Anhörung Energieausschuss im Ukrainischen Parlament

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Anhörung Energieausschuss im Ukrainischen Parlament

Gestern, am 10. Oktober 2017, wurde in der Rada, dem Ukrainischen Parlament, in einem mehrstündigen Roundtable ausführlich über die bevorstehenden Gesetzesänderungen für Erneuerbare Energien diskutiert. Auf Einladung des Vorsitzenden des Energieausschusses in der Rada, Oleksandr Dombrovskyi, kamen über 150 Abgeordnete, wissenschaftliche Mitarbeiter, Regierungsvertreter und Vortragende zusammen. Die neue, junge, aus der Bewegung von Nichtregierungsorganisationen kommende Vizeenergieministerin Nataliya Boyko stellte die Position der Regierung dar und war eine sehr aufmerksame Zuhörerin bei den Vorträgen.

Diskutiert wurde u.a. ob eine Umstellung der grünen Tarife auf Ausschreibungen sinnvoll sei und vor allem wie die Netzintegration der fluktuierenden Solar- und Windkraftwerke, angesichts der noch hohen Anteile an Grundlaststrom aus Atom- und Kohlekraftwerke, gelingen kann.

Die notwendige Steigerung des Anteiles der Erneuerbaren Energien wurde stets unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit beleuchtet.

Auch in dieser Anhörung zeigte sich die sehr negative Ausstrahlung, die Deutschland mit seiner Umstellung auf Ausschreibungen auf die politische Diskussion in anderen Ländern ausübt. Die teils sehr theoretischen Vorstellungen mit angeblich freien Märkten, wie sie der EU-Kommission im Winterpaket vorschweben, mitsamt ihrer Dominanz von Ausschreibungen, kommen in der Ukraine ziemlich weltfremd an. In das gleiche Horn blasen leider auch die großen Finanzinstitute, wie sie von Vertretern der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und der Internationalen Finanz-Corporation IFC vorgetragen wurden. Dabei ist klar, dass die großen Finanzinstitute nur für das eigene Finanzinteresse, nämlich der großvolumigen Finanzierung großer Solar- und Windparks und leider immer noch auch großer Kohle- und Atomkraftwerke argumentieren. Kleine und mittlere Akteure, Unternehmen, Energiegemeinschaften, Landwirte und Farmer bedienen sich meist kleiner lokaler Banken mit kleineren Krediten, weshalb die großen Finanzinstitute kein Gefühl für die dezentrale Entwicklung der Erneuerbaren Energien unter Einbindung der Zivilgesellschaft haben.

In meiner Präsentation betonte ich, dass die alles entscheidende gesetzliche Unterstützung für einen erfolgreichen Ausbau der Erneuerbaren Energien mit hoher Akteursvielfalt nur über moderne fixe Einspeisetarife gelingen kann. Lediglich für Investitionen über 40 MW könnten Ausschreibungen Sinn machen. Mein Verweis auf das von der Energy Watch Group erarbeitete Politikpapier, in welchem die negativen Auswirkungen von Umstellungen auf Ausschreibungen beschrieben werden, wurde mit großem Interesse wahrgenommen. http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/2017/09/FIT-Tender_Fell_PolicyPaper_EN_final.pdf

Für eine stärkere Netzintegration der Erneuerbaren Energien stellte ich meinen Vorschlag für eine Kombikraftwerksvergütung vor. Zudem verwies ich auch auf die im letzten Herbst vorgestellte Studie der Lappeenranta Universität.

Danach ist die Stromversorgung der Ukraine vollständig mit 100% Erneuerbaren Energien möglich und ökonomisch sogar vorteilhafter als mit Atom- und Kohlekraft. Insbesondere aus den staatlichen Behörden kamen zum Kombikraftwerkstarif interessierte Nachfragen.

In der Diskussion stellten einige Abgeordnete heraus, dass die grünen Tarife in der Ukraine beibehalten werden müssen, damit der Ausbau der Erneuerbaren Energien schnell gelingen kann und mit dem Erhalt der Akteursvielfalt auch ein hoher Beitrag zur ökonomischen Entwicklung mit vielen neuen Jobs geleistet werden kann. Anders könne die Ukraine den erfolgreich begonnen Weg für eine stärkere Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen nicht fortführen und auch nicht die mit der Unterschrift unter das Pariser Klimaschutzabkommen eingegangenen Klimaschutzziele einhalten.

Es wird aber in den nächsten Monaten sehr wichtig sein, dass Firmen, NGOs und Politiker das Gespräch mit den Abgeordneten suchen, damit auch tatsächlich die grünen Tarife gesetzlich erhalten bleiben und am besten mit einer Kombikraftwerksvergütung modernisiert werden können.

Am Nachmittag warb ich auf der großen Konferenz und Messe für Erneuerbare Energien SEF 2017 in meinem Redebeitrag dafür, dass sich die Zivilgesellschaft auch im obigen Sinne in die politische Diskussion aktiv einmischen möge. Dass die SEF 2017 gegenüber der SEF 2016 deutlich an Zuspruch und Ausstellern zugenommen hat, ist ein gutes Zeichen für die sich immer stärker entwickelnden Erneuerbaren Energien in der Ukraine.

Meine Erfahrungen über die Ernsthaftigkeit, mit der sich das ukrainische Parlament ausführlich mit diesen Fragen beschäftigt, haben mir gezeigt, wie stark jenseits aller bei uns ankommenden Berichte über undemokratische Verhaltensweisen bis hin zu Schlägereien unter den Abgeordneten in der Rada, die demokratische Entwicklung in der Ukraine dennoch große Fortschritte macht.

In weiteren persönlichen Gesprächen mit dem Abgeordneten Oleksandr Dombrovsyi, sowie mit der Vizeenergieministerin Nataliya Boyko vereinbarte ich eine weitere Zusammenarbeit für die Gesetzesentwicklung der Erneuerbaren Energien in der Ukraine.

 

Kiew, den 11. Oktober 2017

Ihr Hans-Josef Fell