Windkraftblockade in Bayern treibt immer schlimmere Blüten

Liebe Leserinnen und Leser,

Windkraftblockade in Bayern treibt immer schlimmere Blüten

In einer umfangreichen, klaren und sehenswerten Dokumentation hat der Bayerische Rundfunk am 17.6.2020 die Hinderungsgründe des Windkraftausbaus in Bayern aufgezeigt: Wo kein politischer Wille, da kann auch kein Windkraftausbau geschehen. Es werden der massive Lobbyismus und die Atomkraftlaufzeitverlängerungsvorschläge der Windkraftgegner aufgezeigt, mit all ihren unwissenschaftlichen Mythen, die aber dennoch Zugang zu den Entscheidungsträgern in den Ministerien finden.

Und wie zu befürchten war, hat die Mehrheit von CSU und Freien Wählern gerade im Wirtschaftsausschuss des bayerischen Landtags erneut einen vernichtenden Beschluss gegen die Bürgerenergiewende gefasst: Dem Landtag wurde empfohlen, die Investitionen von einigen bereits getätigten Millionen Euro für 13 in Bau befindliche Windkraftanalgen in Wargoldshausen zu vernichten.

Insgesamt gibt es 30 ähnliche Fälle in Bayern, für die eine winzige Änderung in der Bauordnung verweigert wird, nach der den Anlagen auch nach dem Wechsel zu einem anderen Bautyp die bereits erteilte Genehmigung weiter gewährt werden würde. Ohne Gnade setzten sie sich über ein breites Unterstützungsbündnis der örtlichen Bürgermeister, der Grünen und SPD im Landtag und vieler gesellschaftlicher Gruppierungen hinweg.

Nun obliegt es dem Plenum des Landtages, das Votum des Wirtschaftsausschusses zurückzuweisen und für mehr Klimaschutz, für mehr bürgerliches Engagement und für den Vertrauensschutz von engagierten Bürger*Innen zu stimmen.

Kuriose und geradezu lächerliche Ersatzvorschläge kommen derweil vom zuständigen Wirtschaftsminister Aiwanger, Freie Wähler. Offensichtlich treibt ihn das schlechte Gewissen um und so schlägt er nun vor, sogenannte „Windkümmerer“ aus Steuergeldern zu finanzieren:

„Denn was sich Aiwanger quasi als Staatshilfe gegen die staatlich eingeführte 2.000-Meter-Abstandsregel „10H“ ausgedacht hat, kostet tatsächlich viel Geld. Damit Kommunen nämlich 10H trotzen und über eigene Bebauungspläne Windkraftwerke näher an Ortschaften möglich machen, soll in jedem Regierungsbezirk ein „Kümmerer“ stationiert werden. Jeder solle etwa fünf Windenergieprojekte interessierter Kommunen bis zu zwei Jahre lang ‘zu den Themen Öffentlichkeitsarbeit, Moderation und Vermittlung sowie Bauleitplanung betreuen‘, so die Idee.“ 

Das einfachste und naheliegende zu tun, nämlich das 10H Gesetz einfach abzuschaffen und so die Windkraftblockade in Bayern aufzulösen, darauf kommen CSU und Freie Wähler freilich nicht.

Akzeptanz in der Bevölkerung für Windkraft zu schaffen ist in der Tat wichtig, insofern hat Aiwanger natürlich Recht. Dazu gehören beispielsweise öffentliche Bürgerinformationen, von Gemeinden organsiert, damit frühzeitig über neue Windkraftprojekte informiert und aufgeklärt werden kann.

Genau das wollten der Bürgermeister und ein Investor in der Oberpfälzer Gemeinde Waidhaus letzte Woche tun. Sie luden die Bevölkerung zu einer Informationsveranstaltung für den 26.6.2020 über ein Repowering Projekt ein, hier sollen zwei bestehende Windkraftanlagen, die im kommenden Jahr aus der EEG-Vergütung fallen, durch eine größere neue Anlage ersetzt (repowert) werden sollen. Die beiden alten Anlagen erzeugen im Jahr etwa 1,9 Millionen kWh, die neue soll 10 Millionen kWh erzeugen

Plötzlich und unerwartet hat aber völlig kurzfristig, nur zwei Tage vor der bereits vom Landratsamt auch unter den strengen Auflagen des Schutzes vor Corona genehmigten Veranstaltung, das dem Landratsamt unterstellte Gesundheitsamt mit einem lapidaren E-Mail an den Investor aus Gründen des Schutzes vor Corona die öffentliche Veranstaltung wieder abgesagt. Keine Begründung, warum die zugesagten und genehmigten Auflagen zum Schutz vor Covid-19 plötzlich nicht mehr ausreichend seien. Lapidar wurde nur mitgeteilt:

„bei Informationsveranstaltungen handelt es sich grundsätzlich nicht um Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes, sondern um Veranstaltungen. Dies ist auch in Ihrem Fall nicht anders. Die Veranstaltung ist auf die individuelle Information von interessierten Besuchern gerichtet. Einer möglicherweise entstehenden Personenansammlung fehlt hier die innere Bindung, sie verstehen sich gerade nicht als überpersonales Ganzes, sondern weiterhin als Individuen, die sich über ein Thema informieren wollen. Zudem hat die Veranstaltung mit der Information über die Errichtung eines Windrades einen gewerblichen Charakter.“

Eine völlige Fehleinschätzung seitens des Gesundheitsamtes: Es wird ignoriert, dass die Veranstaltung ein starkes allgemeines Interesse im Sinne des Klimaschutzes hat. Zudem wird ignoriert, dass es ein allgemein geäußertes politisches Interesse ist, die durch die Coronakrise ausgelösten wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu mildern. In dieser Begründung wird der gewerbliche Charakter dem Investor auch noch zum Vorwurf gemacht. Schwimmbäder durften am gleichen Ort mit Personenanzahl bis zu 500 am gleichen Tag wieder öffnen.

Dabei drängt die Zeit sehr, denn am 1.1.2021 verlieren die betroffenen Windräder ihre Vergütungsberechtigung nach dem EEG. Das wirtschaftliche Aus droht und damit ein großer Schaden für den Klimaschutz und die örtliche Wirtschaft, da der abgeschaltete Strom ja doch wieder durch z.B. Kohlestrom aus der Ferne ersetzt werden müsste.

Diese Allmacht des Gesundheitsamtes ist nicht akzeptabel. Ohne eine allgemeine Gesamtbewertung der Auswirkungen hat sich das Gesundheitsamt über fundamentale Interessen des Gemeinwohls hinweggesetzt: Den Klimaschutz und eine wirtschaftliche Erholung nach der Krise. Was nützt der Menschheit eine rigorose Corona-Politik, ohne jede Abwägung anderer Belange, wenn so andere existenzielle gesellschaftliche Interessen vollkommen außer Acht gelassen werden.  Die Menschheit steht wegen des aktuell fehlenden Klimaschutzes nur wenige Jahrzehnte vor der Auslöschung der eigenen Zivilisation. Der natürlich notwendige Schutz vor Pandemien wird da auf Dauer nicht helfen. Zudem hilft ein solcher Beschluss des Landratsamtes nicht einmal dem Gesundheitsschutz in der Coronakrise, denn mit dem Abschalten der Windräder wird es wieder mehr Kohleverstromung geben, deren Emissionen in erheblichem Ausmaß neue Luftschadstoffe produzieren, die nur weitere Lungenkranke schaffen, die dann den Kreis der Coronarisikogruppen erhöhen.

CSU und Freie Wähler sind aufgefordert nicht nur die 10H-Regelung abzuschaffen, sondern auch den 38 im Bau befindlichen Windrädern die weiteren Genehmigungen zu erteilen und eine Corona-Politik zu schaffen, die in der Abwägung auch den Klimaschutz und den Gesundheitsschutz vor krankmachenden Luftschadstoffen beachtet. Genau dazu gehört es auch lokal vor Ort Akzeptanzmaßnahmen für Windkraftinvestoren – natürlich unter der Auflage von Corona-Schutzmaßnahmen – zu gewähren.

Hammelburg, 1. Juli 2020

Ihr Hans-Josef Fell