Obwohl noch nicht einmal 15% des Energiebedarfs von Erneuerbaren Energien gedeckt werden, arbeitet schon rund die Hälfte der Energiebranche für Erneuerbare Energien

Liebe Leserinnen und Leser,

Obwohl noch nicht einmal 15% des Energiebedarfs von Erneuerbaren Energien gedeckt werden, arbeitet schon rund die Hälfte der Energiebranche für Erneuerbare Energien 

Gerade die Kohlewirtschaft, insbesondere die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) jammert unentwegt, dass die Beschäftigung in der Energiebranche verringert würde, wenn der Kohleausstieg realisiert wird.  Dabei würden bei einem kompletten Umstieg auf Erneuerbare Energien wesentlich mehr Beschäftigte entstehen, als durch das Abschalten der Kohlekraftwerke und anderer fossiler und atomarer Energieerzeugung wegfallen würden. Eine gute Strukturpolitik in den Kohleabbauregionen insbesondere im strukturschwachen Ostdeutschland würde dort mit einem Kohleausstieg die Beschäftigung insgesamt stärken.

Dies ist leicht abzulesen aus den Beschäftigungszahlen der Energiebranche, die die Bundesregierung in einer Studie kürzlich veröffentlichte.

Inzwischen beschäftigen die Erneuerbaren fast die Hälfte der Arbeitnehmer der Energiebranche, obwohl die Erneuerbaren Energien noch nicht einmal 15% der deutschen Energieversorgung liefern (BMWi Zahlen für 2016, Seite 7).

Man kann daraus nur schlussfolgern, dass mit einem beschleunigten Umstieg auf Erneuerbare Energien die Beschäftigung insgesamt stark ansteigen wird. Die Grundlagen dafür liefert der im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie veröffentlichte Bericht zu den ökonomischen Indikatoren des Energiesystems für den Zeitraum 2000-2016. Ausgearbeitet wurde die Studie vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS). Daten zu den Indikatoren Umsatz, Investitionen und Beschäftigung wurden durch diese Untersuchung erstmals für die fossilen, nuklearen und erneuerbaren Energieträger zusammengetragen. Dennoch wird der Studie bisher erstaunlich wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Die Studie skizziert die Beschäftigungslage der deutschen Energiewirtschaft über 16 Jahre hinweg und zeigt auf, wie sich die Beschäftigung über die Jahre spürbar zwischen dem konventionellen Energiesektor und der Erneuerbare Energien-Branche verschoben hat und wie wichtig die Erneuerbaren inzwischen für unseren Arbeitsmarkt geworden sind. Der Bericht belegt die wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Bedeutung der Erneuerbaren, welche von der Bundesregierung und nun auch im Koalitionsvertrag der neuen GroKo noch immer ignoriert wird.

Neben der direkten Beschäftigung fasst die Studie auch die Entwicklung der indirekteren Beschäftigung zusammen und hält fest, dass im Jahr 2016 insgesamt fast 690.000 Arbeitnehmer direkt in oder indirekt für die Energiebranche tätig waren. Einen Höhepunkt gab es im Jahr 2011 mit etwa 817.000 Beschäftigten, danach kam jedoch ein starker Rückgang, welcher insbesondere auf den Niedergang der Solarwirtschaft aber auch auf stark schwankende Investitionszyklen bei den konventionellen Kraftwerken zurückzuführen ist. Es war ein riesiger Fehler in den Jahren 2005-2010 so viele Kohlekraftwerke zu bauen. Denn wie man am Rückgang der Arbeitsplätze in der Kohlewirtschaft sieht, ist die Wirtschaft in diesem Bereich sowieso am Ende – und auch dem Klimaschutz hat diese Investition nicht gedient.

Gleichzeitig wurde aber die industrielle Solarwirtschaft wegen des Schutzes der Kohle geopfert, somit haben die Regierungen von Kanzlerin Merkel eine doppelte Schädigung erreicht – einen dauerhaften Rückgang bei der einst hohen Beschäftigung in der Solarwirtschaft und beim Klimaschutz.

Auch die Pläne der GroKo werden diese Politik weiterführen, und den Ausbau der Erneuerbaren nicht wirklich verbessern, sicher aber weit unter dem was zum Klimaschutz notwendig ist und was für Investoren möglich wäre. Wenn die GroKo nicht schleunigst zur EEG-Festpreisvergütung statt Ausschreibungen zurückkehrt, wird es bald auch die Beschäftigung in der Windindustrie hart treffen.

Um dies zu verhindern, brauchen wir einen radikalen Wechsel. Denn für eine nachhaltige Energieversorgung und wirksamen Klimaschutz, so hatte es Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin bereits vor einem Jahr berechnet, bräuchte es einen jährlichen Zubau von 15 Gigawatt an Photovoltaikleistung und auch die Windkraft müsste auf 6,3 Gigawatt hochgeschraubt werden. Momentan sind im EEG jedoch lediglich 2,8 Gigawatt für Wind und 2,5 GW für PV festgelegt, und selbst die laut Koalitionsvertrag vorgesehenen Sonderausschreibungen von einmalig 8 GW können da nicht viel bewirken.

Auch den Ausbau von Bioenergie als Flexibilisierungsoption und für die Sektorenkopplung müssen wir weiter voranbringen, genauso wie Wasserkraft und Geothermie, denn auch deren Ausbau und damit die Beschäftigung ging in den letzten Jahren drastisch zurück.

Wann endlich begreift die IG BCE, dass sie mit dem schnellen Umstieg auf Erneuerbare Energien unter schnellem Ausstieg aus der Kohle den strukturschwachen Regionen mehr helfen würde, als ihr krampfhaftes Festhalten an der Kohle, die eh zum Sterben verurteilt ist. Ihre realitätsferne und klimafeindliche konservative Politik wird nicht verhindern, dass die Kohlekraft bald am Ende sein wird. Sie verhindert aber, dass auch die Kohleregionen von der Modernisierung durch Erneuerbare Energien beschäftigungspolitisch profitieren. Damit verursacht die IG BCE zusammen mit der ihr hörigen Politik in der SPD und Union genau das was sie bekämpfen will: Das weitere Abrutschen der Kohleregionen in eine wirtschaftlich schwache und damit beschäftigungsarme Zukunft.

 

Hammelburg, den 7. März 2018

Ihr Hans-Josef Fell