70 Jahre Spiegel

Sehr geehrte Leserinnen und Leser!

70 Jahre Spiegel 

Der Spiegel feiert seine 70-jährige Geschichte. Er rühmt sich selbst einen Investigationsjournalismus erfolgreich betrieben zu haben und die Wahrheiten ins rechte Licht zu rücken, ganz im Ziele des Besten für die Gesellschaft. Mag sein, dass dies in den Anfangsjahren z.B. mit der berühmten Spiegelaffäre gegen Franz Josef Strauß auch gelungen war. Die Einführung der Atomenergie durch Strauß hat der Spiegel damals nicht verhindert. Den Schutz der Atomkraft (und fossilen Energieträger) vor einem politisch gewollten Atomausstieg und der wachsenden Wirtschaftskonkurrenz der Erneuerbare Energien hat der Spiegel aber in den letzten zehn Jahren massiv betrieben.

Ganz im Interesse seiner großen Anzeigenkunden aus der fossil/atomaren Energie- und Automobilwirtschaft hat er in vielen Titelgeschichten geradezu polemisch und mit Falschaussagen gegen die Erneuerbare Energien Stellung bezogen. Recht hat der Chefredakteur Klaus Brinkbäumer heute in der Main Post mit dem Zitat: „Lügner müssen Lügner genannt werden“. Nur gut wäre es, wenn sich der Spiegel selbst besser an Wahrheiten und nicht an Interessen halten würde. Mit seinem Kreuzzug gegen die Erneuerbaren Energien hat er über Jahre hinweg gegen die Erneuerbaren Energien als die wichtigste Lösung im Kampf gegen den Klimawandel polemisiert. Er hat damit einen großen Anteil am politisch organisierten Einbruch der Erfolgsgeschichte der Erneuerbare Energien in Deutschland und der EU.

Es begann mit der Titelgeschichte:

Windmühlenwahn. 

Vom Traum umweltfreundlicher Energie zur hochsubventionierten Landschaftsverschandelung. Spiegel 2004/14

Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie gefährlich dieser Artikel schon damals war. Wurde er doch vom Spiegel exakt zu dem Zeitpunkt gebracht, wo wir Grünen mit der SPD in der Endrunde der EEG-Novelle 2004 verhandelten. Oft hörte ich aus SPD Munde die vielfach falschen Argumente aus dieser Spiegeltitelstory. Es war der politischen Kraft von Hermann Scheer in der SPD zu verdanken, dass der Spiegel nicht schon damals den Ausbau der Windenergie massiv politisch drosseln konnte.

Auf dem Höhepunkt der Debatte um die von schwarz-gelb angestrebte Laufzeitverlängerung der Atomkraft setzte der Spiegel die Titelgeschichte:

Der teure Traum von der sauberen Energie 38/2010

Ohne Gnade wurden die Erneuerbaren Energien als für immer und ewig als unbezahlbarer Kostentreiber hingestellt. Von Innovationen und Kostensenkungskurven, wie sie sich schon abzeichneten und dann realisiert wurden, keine Spur. Damit hatte der Spiegel erheblichen Einfluss genommen, um die historische Fehlleistung der Laufzeitverlängerung von schwarz-gelb zu legitimieren.

Doch selbst nach Fukushima arbeitete der Spiegel unermüdlich daran, die Energiewende und wie immer die Erneuerbaren Energien schlecht zu reden. Bezeichnend die Titelstory:

Die Kernfrage. Wie Deutschland auch ohne Kernenergie funktioniert. 2011/14

Der Spiegel analysiert darin, ob denn der Atomausstieg funktionieren kann. Wie immer sieht er dafür nur große Probleme und Widerstände, keine Lösungen. So ist auch diese Geschichte vor allem als Plädoyer gegen die Erneuerbaren Energien gerichtet. Alle die bekannten Plattitüden, dass Ökostrom zu teuer sei, nicht verlässlich ist usw. finden sich hier wieder. Ja, die ganze deutsche Bürgerschaft sei angeblich gegen Windkraft, obwohl auch damals über 80 % der Deutschen den Ausbau der Erneuerbaren Energien unterstützen. Zumindest soll dieser Eindruck wohl erweckt werden, da „Die Bürger“ pauschal als Verhinderer der Windkraft mit viel Raum für die Argumente der Windkraftgegner dargestellt werden. Kein Wort zur den sehr starken Bürgerenergiebewegungen, die im Wesentlichen die Energiewende tragen.

Gezielt in den Bundestagswahlkampf wurde die Titelstory gesetzt:

Das Strom-Phantom 36/2013

Der planlose Ausbau von Solaranlagen und Windrädern gefährdet die Energiewende.

Hier finden sich neben den seit Jahren im Spiegel breit getretenen Falschbehauptungen und Kostengespenstern umfassende Forderungen nach Ausschreibungen statt EEG. Bekanntlich hatte die große Koalition dann mit den EEG-Novellen 2014 Ausschreibungen im PV-Sektor eingeführt, was zu einem massiven Einbruch führte und in der EEG-Novelle 2017 dann auch für die Windkraft, wo ebenfalls tiefe Einschnitte in der Windindustrie folgen werden.

Der Spiegel hat stets positive Analysen für Erneuerbare Energien in seinen Titelgeschichten ignoriert. Immer waren und sind für ihn die Erneuerbaren Energien zu teuer und würden bis 2050 extrem hohe Kosten verursachen (100 Mrd. nur durch die Solarenergie).

Doch dass die Erneuerbaren Energien immer weiter im Preis sinken und damit eines Tages billiger als konventionelle Energien werden hat den Spiegel nie in seinen großen politisch wirkenden Titelgeschichten interessiert. Heute aber sind PV und Wind bereits die billigste Art der Stromerzeugung, wenn man neue Investitionen miteinander vergleicht. Bloomberg meldet gerade, dass PV-Strom in den nächsten Jahren sogar billiger wird als heute existierende abgeschriebene Kohlekraftwerke.

Doch auf eine Titelgeschichte im Spiegel werden wir wohl noch lange warten:

Erneuerbare Energien unverzichtbar für Klimaschutz und leicht umsetzbar, weil billigste Energiequelle. 

Der Spiegel hat sich in den letzten Jahren als Zeitschrift erwiesen, die vor allem willfährigen Journalismus für die Interessen seiner großen Anzeigenkunden machte. Er stellte und stellt sich damit massiv gegen den notwendigen Wandel, einer Weltgemeinschaft, die immer tiefer in die Auswirkungen der Klimaveränderung hineindriftet. Ein verantwortungsvoller Journalismus für die Gesellschaft sieht wahrlich anders aus.

 

Berlin, den 04. Januar 2017

Ihr Hans-Josef Fell