Warum auch Landwirte die Letzte Generation unterstützen sollten

Warum auch Landwirte die Letzte Generation unterstützen sollten

Letzte Woche veröffentlichte die Agrarzeitung einen Gastbeitrag von mir. Da vor allem Landwirte durch Missernten besonders von der Klimaveränderung betroffen sind, ermutigte ich sie, den Klimaprotest der letzten Generation aktiv mit Traktorblockaden zu unterstützen. Außerdem haben sie bereits Erfahrung mit zivilem Ungehorsam durch Traktorstraßensperren oder Gülleattacken. Lesen Sie hier meinen Gastkommentar dazu:

Gewaltfreier Widerstand
von Redaktion agrarzeitung
Freitag, 06. Januar 2023

Warum auch Landwirte die Letzte Generation unterstützen sollten

Ein Gastkommentar von Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und Ex-MdB der Grünen.

Die Dürren der letzten Jahre haben zu Ernteeinbußen geführt. In Mainfranken und anderswo ist ein Kampf ums Wasser entstanden. Starkregen haben Böden erodiert oder Ernten vernichtet. Hitzewellen machen auch dem Vieh schwer zu schaffen. Landwirte wissen, was Erdaufheizung bedeutet.

Dabei kann und muss die Landwirtschaft einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz liefern, indem mit entsprechenden landwirtschaftlichen Methoden die gesamten Emissionen von CO2, Lachgas und Methan beendet und durch Humusaufbau zudem große Kohlenstoffsenken geschaffen werden. Doch dafür braucht die Landwirtschaft politische Unterstützung und keine weitere Erhöhung finanzieller und bürokratischer Belastungen.

Die Letzte Generation – junge, bestens gebildete Menschen – sind verzweifelt, dass wir Menschen immer schneller die Erde aufheizen. Sie greifen zum Instrument des gewaltfreien zivilen Ungehorsams, weil alle bisherigen Proteste keinen Klimaschutz geschaffen haben.

Nun brechen insbesondere konservative Politiker und die Springermedien – die das jahrzehntelange Versagen im Klimaschutz mit zu verantworten haben – mit wüsten Beschimpfungen und vollkommen überzogenen Strafandrohungen auf sie herein. Landwirte kennen dies schon länger. Straßenblockaden mit Traktoren oder Gülleattacken sind ein Mittel des gewaltfreien Widerstandes.

Wenn die Gesellschaft in einem Notstand ist – und die Erdüberhitzung ist ein solcher Notstand –, dann kann ziviler Ungehorsam sogar straffrei sein. So sagt Richter Michael Hassemer vom Verfassungsgerichtshof in Rheinland-Pfalz: „Die Konsequenzen, die der Menschheit durch das Unterlassen von Klimaschutzmaßnahmen entstehen, sind jedenfalls so gravierend, dass Rechtsbeeinträchtigungen durch Protest bis zu einem gewissen Maß durch Notstand gerechtfertigt und darum hinzunehmen sind.“ Auch das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Lebensgrundlagen und Freiheiten der kommenden Generation durch die heutige Politik nicht geschützt werden.

Die Letzte Generation bekommt immer mehr gesellschaftliche Unterstützung, zum Beispiel durch fast 2.000 Kunstschaffende. Landwirte wären gut beraten, mit ihren Traktoren die Straßenblockaden der Letzten Generation gewaltfrei zu unterstützen. Denn ihre Existenzen und die Ernährung der Menschen stehen auf dem Spiel. Dann könnte es einen gesellschaftlichen Ruck geben und eine echte politische Unterstützung – auch für eine klimaschützende Landwirtschaft – organisiert werden.