Endlich alle aus!

Zum zweiten Mal haben wir am Wochenende am Kernkraftwerksstandort Grafenrheinfeld einen Grund zum Feiern.

Erstmals war es im Mai 2015 soweit als das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet wurde und nun am kommenden Sonntag erneut, da die letzten kommerziellen Atomkraftwerke in Deutschland endgültig vom Netz genommen werden. Alle sind eingeladen am 16.4.2023 am Atomstandort Grafenrheinfeld um 15 Uhr mitzufeiern!

Die Vorteile des endgültigen Atomausstiegs in Deutschland sind enorm:

  • Deutschland muss damit keinen Supergau mehr aus einem kommerziellen Atommeiler fürchten. Es laufen „nur“ noch Forschungsreaktoren in Deutschland, durchaus verbunden mit den bekannten Atomgefahren.
  • Die Atommüll-Produktion ist weitgehend gestoppt. Nur noch Forschungseinrichtungen produzieren Atommüll, dies aber in deutlich kleinerer Dimension als die kommerziellen Reaktoren. Bedeutsam das Ende der Atommüll-Produktion, da es in Deutschland (wie auch weltweit) weiterhin kein problemlos funktionierendes Endlager gibt. Allerdings stellen die notwendigen Zwischenlager wie in Grafenrheinfeld immer noch eine erhebliche regionale radioaktive Bedrohung bei größeren Unfällen dar, wie z.B. einem Flugzeugabsturz. Mangels Atommüll-Endlager gibt es keine Alternative zu den Zwischenlagern. Erleichternd ist, dass ein Unfall im Zwischenlager „nur“ noch eine regionale Bedrohung und keine internationale Bedrohung wie ein Supergau eines Atomkraftwerkes ist.
  • Endlich sind wieder mehr Stromleitungen aufnahmefähig für Strom aus Erneuerbaren Energien. Immer wenn viel Wind wehte und viel Sonne schien, mussten zahlreiche Erneuerbare-Energien-Anlagen abgeschaltet oder gedrosselt werden, da die sehr schlecht regelbaren Atomkraftwerke auch dann Strom produzierten und so die Netze verstopften. Nun wird viel Platz im Netz geschaffen um den Ökostrom aufzunehmen, statt ihn abzuschalten.

Großer Erfolg der Anti-Atomkraft-Bewegung

Auch wenn es Jahrzehnte gedauert hat, so ist die Abschaltung der Atomkraftwerke in Deutschland ein großer Erfolg der Anti-Atom-Bürgerbewegung und der Anti-Atompartei Bündnis 90/Die Grünen gegen die schiere Übermacht der Atomkonzerne E.On, RWE, Vattenfall und EnBW und ihrer politischen Unterstützer CDU/CSU und FDP.

Daran sieht man, dass Bürgerbewegungen erfolgreich sein können, wenn sie beharrlich über Jahrzehnte mit Demonstrationen und einem parlamentarischen Arm wie Bündnis 90/Die Grünen auf das Ziel hin arbeiten.

Das EEG ist das eigentliche Atomausstiegsgesetz

Die Anti-Atom-Bürgerbewegung hat nicht nur den Atomausstieg gefordert, sondern immer auch den Ersatz für den Atomstrom: Die Erneuerbaren Energien. Mit dem EEG 2000 wurde die Basis geschaffen, dass die Atomkraftwerke tatsächlich abgeschaltet werden konnten ohne dass die Lichter ausgehen – ein Szenario, welches die Atomkraftbefürworter *innen immer als unüberwindbares Schreckgespenst an die Wand malten. Eine meiner Grundmotivationen das EEG zu entwerfen war das Ziel alle Atomkraftwerke stillzulegen.

Auch heute sollten sich viele Klimaschützer*innen ein Beispiel daran nehmen, dass die Forderungen von Kohle- oder Erdgasausstieg ins Leere laufen, wenn nicht gleichzeitig ein starker Ersatz für diese Stromgewinnung gefordert wird, nämlich der Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Mit großem Unverständnis hatte ich im letzten Jahrzehnt beobachtet, dass viele Kohlegegner*innen, vor allem aus den Naturschutzverbänden, nur den Kohleausstieg in den Mittelpunkt der Forderungen setzten, statt zusätzlich einen steilen, exponentiellen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Gerade in dieser Zeit wurde das exponentielle Wachstum der Erneuerbaren Energien von den Regierungen Merkel mit laufenden Verschlechterungen des EEG torpediert. Dieser Niedergang des Ausbaus der Erneuerbaren Energien ist der Hauptgrund, dass heute immer noch Kohle- und Erdgaskraftwerke aus Gründen der Versorgungssicherheit am Netz sind. Wäre der exponentielle Ausbau der Erneuerbaren Energien, der unter Rot-Grün angestoßen wurde, auch im letzten Jahrzehnt weitergelaufen und nicht ab 2011 gestoppt worden, so könnten heute 100% Ökostrom im Netz sein und Stromerzeugung aus Atom, Kohle und Erdgas längst abgeschaltet sein.

Dennoch ist das EEG das eigentlich wirksame Atomausstiegsgesetz, denn das rot-grüne Atomausstiegsgesetz wurde 2010 ja von CDU/CSU und FDP beerdigt. Das EEG aber konnte, wenn auch zunehmend geschwächt, seine Atomstromersatzwirkung dennoch konsequent fortführen. Als Resultat daraus kann die Atomkraft heute abgeschaltet werden, ohne dass die Lichter ausgehen.

Politischer Widerstand gegen Ökostrom hat seine Wurzel in dem Ziel Atom-, Kohle-, und Erdgaskraftwerke möglichst lange zu betreiben

Die Konzern-Unterstützer für fossile und atomare Energien wussten schon immer, dass sie vorrangig den Ausbau der Erneuerbaren Energien verhindern müssen, wenn sie weiter Atomkraft, Kohle- und Erdgaskraftwerke am Netz haben wollen.

So war es kein Wunder, dass Peter Altmaier – der engste Merkel-Vertraute – damals in der Umweltausschuss-Sitzung zur Laufzeitverlängerung der Atomkraft im Jahre 2010 erschien, welche mir bis heute vollständig im Gedächtnis geblieben ist. Eigentlich war er als Geschäftsführer der Unionsfraktion gar nicht zuständig für diese Ausschuss-Sitzung. Dennoch gab er konsequent den Ton an, um mit allen Tricks der Satzung des Bundestags jeden Antrag der Opposition niederzubügeln und die Laufzeitverlängerung durchzupeitschen. In der Öffentlichkeit begründeten Kanzlerin Merkel und er die Laufzeitverlängerung vor allem mit einem angeblich unzulänglichen und zu teuren Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Genau diesen hat er später als Wirtschaftsminister mit schlimmen EEG-Novellen tatsächlich stark unter Druck gesetzt, womit der dann geschwächte Ausbau der Erneuerbaren Energien schließlich zu einer langen Laufzeit der Kohle- und Erdgaskraftwerke führte.

Union und FDP lernen nichts aus den Fehlern der Vergangenheit

Noch heute ist diese Strategie in der Union fest verankert. So hat gerade Friedrich Merz den endgültigen Atomausstieg zum 15. April 2023 mit den Worten kritisiert, dass man mit der Atomkraft eine CO2-freie Stromerzeugung abschalte und so den klimaschädlichen Kohle- und Erdgaskraftwerken stärker ausgeliefert sei. Keine Spur eines Wortes von Merz, dass Erneuerbare Energien eben Atomkraft zusammen MIT Kohle und Erdgas abschalten können, wenn man den Ökostrom massiv befördert, statt behindert.

Erst ein internationaler Atomausstieg wird auch in der Ukraine alle Supergau-Gefahren beseitigen

Dabei sind mit dem Ausstieg aus der kommerziellen Atomkraft in Deutschland die Gefahren einer radioaktiven Verseuchung Deutschlands durch einen Supergau längst nicht abgeschafft. Viele uralte, marode, unsichere Atomkraftwerke bedrohen auch deutsches Gebiet durch andere ausländische Atommeiler, wie z.B. in Frankreich, Schweden, Finnland, Belgien, Schweiz, Tschechien, Slowakei, Ungarn, bis in die Ukraine, wo die Supergau-Gefahr durch kriegerischen Beschuss besonders hoch ist. Eine schlimme Fehlleistung von Präsident Selenskyj, nun vermehrt Atomstrom in die EU exportieren zu wollen, um mehr Staatseinnahmen zu bekommen. Die Europäer sollten diesen ukrainischen Atomstrom nicht abkaufen, sondern auf eine Stilllegung der ukrainischen AKWs drängen, denn die Supergau-Gefahr von Atomkraft im Kriegsgebiet ist schlichtweg viel zu hoch.

Ein europäischer Boykott ukrainischen Atomstroms zusammen mit Hilfen für einen schnellen ukrainischen Ausbau der Erneuerbaren Energien ist zwingende Voraussetzung um die Supergau-Gefahren im Kriegsgebiet Ukraine zu verringern. Erst kürzlich hatte ich dies in Berlin mit dem Ukrainischen Energieminister German Galuschtschenko besprochen. In den kommenden Wochen werde ich diese Problematik mit Alexander Dombrovskyi, dem Vorsitzenden des Ukrainischen Verbandes für Erneuerbare Energien, weiter vertiefen.

Atomkraft ist zu teuer und gefährlich und kann keinen Beitrag zum Klimaschutz liefern

Unbelehrbar, wie Friedrich Merz, wird in ca. der Hälfte der EU-Staaten an der Atomkraft festgehalten, obwohl es klar wissenschaftlich belegt ist, dass Atomkraft zu teuer und zu unsicher ist, unbeherrschbare Mengen an Atommüll produziert und vor allem die Quelle von Uran und Plutonium für Atombomben-Material ist. Auch der Neubau von Atomkraftwerken würde viel zu lange dauern, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Eine jüngste und klare wissenschaftliche Analyse von Claudia Kemfert vom DIW widerlegt nochmals eindrücklich die Mär von der billigen und sicheren Atomkraft und auch all das Gerede von einer neuen Generation von angeblich sicherer, billiger, kleiner und mittlerer Atomreaktoren.

Auch in Schweden gibt es unbelehrbare Atombefürworter

Aber gerade rechtsradikale und Rechtsaußen-Regierungen in Europa scheren sich keinen Deut um klare wissenschaftliche Erkenntnisse. So hat die Rechtsaußen-Regierung in Schweden gerade zwei Vorstände des Atomkonzerns Vattenfall gefeuert, weil sie ihnen zu „anti-atom“ eingestellt seien.

Die Regierung von Schweden kann das machen, da Vattenfall ja ein Staatskonzern ist. So hatte Vattenfall auch gegen den rot-grünen Atomausstieg auf Schadensersatz geklagt. Ich beschwerte mich damals als MdB offiziell bei der Schwedischen Botschafterin, dass ein befreundeter Staat (Schweden) einen anderen Staat (Deutschland) beklagte, obwohl doch nach den EU-Verträgen die Freiheit der Wahl des Energie-Mixes ausdrücklich bei den Mitgliedstaaten liegt.

Dabei schrammte damals im Jahre 2006 auch das Atomkraftwerk Forsmark 1 nur knapp an einem Supergau vorbei. Schweden, wie auch ganz Europa, waren nur 30 Minuten von einem Supergau und damit einer radioaktiven Verseuchung entfernt. Ich musste damals meinen familiären Urlaub ausgerechnet in Südschweden in der Nähe von Forsmark für eine Sondersitzung des Umweltausschusses im Bundestag unterbrechen.

Die Anti-Atom-Bewegung hat noch viel zu tun

Bewirkt hat das alles leider nichts, noch heute sind AFD, CDU/CSU, die FDP, die Schwedische Regierung sowie viele andere Regierungen der Welt unbeirrbare Befürworter der Atomkraft und ignorieren konsequent alle Super-Gefahren, als hätte es Tschernobyl und Fukushima nie gegeben.

In Deutschland aber wird es keine kommerziellen Atomreaktoren mehr geben, die noch einen Supergau auslösen könnten. Dank der Standhaftigkeit der Anti-Atom-Bewegung und eines grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck, der allen Forderungen von AFD, Union und FDP zur Laufzeitverlängerung der letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland widerstanden hat.

Endlich sind alle kommerziellen Atomkraftwerke in Deutschland aus!!!

Und das kann nur der Anfang sein. Für wirklichen Schutz vor einem neuen Supergau kann nur die Abschaltung aller Atomkraftanlagen in der EU und der ganzen Welt sorgen. Und das wird mit einem internationalen Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien jetzt schneller gehen als die Anti-Atom-Bürgerbewegung in Deutschland gebraucht hat, da die Erneuerbaren Energien heutzutage unschlagbar billig gegenüber Atomstrom sind.