse zu organisieren, was nur zur Verteuerung der Strompreise geführt hat, da teure Erdgaskraftwerke die Strompreise in der Merit Order bestimmen und ein starker Ausbau der Übertragungsnetze erforderlich ist. Diese Denkweise wird häufig auch mit dem Begriff der europäischen ‚Kupferplatte‘ verbunden, für die viele Think Tanks, allen voran AGORA, aber auch das Ökoinstitut und weitere, regulatorische Grundlagen vorschlugen.
Deshalb wurde seit 2010 der Aufbau bürgerlicher, kommunaler Selbstversorgungsstrukturen seit 2010 durch entsprechende EEG- und EnWG Novellen schrittweise erschwert oder verhindert und keine nennenswerten Anreize wie in Kalifornien geschaffen.
Die finanziellen und bürokratischen Hürden für die Gründung städtischer Energieversorger wie Stadtwerke sind heute exorbitant hoch, sodass sich kaum eine Kommune daran wagt. Die Umstellung auf das Ausschreibungssystem anstelle fester gesetzlicher Einspeisevergütungen hat die Neugründung von Bürgergemeinschaften für Wind- oder Solarparks weitgehend unterdrückt. Die Verteuerung von Eigenerzeugung- und Eigenverbrauch von Erneuerbaren Energien durch EEG-Umlagen, Steuern, Netzgebühren und andere finanzielle Belastungen hat viele dezentrale Investitionen zunichte gemacht. Zumindest teilweise wurden unter der Ampelkoalition hier einige Korrekturen vorgenommen, die unter anderem den Ausbau der Photovoltaik im kleinen Dachsegment gefördert haben.
Dennoch ist der Austausch von Energie (Energiesharing) unter Nachbarn, in dörflichen und städtischen Quartieren oder mit Betrieben trotz einer gesetzlichen Grundlage in der EU-Energie-Richtlinie noch immer nicht von der Ampelkoalition umgesetzt worden.
Das Ergebnis der bremsenden Wirkung sehen wir heute: Das Denken und regulatorische Handeln, das sich auf die Kupferplatte konzentriert, anstatt auf dezentrale Versorgungssicherheit, hat zu einem starken Anstieg der Netzgebühren, insbesondere im Übertragungsnetz, sowie zu steigenden Strompreisen aufgrund teuren Erdgases geführt. Die kürzlich beschlossene steuerliche Subvention für die Netzgebühren kann jetzt aufgrund des jüngsten Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Haushalt wohl nicht umgesetzt werden. Auch die Energiepreisbremsen wackeln. Dies bedeutet, dass die Strompreise anders als in Kalifornien unter anderem deswegen weiter massiv steigen werden. Die sehr teuren neuen Übertragungsnetze müssen ja refinanziert werden. Ein Teil dieser Kosten wäre überflüssig gewesen, wenn Deutschland ähnlich wie Kalifornien in den letzten 10 Jahren in die kommunale 100%ige Erneuerbare Energiewende investiert hätte.
Es zeigt sich nun, dass es von Anfang an eine falsche Strategie war, die Energiepreise mit steuerlichen Subventionen zu kontrollieren, anstatt sie durch dezentrale erneuerbare Bürgerenergie kostengünstig zu gestalten.
Der unter Kanzlerin Merkel geschaffene Scherbenhaufen ist groß.
Deutschland sollte dem Beispiel Kaliforniens folgen und ein Revival der Bewegung für 100 Prozent Erneuerbare Energien in Kommunen schaffen
Es ist an der Zeit, dass die Ampelkoalition umfassende Gesetze einführt, um der bürgerlichen und kommunalen Energiewende endlich einen Turboaufschwung zu verleihen. Dazu gehört unter anderem die Abschaffung von Ausschreibungen zugunsten eines modernen Gesetzes mit garantierter Festpreisvergütung; eine Kombikraftwerksvergütung, die die systemdienliche Einspeisung von Ökostrom fördert; eine Förderung von privatrechtlich organisierter Ökostromerzeugung und -verkauf (PPA), am besten nach dem Vorschlag der FDP, sowie endlich die Umsetzung der EU-Vorgaben zum Energy Sharing.
Wenn in Berlin und Brüssel für die kommunale Ebene endlich die regulatorischen Bremsen zum Aufbau von 100% Erneuerbare Energien Kommunen bis 2030 gelöst werden, könnten wir auch hier in wenigen Jahren, ähnlich wie in Kalifornien, günstigen Strom für alle, Versorgungssicherheit, eine unabhängige Integration von Ökostrom ohne übermäßigen Ausbau des Übertragungsnetzes und natürlich Klimaschutz erreichen.
Die Beispiele von Haßfurt über Schönau, Feldheim bis in den Hunsrück zeigen sogar, dass mutige Bürgermeister, Stadtwerksdirektoren, Landräte und UnternehmerInnen vor Ort sehr wohl auch den Weg unter den aktuellen Rahmenbedingungen zu einer 100 Prozent Erneuerbare-Energien-Kommune bis 2030 erfolgreich gehen können. Daher benötigen wir ein Revival für eine neue erfolgreiche Welle von Beschlüssen und Umsetzungen für 100 Prozent Erneuerbare Energien auf kommunaler Ebene auch in Deutschland, anstatt sich über hohe Energiepreise zu beklagen.