EU-Klimaschutzpolitik angesichts der rasanten Zunahme der globalen Klimakatastrophen und der Herausforderung der chinesischen Klimaschutzindustrie weiter viel zu schwach
Letzte Woche gab es drei Großereignisse auf EU-Ebene, die sich mit zentralen Elementen der EU-Klimapolitik befassten: Die Beschlüsse im EU-Parlament zur EU-Richtline für den Ausbau der Erneuerbaren Energien RED III und der Strombinnenmarktrichtlinie. Außerdem den Green Deal, der insbesondere in der Regierungsrede von EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen eine wichtige Rolle spielte.
Alle Beschlüsse und politischen Absichtserklärungen sind immer noch weit weg von dem, was ein wirksamer Klimaschutz angesichts der immer schlimmer um sich greifenden Katastrophen erfordern würde: Das Ende aller Emissionen bis 2030, verbunden mit dem Ausbau von starken Kohlenstoffsenken.
Die Klimakatastrophen haben diesen Sommer eine neue Schreckensdimension erreicht, doch es gibt keine angemessene Verschärfung der Klimapolitik als Reaktion darauf
Auf der Nordhalbkugel hat es in diesem Jahr katastrophale Waldbrände von rekordverdächtigem Ausmaß mit ebenfalls rekordverdächtigen Emissionen gegeben, so die vorläufige Bilanz des EU-Atmosphärendienstes CAMS (Copernicus Atmosphere Monitoring Service).
Auch Kalifornien wird seit Jahren von schlimmsten Klimakatstrophen mit großen Schäden heimgesucht. Nun hat der Staat Kalifornien die fünf größten dort operierenden Ölkonzerne – Exxon-Mobil, Shell, BP, Conoco-Phillips und Chevron – sowie den Industrieverband American Petroleum Institute auf Schadensersatz verklagt.
Auch in Europa haben sich besonders heftige Hitzewellen und Dürren – ähnlich wie in Kalifornien – mit verheerenden Starkregenfällen abgewechselt. Schlimmste Verwüstungen durch Starkregen gab es insbesondere in Slowenien, Kärnten, Spanien, Italien – und jüngst erst in Griechenland, Bulgarien und der Türkei. Doch eine Reaktion wie in Kalifornien, nämlich rechtliche Schritte gegen die Verursacher, wird auf EU-Führungsebene nicht einmal erwogen.
Starkregenkatastrophe in Libyen – wer ist schuldig?
Die Regen- und Sturmkatastrophe in Libyen zeigt eine Schreckensdimension, wie sie bisher in dieser Wüstengegend noch nie erlebt wurde. Alleine in der Stadt Darna sind viele tausend Tote zu beklagen. Ein Drittel der Stadt mit ca. 100 Tausend Einwohner existiert nicht mehr. Zwei Staudämme brachen unter der Flut der Regenmassen. Die Wassermassen haben Häuser, Brücken, Straßen, Autos, Menschen und Tiere ins Meer geschwemmt. Inzwischen breitet sich Cholera aus, weil das Grundwasser zum Teil mit Leichen verseucht ist.
Nun werden Schuldige gesucht, die angeblich versagt haben sollen, indem sie die Staudämme nicht richtig gewartet haben. Ganz in dem Glauben, dass man solche Wassermassen nur durch die richtige Bauweise ohne Schäden beherrschen könnte. Doch das wird nie gelingen.
Aber die wahren Schuldigen sucht man dort nicht: Die Manager der fossilen Wirtschaft mit ihren Geschäften rund um Erdöl, Erdgas und Kohle. Sie sitzen gerade auch in Libyen selbst. Das Land ist als Mitglied der OPEC einer der großen Ölförderer und hatte im Jahr 2022 einen Anteil von etwa 1,2 Prozent an der gesamten Weltölförderung.
Doch nirgends habe ich gelesen, dass nun der Erdöl-, Erdgas- und Kohlewirtschaft die Schuld zugeschrieben wird, dass Starkregen wie auch dieser in Libyen immer mehr zunehmen. Dabei wäre es dringend erforderlich, dies zu tun und sie vor Gericht zu ziehen, so wie es Kalifornien nun tut.
Unwidersprochen, als ob es keine solche Katastrophe gegeben hätte, haben die libyschen Ölhäfen jedoch inzwischen die Verschiffung des klimaschädlichen Erdöls wieder aufgenommen, wie Tecson am 15. September berichtete. Ein Innehalten, ob dies angesichts der Toten in Derna sinnvoll ist, gibt es nicht, und so trägt auch Libyen fortwährend zur weiteren Erwärmung der Atmosphäre bei, und die kommenden Katastrophen werden immer schlimmer.
Klar ist doch: Je mehr Treibhausgasemissionen weiterhin in die Atmosphäre freigesetzt werden, desto stärker wird sich die Erde erwärmen, und Katastrophen wie in Griechenland, Kalifornien, Libyen und anderen Regionen werden immer häufiger und schwerwiegender auftreten.
EU-Parlament beschließt höheres aber immer noch komplett unzulängliches Ziel für Erneuerbare Energien
Da klingt es scheinbar gut, dass das EU-Parlament nun mit der EU-Richtlinie RED III das Ziel des Ausbaus der Erneuerbaren Energien angehoben hat. Anstelle der bisherigen 32 % ist nun geplant, bis 2030 einen Anteil von 45 % an der Gesamtenergieversorgung durch erneuerbare Energien zu erreichen. Dies bedeutet, dass auch nach 2030 immer noch mehr als 50 % fossile Energien genutzt werden sollen, die hohe Emissionen verursachen.
Selbst im Jahr 2030, wenn die globalen Katastrophen voraussichtlich ein noch schlimmeres Ausmaß als die diesjährigen Waldbrände in Kanada oder Starkregenereignisse wie in Griechenland oder Libyen angenommen haben werden, plant die EU weiterhin eine beträchtliche Emission von Klimagasen, was die Katastrophen weiterhin massiv verschärfen wird.
Dies wird von immer mehr Menschen zu Recht als unverantwortlicher Irrsinn angesehen, und sie protestieren gewaltfrei dagegen, werden jedoch dafür verhaftet, wie Tausende Klimaprotestierende in den Niederlanden letzte Woche.
EU-Parlament hat durchaus auch neue gute Maßnahmen für Erneuerbare Energien beschlossen
So unzureichend das Ziel von 45 Prozent Erneuerbaren Energien bis 2030 in der EU auch sein mag, hat das EU-Parlament dennoch neue Maßnahmen beschlossen, die ihren Ausbau beschleunigen sollen. Insbesondere das Konzept des Energy Sharing, das in Deutschland immer noch nicht vollständig umgesetzt ist, wurde vom EU-Parlament weiter gestärkt.
Es soll ein Recht auf Energy Sharing (das Teilen von Energie mit anderen) geben: Jeder Kleinerzeuger kann seinen Strom formlos per App an jeden Verbraucher in derselben Preiszone weitergeben. Auch Unternehmen wie Supermärkte sollen ihren Solarstrom mit ihren Nachbarn teilen dürfen.
Endlich hat auch das EU-Parlament Erneuerbare Energien nach dem Vorbild Deutschlands in den Rang des überragenden öffentlichen Interesses erhoben. Damit verbunden sind Auflagen, die die Mitgliedsstaaten zwingen werden, die Genehmigung von Anlagen für Erneuerbare Energien massiv zu beschleunigen. Die Beschlüsse des EU-Parlaments müssen jedoch noch vom Rat bestätigt werden, bevor sie in Kraft treten können.
Kommissionspräsidentin von der Leyen hat keine Industrie-Rezepte, will aber Antidumping gegen China und wird so die Durchdringung der emissionsfreien Techniken in der EU behindern
In ihrer Rede zur Lage der EU letzte Woche kündigte die Kommissionspräsidentin an, die Subventionen Chinas für Elektroautos zu überprüfen. Ihr Ziel ist es, die deutsche Automobilindustrie vor angeblich unfairen Subventionen zu schützen. Am Ende des Überprüfungsverfahrens könnten EU-Einfuhrzölle auf chinesische E-Autos erhoben werden. Dies wird mit angeblich unfairen Subventionen seitens des chinesischen Staates, die gegen WTO-Regeln verstoßen würden, begründet.
Allerdings gibt es auch heftige Kritik aus der betroffenen deutschen Wirtschaft, insbesondere von der Automobilindustrie, wie die wirtschaftsnahe FAZ zu Recht kommentiert.
Die Erinnerung an die Solarzölle auf chinesische Importmodule im letzten Jahrzehnt ist noch frisch. Frau von der Leyen hat offenbar nicht erkannt, dass diese Solarzölle zusammen mit anderen von der EU-Kommission ergriffenen Maßnahmen, wie Ausschreibungen, zu einem drastischen Einbruch des Marktes in der EU geführt haben und somit dem Klimaschutz einen Bärendienst erwiesen haben. Das ursprüngliche Ziel, den Schutz der deutschen Solarindustrie, wurde vollkommen verfehlt. Heutzutage ist die chinesische Solarindustrie der europäischen Solarindustrie gegenüber übermächtig.
Die Solarzölle haben also die chinesische Solarindustrie gestärkt, aber gleichzeitig den Solarmarkt in der EU massiv dezimiert und damit den Klimaschutz behindert.
Es sollte allen klar sein, dass EU-Zölle auf E-Autos das gleiche bewirken werden: Die chinesischen Hersteller werden ihre Absatzmärkte in anderen Teilen der Welt stärken und somit ihre Dominanz in der E-Auto-Produktion ausbauen. Gleichzeitig wird der E-Automarkt in der EU nicht so stark wachsen, wie er müsste, um der Klimakatastrophe entgegenzuwirken, und der geschützte EU-Markt wird die Trägheit der europäischen E-Autohersteller weiter belohnen, wodurch sie noch mehr den Anschluss an China und Tesla verlieren werden.
Die EU-Klimapolitik der Kommission unter von der Leyen ist schlichtweg ein Desaster: Die Ziele für den Ausbau Erneuerbarer Energien sind zu schwach, die Abschottung von Märkten im Bereich CleanTech wird den Markthochlauf emissionsfreier Technologien in der EU bremsen. Neue große CleanTech-Industrien werden so nicht aufgebaut, weil die chinesische und US-Konkurrenz inzwischen viel zu stark ist. Ein industrieller Zwerg in der CleanTech-Industrie wie die EU kann den chinesischen Riesen nicht mit Zöllen und Abschottung bezwingen. Es führt kein Weg an Kooperationen vorbei. Andernfalls werden Klimaschutz und der Aufbau einer starken Klimaschutzindustrie in der EU die Verlierer sein.