Uran für die Atomenergie wird immer knapper
Uran für die Atomenergie wird immer knapper
Liebe Leser*innen,
Im Jahr 2006 veröffentlichte die Energy Watch Group (EWG) eine Studie über die künftige globale Uranförderung, erstellt von Jörg Schindler und Werner Zittel.
Vielfach gab und gibt es vor allem in der Atom-Community bis heute die Meinung, dass Uran immer genügend gefördert werden könnte, egal wie viele Atomreaktoren zugebaut und damit Uran in den Brennelementen verbraucht würden. Man würde schon „irgendwo“ neues finden und aus den Urangruben holen, wenn man nur wolle, so die oft gehörte Meinung aus der Atomwirtschaft.
Auf Seite 5 der oben genannten EWG-Studie findet sich eine Grafik über die zukünftige Uranförderung, die aus einer umfassenden Untersuchung über Urangruben und noch nicht erschlossene Uranlagerstätten hinweg eine Aussage wagte, wie sich die künftige Uranförderung auf der Erde entwickeln könnte.
Die Studienergebnisse wurden häufig von anderen Instituten bestritten und wie so oft als nicht zutreffend gebrandmarkt, denn sie zeigten eine Verknappung der Uranförderung etwa ab 2020.
So sagte die EWG für 2020 das Maximum der jährlichen Uranförderung auf etwa 55 Kilotonnen (kt) vorher, sofern die Urankosten auf niedrigem Niveau von 40 US-Dollar/kg bleiben würden. Nach diesem Höhepunkt würde ein steiler Rückgang der Förderung zu erwarten sein. Falls der Preis auf 130 US-Dollar pro kg steige, würde mit einem Fördermaximum um 2025 auf einem Niveau von 70 kt jährlicher Förderung zu rechnen sein und danach steil zurückgehen. Aktuell liegt der Uranpreis bei 56 US-Dollar pro kg.
Wie nun dem neuesten Uranatlas auf Seite 12 zu entnehmen ist, folgt die Uranförderung ungefähr den Analysen der EWG von 2006. Im Jahr 2015 war der bisherige globale Förderhöhepunkt mit 70 kt überschritten. Seitdem ist die globale Uranförderung erheblich gesunken, auf unter 50 kt im Jahre 2020. Also deutlich früher und schneller, als selbst die EWG-Studie es prognostizierte.
Diese Entwicklung sollte die Energiepolitiker*innen der Welt sensibilisieren.
Atomkraft erzeugt im Vergleich zu Erneuerbaren Energien Strom nicht nur wesentlich teurer. Auch der Bau eines Atomreaktors dauert meist einige Jahrzehnte länger und die Baukosten liegen oft über dem Dreifachen als geplant. Zudem sind die Sicherheitsfragen und das Problem der Atommüllentsorgung noch immer nicht gelöst und der militärische Missbrauch des Atommaterials friedlicher Atomnutzung für Atomwaffen ist weiterhin üblich.
Dennoch planen Regierungen in Osteuropa und anderen Ländern heute Atomreaktoren, die frühestens in ein bis zwei Jahrzehnten in Betrieb gehen können. Blind wird ohne tiefergehende Analyse darauf vertraut, dass die Urangruben auch dann noch für weitere 50 Jahre billiges Uran fördern würden.
Doch der deutliche und für viele unerwartete Rückgang der globalen Uranförderung seit etwa 2015 spricht eine andere Sprache. Es ist eher zu erwarten, dass auch bei gestiegenen Preisen das Uran in 20 Jahren nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird, um alle Atomreaktoren der Welt betreiben zu können.
Eine zweite Periode wie von 1995 bis 2005, wo erfolgreiche nukleare Abrüstungsbeschlüsse eine Vernichtung von Waffenuran in Atomreaktoren bewirkten und damit die Förderung von Uran aus Bergwerken teilweise überflüssig machte, ist heute nicht mehr in Sicht. Nach Ende dieser Waffenuranvernichtung 2005 stieg daher die Uranförderung wieder steil an.
Dieser Wiederanstieg der globalen Förderung gelang aber nicht, indem traditionelle Fördergruben in USA, Russland, Deutschland (DDR), Südafrika, Tschechien wieder eine höhere Uranförderung lieferten, sondern fast nur mit dem Erschließen neuer Fördergruben und das insbesondere in Kasachstan, sowie etwas in Australien und Kanada. Auch dies wird in Zukunft kaum mehr möglich sein, weil Regionen mit großen unerschlossenen Uranlagerstätten, so wie in Kasachstan vor 20 Jahren, heute in der Welt nicht mehr bekannt sind.
Viele der Ankündigungsprojekte zum Ausbau der Atomreaktoren in der Welt können höchstwahrscheinlich selbst nach fertigem Bau nicht in Betrieb gehen, weil sie schlicht kein Uran mehr haben werden oder die dann sehr hohen Uranpreise den Betrieb von Atomreaktoren gegenüber Erneuerbaren Energien noch tiefer in die Unwirtschaftlichkeit treiben.
Allerdings kann natürlich auch ein Stillstand oder gar ein Abschalten bestehender Atomreaktoren den Uranbedarf verringern. Genau das findet im Moment statt.
Alle Behauptungen aus der Atom-Fangemeinde, dass die Atomkraft eine verlässliche Energiequelle sei, wird gerade im Atomland Nr. 1 in Frankreich widerlegt. Wegen Rost und Rissen in Rohrleitungen und anderen Ursachen stehen aktuell in Frankreich 29 von 56 Atomkraftwerken still.
Die Versorgungssicherheit für Strom ist in Frankreich daher ernsthaft gefährdet. So liegen in Frankreich die Stromgroßhandelspreise trotz einer staatlich verordneten Strompreisobergrenze aktuell bei 240 Euro pro MWh. Für 2023 werden gar Preise über 500 Euro gehandelt.
Zum Vergleich: Der Börsenstrompreis in Deutschland am EPEX-Spotmarkt lag im April 2022 bei 165 Euro/MWh.
Die deutschen Börsenstrompreise würden sicherlich noch niedriger liegen, wenn nicht der teure und knappe französische Atomstrom über den internationalen Stromhandel die Strompreise auch in Deutschland nach oben treiben würde.
Es zeigt sich erneut, dass die Mär vom billigen und versorgungssicheren Atomstrom eben nur eine Mär ist. In wenigen Jahren ist eh zu befürchten, dass die weitere Verknappung der Uranförderung zusätzlich die Atomstrompreise nach oben treiben könnte. Die Analyse der EWG aus dem Jahre 2006 scheint mit den bisherigen Realitäten gut zu liegen, um die tatsächliche Verfügbarkeit von Uran auch in den kommenden Jahren zu beschreiben.
Damit ist klar: Jeder Neubau von Atomkraftanlagen baut auf das Luftschloss der endlosen Verfügbarkeit von Uran und der Betrieb von bestehenden Reaktoren ist höchst unsicher, wie das aktuelle Bespiel Frankreich lehrt.
Es gibt keinen anderen Weg als den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien, um eine sichere und kostengünstige Stromversorgung in Zukunft zu haben. Das Setzen auf Atomstrom ist der Irrweg, der in der Antiatombewegung schon vor Jahrzehnten längst erkannt wurde und der heute immer offensichtlicher wird.
Hammelburg, 30. Mai 2022,
Ihr Hans-Josef Fell