Eindrücke von der Weltwindkonferenz in Shantou, China
Auf Einladung des Präsidenten der World Wind Energy Association (WWEA), Irfan Mirzan (Pakistan), und des Generalsekretärs Stefan Gsänger (Bonn), reiste ich letzte Woche nach China, um eine Rede auf der Weltwindenergiekonferenz (WWEC) zu halten.
Quelle: World Wind Energy Conference 2025 – „Official Conference Website“
Gastvorträge an zwei Universitäten in Zhuhai
Zwei Tage vor der WWEC hielt ich zwei Gastvorträge an zwei großen Universitäten (Sun Yat-Sen und Beijing University) auf ihren weitläufigen Campusgeländen in Zhuhai, direkt nördlich von Macao. Organisiert wurden diese Gastvorträge von Prof. Dr. Edmund Sheng, mit dem ich seit Jahren befreundet bin.
Die Vorträge hinterließen bei mir einen tiefen Eindruck. Hochinteressierte und wissbegierige Studierende hörten zusammen mit ihren Professoren zu und diskutierten engagiert mit. Beide Universitätsstandorte in Zhuhai sind relativ neu und sehr großzügig gebaut. Mich beeindruckte die schiere Größe der Campusgelände. Die Studenten fahren auf dem weitläufigen Gelände Fahrrad oder in offenen E-Bussen. Auf dem Campus gilt ein eigenes Verkehrssystem, das von einer universitätseigenen Polizei überwacht wird.
Shantou – die Stadt der Windindustrie Chinas
Austragungsort der WWEC war die Fünf-Millionen-Stadt Shantou an der Ostküste Chinas. Sie gilt als Zentrum der Windkraftindustrie in China.
Die große Tageszeitung China Daily berichtete über die Windkonferenz, was deren Bedeutung in China unterstreicht.
Quelle: China Daily – „Shantou strengthens offshore wind industry with new industrial park“
2024 wurde der Bau eines Industrieparks zur Herstellung von Offshore-Windenergieanlagen in Shantou abgeschlossen. Die Windkraftfirma Goldwind Sci & Tech Co. Ltd. nahm im November letzten Jahres ihre Produktion in Shantou auf. Die erste 22-MW-Offshore-Anlage lief bereits vom Band.
Im Rahmen der Konferenz wurden in Shantou zwei bedeutende Projekte ins Leben gerufen:
- eine umfassende Servicebasis für global agierende Unternehmen im Bereich der neuen Energien
- die World Wind Energy Academy
Ziel dieser Projekte ist es, die globale Zusammenarbeit in der Windenergiebranche und die Talentförderung weiter voranzutreiben. Für die neue World Wind Energy Academy habe ich zugesagt, als Beirat mitzuwirken.
Umfangreiches Konferenzprogramm und starke Teilnahme
Etwa 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer füllten die riesigen Hallen und Säle im erst vor einem Jahr fertiggestellten Convention Center in Shantou. Meine Plenarrede stellte ich unter das Thema globaler Herausforderungen – insbesondere des Klimawandels – und die Erneuerbaren Energien als zentralen Lösungsansatz.
Meine Rede wurde von Sven Tetzlaff aufgenommen. Er ist deutscher Solarpionier, der seit fast 20 Jahren in China lebt und in seinem Blog Umlauts regelmäßig sehr interessante Berichte aus China, vor allem für ein deutsches Publikum, veröffentlicht.
Quelle: Umlauts – „China-Blog von Sven Tetzlaff“
Nach mir sprach Priyantha Wijayatunga, Direktor für Energie bei der Asian Development Bank (ADB).
In Shantou gab ich auch ein Interview anlässlich der WWEC mit Sven Tetzlaff.
Quelle: Umlauts – „Interview zur Windenergiekonferenz in Shantou“
Leitfaden zur Bürgerbeteiligung bei Windenergieprojekten
Umfangreich diskutiert und verabschiedet wurde auch ein Leitfaden zur Bürgerbeteiligung bei Windenergieprojekten.
Quelle: WWEA – „International Guideline on Community Participation in Wind Projects“
Die sieben Grundprinzipien des Leitfadens:
- Transparenz und Offenlegung – Bereitstellung zugänglicher, zeitnaher und vollständiger Projektinformationen.
- Frühzeitige und kontinuierliche Einbindung der Bevölkerung.
- Inklusion und Schutz gefährdeter Gruppen – Gleichberechtigte Einbindung aller gesellschaftlichen Gruppen.
- Respekt vor lokalen Gegebenheiten – Anerkennung kultureller, sozialer und politischer Normen.
- Gerechte Aufteilung der Vorteile – Bereitstellung konkreter und gerechter Vorteile für die lokalen Gemeinschaften.
- Beschwerdemechanismus – Betrieb eines zuverlässigen und zugänglichen Systems zur Bearbeitung von Anliegen.
- Monitoring und Rechenschaftspflicht – Transparente Dokumentation und Berichterstattung der Ergebnisse der Einbindung.
Ziel dieses Leitfadens für Windkraftinvestoren ist es, eine hohe Akzeptanz der örtlichen Bevölkerung beim Bau von Windkraftanlagen zu schaffen. So können Proteste, die in einigen Teilen der Welt Bau und Genehmigung von Windkraftanlagen verzögern oder gar verhindern, schon im Vorfeld vermieden werden.
Beeindruckende Entwicklung der globalen Windenergie – dank China
Kurz vor der Konferenz wurde von WWEA der Halbjahresbericht 2025 zum Stand des Ausbaus der Windenergie vorgestellt.
Quelle: WWEA – „Wind Energy Half-Year Report 2025“
Die wichtigsten Ergebnisse:
- Globaler Zubau im ersten Halbjahr 2025: 72,2 GW (Vorjahr: 44,1 GW)
- Zuwachs Juli 2024 bis Juni 2025: 148 GW (Vorjahr: 125 GW)
- Gesamtinstallierte Kapazität Ende Juni 2025: 1.245 GW (1,25 TW) – jährliches Wachstum: 13,5 %
- Windenergie deckt mittlerweile rund 12 % des weltweiten Strombedarfs
Zum Vergleich: Der Anteil der Kernenergie an der globalen Stromerzeugung liegt bei 9 %.
Quelle: Statista – „Anteil der Kernenergie an der globalen Stromerzeugung“
In China wurden 51,4 GW (von global 72,2 GW) neu installiert, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Damit dominiert China nicht nur den globalen PV-Markt, sondern auch den der Windkraft. Für das Gesamtjahr 2025 erwartet die WWEA Neuinstallationen von rund 150 GW und eine Gesamtleistung von über 1.320 GW.
Besuch im neuen Windindustriepark Shantou
Nach der Windkonferenz wurden wir zur Besichtigung des neuen Offshore-Windindustrieparks in Shantou eingeladen. Nicht nur ich, sondern auch meine Windenergiefreunde aus Deutschland kamen aus dem Staunen kaum mehr heraus. Eine neue Windkraftakademie wird dort errichtet, Fertigstellung im Sommer 2026. Unter anderem enthält sie ein riesiges Tauchbecken, in dem Bauarbeiten oder Rettungseinsätze für Offshorewindparks geübt werden können, z. B. Tauchereinsätze für verunglückte Helikopter. Aber es wird auch Ausbildung geben für Wartung und Betrieb der Anlagen, sowie begleitende Wirtschaftszweige, wie Fisch- oder Algenfarmen im Offshorewindbereich.
Beeindruckend war der Besuch der Fabrik der Shanghai Electric Windpower Group, die allein 30 % des chinesischen Windkraftmarktes beliefert. Dort konnten wir die Produktionsstätte besichtigen, wo die Generatoren der Windtürme hergestellt werden. Ich staunte, denn in Deutschland werden als besonders moderne Windkraftanlagen gerade mal die ersten 7 MW Anlagen installiert. Auch betonte die Firma, dass sie bereits Zero-Carbon-Fabriken betreibt, also Fabriken, in denen die gesamte Herstellungsenergie zu 100 % aus Erneuerbaren Energien (PV, Wind, Wasserkraft, Bioenergie) kommt, die also weitgehend emissionsfrei sind. Da dachte ich mir, dass wohl die neue Richtlinie der EU ins Leere laufen wird, die chinesische Produkte aussperren will, die einen größeren Carbon Footprint haben als europäische Hersteller – nur: deutsche oder europäische Windkrafthersteller, deren Energieeinsatz zu 100 % aus Erneuerbaren Energien stammt, sind mir nicht bekannt!
EU und Deutschland sind nach Verlust der Solarindustrie auf dem schnellen Wege, nun auch die Windindustrie zu verlieren
Die nahezu unglaubliche industrielle Entwicklung Chinas bei Solar-, Batterie- oder E-Mobilindustrie ist beispiellos in der Welt und führte zur absoluten globalen Industrieführerschaft Chinas. Nun ist auch die chinesische Windindustrie auf dem besten Wege, eine ähnliche globale Dominanz zu erreichen.
Das macht mir große Sorgen um die europäische und deutsche Windindustrie. Noch haben wir starke Firmen in Europa wie Enercon, Vestas, Ørsted, Siemens und andere. Doch es ist zu befürchten, dass sie den Weg der deutschen Solarindustrie gehen werden, die wegen gravierender gesetzlicher Fehlentscheidungen unter dem CDU-Umweltminister Altmaier mit seiner damaligen Staatsekretärin und heutigen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche fast ganz aus Deutschland und der EU verschwunden ist.
Gravierende gesetzliche Fehler ließen den PV-Markt in Deutschland stark einbrechen und die deutschen Firmen konnten diesen Einbruch nicht überleben.
Ähnliches zeichnet sich auch in der Windindustrie ab: Schon 2018 schrumpfte der Onshore-Windmarkt in Deutschland von 5,5 GW in 2017 auf unter 1 GW. Die Umstellung auf Ausschreibungen, zusammen mit einem massiven Bürokratieaufbau und zunehmenden Genehmigungshürden waren das Ergebnis der Politik unter dem damaligen Wirtschaftsminister Gabriel (SPD). Bis heute hat sich der Windenergiemarkt nicht vollständig davon erholt, obwohl es dank der Gesetzesnovellen unter dem grünen Minister Robert Habeck eine sprunghafte Zunahme der Genehmigungen für neue Windkraftanlagen gibt.
Doch ob diese genehmigten Anlagen alle demnächst gebaut werden, ist höchst zweifelhaft. Neue Hürden werden von Politik und Netzbetreibern aufgebaut: Die Ankündigungen von Ministerin Reiche, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu bremsen, äußern sich bereits in großen neuen Hürden, insbesondere beim Netzzugang.
Netzbetreiber verweigern zunehmend den eigentlich gesetzlich im EEG garantierten und privilegierten Netzzugang. Allen voran der größte Verteilnetzbetreiber Deutschlands: E.On.
So hat gerade der E.On-CEO Birnbaum angekündigt, den Netzanschluss für neue Erneuerbare Energien weitgehend zu verweigern, indem er neuen Stromkundenanschlüssen den Vorrang vor einspeisenden Erneuerbaren Energien geben will. 60 % Ökostrom im Netz seien aus seiner Sicht doch schon genug Erfolg.
Quelle: Photon – „E.On-CEO Birnbaum will Solar- und Windkraftanlagen den Netzanschluss verweigern“
Was Birnbaum als ehemaliger Chef der jetzigen Ministerin Reiche im E.On-Konzern hier ankündigt, ist nicht nur für die Windkraft verheerend. Es würde wohl den Niedergang aller Hersteller von Erneuerbare-Energien-Anlagen bedeuten, so wie ab 2012 die PV-Industrie.
Gut ist, dass Johannes Lackmann, der ehemalige Präsident des BWE (Bundesverband Windenergie), in einem offenen Brief scharf die Äußerungen Birnbaums kritisierte.
Quelle: Erneuerbare Energien – „Energiewende in Gefahr: Lackmann zerlegt E.On-Chef Birnbaum“
Ansonsten habe ich wenig Widerspruch aus der Branche der Erneuerbaren Energien gegen diesen hochgefährlichen Angriff Birnbaums gegen den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland vernommen.
Hunderttausende Jobs der Branche der Erneuerbaren Energien stehen auf dem Spiel
Wie ernst die Lage ist, zeigte sich in der letzten Ausschreibung für die Offshore-Windenergie. Es wurde wegen der inakzeptabel hohen bürokratischen Auslagen und der niedrigen geforderten Einspeisevergütung kein einziges Angebot abgegeben.
Quelle: NDR – „Windparks auf See: Bundesverband fordert Reformen“
Statt nun eine deutliche Verbesserung der Ausschreibungsbedingungen zu erreichen, streicht nun die Politik das Ausschreibungsvolumen für das kommende Jahr drastisch von 6.000 auf 2.500 Megawatt zusammen.
Statt eine Marktausweitung anzustreben, schrumpft der Offshore-Windmarkt politisch verordnet. Wie eine solche Entwicklung die europäische Offshore-Windindustrie angesichts der chinesischen Windkraft-Offensive überleben will, ist mir schleierhaft, da sie ja auch in den USA durch die Anti-Erneuerbare-Energien-Politik Trumps schon massive Einbrüche erleben muss.
Es scheint, dass die CDU jetzt unter Kanzler Merz nicht nur die deutsche Automobilbranche mit dem Festhalten am Verbrennungsmotor gefährdet, sondern auch die noch gut aufgestellte europäische Windindustrie.
Eine gute Wirtschaftspolitik ist dies schon gar nicht – im Gegenteil: Die kommenden Industrien werden saubere emissionsfreie sein, doch Deutschland wird daran immer weniger teilhaben. Es ist zu befürchten, dass so eine Rutschbahn in den industriellen Niedergang insgesamt eröffnet wird.
Statt der Bremsen von Merz, Klingbeil, Reiche oder Birnbaum braucht Deutschland eine starke Beschleunigung des Ausbaus aller Erneuerbaren Energien, um auch industriell in den kommenden Jahren nicht Federn zu lassen. Und das ist ja allein schon notwendig aus Gründen des Klimaschutzes, der Energieversorgungssicherheit und zum Schaffen billigerer Strompreise.
