Weltgrößtes Projekt für kleine und mittlere Atomreaktoren abgesagt

Seit vielen Jahren redet die Atomwirtschaft und mit ihr verbandelte Politiker und Medien von der großen Renaissance der Atomenergie. Nur die „dummen Deutschen“ würden aussteigen und der Rest der Welt würdeChoos weiterhin auf Atomenergie setzen. Besonders begeistert ist die Atomindustrie von einer neuen Serie von Atomreaktoren, den sogenannten kleinen und mittleren Reaktoren (englisch: Small Modular Reactors, SMR), die angeblich besonders kostengünstig und schnell zu errichten sein sollen.

Söder will die Rückkehr zur Atomenergie

Der bayrische Ministerpräsident Söder hat im August dieses Jahres sogar die Rückkehr zur Atomkraft gefordert und uns alle wegen des Atomausstiegs als „energiepolitische Geisterfahrer“ bezeichnet.

Auch CDU-Vorsitzender Merz und FDP-Vorsitzender Lindner reden unentwegt von der Notwendigkeit und Rückkehr zur Atomenergie.

Tatsächlich beschließen viele Länder, vor allem in Osteuropa, neue Pläne für den Ausbau der Atomenergie, darunter Polen, Tschechien, die Slowakei, Bulgarien, die Ukraine und einige andere. Diese Pläne sind jedoch seit Jahren oder sogar Jahrzehnten faktisch erfolglos. Bislang sind dort trotz früherer Beschlüsse zum Ausbau der Atomenergie noch keine neuen Reaktoren gebaut worden.

Alle diese Länder setzen dabei auch auf eine neue Generation von kleinen und mittleren Atomreaktoren (SMR). Diese sollen angeblich besonders schnell und kostengünstig errichtet werden können. Immer wieder verweisen sie vor allem auf die Firma NuScale in den USA, die diese SMRs entwickelt und den Bau angeblich zügig vorantreibt. NuScale ist bisher die einzige Firma, die eine US-Designlizenz für ihre Reaktoren erhalten hat.

So plant beispielsweise Tschechien an der bayrischen Grenze den Bau solcher SMRs, was bei der angrenzenden bayerischen Bevölkerung für Entsetzen sorgt.

Unabhängige Wissenschaft zeigt die Unwirtschaftlichkeit der Atomkraft

Seit geraumer Zeit belegen seriöse wissenschaftliche Untersuchungen, dass gerade SMR noch nicht ausreichend entwickelt sind, übermäßig hohe Kosten verursachen und im besten Fall mit sehr langen Bauzeiten verbunden wären. Das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) präsentierte erst in diesem Jahr eine umfangreiche Analyse, die diese Erkenntnisse untermauert.

Doch diese wissenschaftlich klaren Belege werden von Union, FDP und AFD in den Wind geschlagen und von vielen Medien einfach ignoriert.

Kostenexplosion führte zur Absage des weltgrößten SMR-Projektes

Dabei entpuppt sich Markus Söder jetzt als energiepolitischer Geisterfahrer. In den USA wurde das größte Projekt für SMR abgesagt, was der Beginn des Platzens der Seifenblase der kleinen und mittleren Atomreaktoren in der Welt sein dürfte.

NuScale hatte im Rahmen eines hochgelobten Vorschlags den Bau von sechs solchen 77- Megawatt-Reaktoren in Utah, USA, geplant.

Der Vertrag wurde jedoch gekündigt, da die vorgesehenen Kunden – hauptsächlich kommunale Energieversorger – sich weigerten, den hohen Strompreis aus dieser Kernenergieanlage zu zahlen. Dieser wurde Anfang des Jahres um 53 Prozent auf 89 US-Dollar pro Megawattstunde erhöht, trotz einer Subvention von 30 US-Dollar/MWh durch die US-Regierung. Zum Vergleich: Solarstrom ist in dieser sonnenreichen Gegend für unter 30 US-Dollar/MWh erhältlich.

Dies entspricht Kapitalkosten von 20.000 US-Dollar/kW, was 70 Prozent höher ist als die von CSIRO für die australische Regierung im Jahr 2030 prognostizierten Kosten von 18.167 US-Dollar/kW. Mitglieder der atomfreundlichen australischen Regierung hatten CSIRO oft vorgeworfen, die Kosten übertrieben darzustellen. Nun stellt sich heraus, dass selbst die Angaben von CSIRO viel zu niedrig waren.

Das US-Energieministerium hatte stark auf die Technologie von NuScale gesetzt und seit 2014 600 Millionen US-Dollar bereitgestellt. Für das Utah-Projekt wurden weitere 1,35 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 angekündigt, von denen laut Bloomberg bereits 232 Millionen US-Dollar gezahlt wurden.

Insgesamt also eine ungeheure Steuerverschwendung und ein Beweis dafür, dass Atomprojekte niemals ohne massive staatliche Unterstützung auskommen, da rein private Atominvestoren keine Rentabilität erreichen können.

Die New York Times berichtete, dass die Entscheidung, das Projekt abzubrechen, auf einem Kostenupdate von NuScale in diesem Jahr für den Bau der Reaktoren basierte. Die Kosten sind von 5,3 Milliarden US-Dollar auf 9,3 Milliarden US-Dollar gestiegen, und das nur für eine Kapazität von 462 MW.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die anderen SMR-Reaktorfirmen scheitern werden. Selbst das von Bill Gates gegründete Unternehmen Terrapower hat bisher nichts Substanzielles geliefert, abgesehen von großspurigen Ankündigungen, genau wie NuScale. Letzteres hatte geplant, bereits 2023 in Utah mit dem Bau zu beginnen. 2026 sollte der erste Reaktor in Betrieb gehen und 2027 weitere 11 – nun ist alles abgesagt.

Die deutsche atomfreundliche Presse schweigt

Nun sind alle Ankündigungen von NuScale in Utah abgesagt und Milliarden privates wie öffentliches Kapital in den Sand gesetzt. Ein Desaster für die Firma, die als größter Hoffnungsträger in der Atomindustrie gilt. Die Aktienkurse sind in den Keller gerauscht und die Frage des Überlebens wird bald gestellt werden müssen.

Aber merkwürdig ist schon: Über vollmundige Ankündigungen der Atomindustrie wie von NuScale wird auch in der deutschen Presse viel berichtet. Über das klägliche Scheitern des Flaggschiffs NuScale in Utah habe ich in der deutschen atomfreundlichen Presse bisher nichts gefunden.

Sollen etwa die Atombefürworter Söder, Merz und Lindner vor eine Blamage geschützt werden?

Soll denn eine Debatte unterdrückt werden, die darauf abzielt, die wirklichen „energiepolitischen Geisterfahrer“ zu benennen, wie es Söder den Grünen und der SPD vorwirft? Möglicherweise versuchen viele Journalisten auch, sich selbst vor einer Blamage zu schützen, da viele von ihnen einfach die euphorischen Ankündigungen von Unternehmen wie NuScale ungeprüft abgedruckt haben, ohne sie kritisch zu hinterfragen oder beispielsweise wissenschaftliche Analysen des DIW heranzuziehen.

Es wird Zeit, dass die Energiedebatte endlich auch in Deutschland wieder faktenorientiert geführt wird und die Atomenergie als das bezeichnet wird, was die Fakten wirklich zeigen: Zu teuer, zu unsicher, mit viel zu langen Bauzeiten und als potentieller Lieferant für Atombombenmaterial.