Es braucht ein Erneuerbare Energien Notgesetz (EEN) zur Bekämpfung der Energiekrise

Es braucht ein Erneuerbare Energien Notgesetz (EEN) zur Bekämpfung der Energiekrise

 

Liebe Leserinnen und Leser,

Schon seit Mitte 2021 sind die fossilen und atomaren Energiepreise weltweit und damit auch bei uns in Deutschland stark gestiegen. Die Ursachen sind vielfältig: Verknappungen durch Förderrückgang, Spekulationen, Terrorattacken auf Infrastrukturen u.v.a.m.  Seit dem Kriegsangriff Russlands auf die Ukraine sind die fossilen Energiepreise noch einmal regelrecht explodiert. Sie weiten sich zu einer existenziellen Wirtschafts- und Sozialkrise aus. So ist Heizöl auf 1,40 Euro pro Liter gestiegen, erste Zapfsäulen zeigen einen Benzinpreis über 2 Euro; die Kohlepreise sind auf Rekordniveau, Erdgas und Uranpreise sind sehr hoch; gleichzeitig sind die Erzeugungspreise für Erneuerbare Energien deutlich gesunken.

Um den russischen Krieg nicht noch weiter zu finanzieren, müssen die russischen Energielieferungen boykottiert werden. Selbst die BILD Zeitung schreibt:

„TROTZ SANKTIONEN! Wir zahlen Putin jeden Tag 200 Millionen Euro. Wladimir Putin (69) führt Krieg in der Ukraine – und Europa finanziert das Metzeln und Morden mit!“

Nun ist das eine späte Erkenntnis der BILD Zeitung, denn in der Vergangenheit hat sie nie angeprangert, dass die Abhängigkeit der EU von russischen Energielieferungen eben auch die massive militärische Aufrüstung Russlands finanziert. Meist hat BILD gegen Erneuerbare Energien als angeblichen Preistreiber gewettert, statt deren Ausbau zu unterstützen. Gerade die BILD Zeitung hat damit über lange Jahre dazu beigetragen, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu behindern, was uns immer tiefer in die russische Energieabhängigkeit getrieben hat.

Einen Boykott der russischen Energielieferungen zur Reduzierung der russischen Kriegsfinanzierung hat in Europa noch niemand auf Regierungsebene gefordert. Denn es wird zurecht befürchtet, dass dann die Energiepreise weiter explodieren. Allerdings ist das keine tragfähige Politik: einerseits, da russische Energie massiv das Klima schädigt und weiter die Kriegsfinanzierung Russlands unterstützt wird, andererseits kann Russland selbst in der Eskalation des Krieges eine Schließung der Öl- und Gaspipelines als Waffe einsetzen.

Nun werden viele Menschen hektisch und suchen wirksame Lösungen im alten fossilen, atomaren Energiesystem, wo es keine gibt. Selbst in den USA ist eine ernsthafte Diskussion entstanden, die Lieferungen von russischer Energie in die USA zu stoppen: Insbesondere die Brennelemente aus Russland für US Atomkraftwerke und auch die russischen Erdölimporte, die sich alleine 2021 gegenüber 2021 verdreifacht hatten. Sogar US-amerikanische Energieversorger haben nun bei der Regierung interveniert, keine Sanktionen auf russische Brennelemente zu erlassen. Diese Debatte zeigt auf, dass die USA nicht die großen Forderungen von deutschen Politikern nach mehr US-Energielieferungen wird erfüllen können. Die USA wird damit beschäftigt sein, die auch in den USA schon stark gestiegenen Erdgas- und Erdölpreise im Zaum zu halten. Mit einer Erhöhung des US-Exportvolumens werden diese aber weiter nach oben getrieben, weil dann die Knappheiten an fossil/atomarer Energie in den USA schnell zunehmen. Auch andere Länder können nicht einspringen, so ringt die OPEC seit Monaten um eine Erhöhung der Förderquoten, schafft dies aber nicht nennenswert.

Es bleibt nur der Ausweg, mehr Energie in Deutschland und der EU selbst zu produzieren. Eine Steigerung der Kohlenutzung verbietet sich aus Klimaschutzgründen. Eine nennenswerte Erhöhung der EU-Erdgas- und Erdölförderung ist mangels Verfügbarkeit ausgeschlossen, und eine Laufzeitverlängerung oder gar der Neubau von Atomkraft ist ohne russische Technologie nicht möglich und aus Gefahrengründen nicht verantwortbar. Auch der höchst klimaschädliche Neubau von zwei LNG Terminals wird in diesem und nächstem Jahr nicht helfen. Alle diskutierten Maßnahmen aus dem fossil/atomaren Sektor können höchstens Kosmetik sein, sie können nicht dazu beitragen, die fossilen und atomaren Energiepreise zu senken oder gar russische Energielieferungen nennenswert zu ersetzen.

 

Wirksam ist also nur ein schneller Ausbau der Erneuerbaren Energien begleitet von Energieeinsparung.

Energieeinsparung findet schon jetzt auf Grund der hohen Erdöl-, Erdgas- und Strompreise statt. Viele Autofahrer können sich kaum mehr eine ganze Tankfüllung leisten, geschweige denn eine Heizöltankfüllung. Ihnen bleibt zunächst nur das Sparen.

Im Vorteil sind die Nutzer*innen von Erneuerbaren Energien, bei Strom, Wärme und E-Autos. Sie profitieren jetzt davon, dass sie keine Energierohstoffe einkaufen müssen, Ausnahme Biomasse. Sie müssen keinen Komfortverzicht eingehen, wie die Nutzer*innen von Erdöl und Erdgas, weil sie keine Energiepreissteigerungen erleben.

Dies wird in der Gesellschaft immer deutlicher werden und die Bereitschaft in Erneuerbare Energien zu investieren, privat, mit Energiegemeinschaften, in Betrieben wird rasant zunehmen, je höher die fossilen Preise steigen.

Um diese zunehmende Bereitschaft auch zu einem massiven Aufschwung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien zu führen, sollte die Bundesregierung jetzt schnell ein Erneuerbare Energien Notgesetz (EEN) erlassen, in welchem alle Bremsen des Ausbaus gelöst werden, die von den Regierungen Merkel aufgebaut wurden. Diese Wirkungen dürfen nicht erst in 2023 greifen, sondern müssen sofort im Sommer 2022 wirken, damit der Winter 2022/23 nicht zum Energiedesaster wird.

Ein offensiv ausgestaltetes EEN bildet die Grundlage für Unabhängig von russischen Energielieferungen, Klimaschutz und bezahlbare Energieversorgung.

Die jetzt im Referentenentwurf vorgelegte EEG Novelle 2022 reicht hier bei weitem nicht aus.  Alle positiven, den Ausbau der Erneuerbare Energien befördernden Maßnahmen werden erst im kommenden Jahr 2023 greifen, da das Notifizierungsverfahren der EU-Kommission erfahrungsgemäß so lange dauert. Dies ist zur Bekämpfung des Energienotstandes nicht akzeptabel.

 

Wesentliche Elemente innerhalb und außerhalb der EEG Reform 2022 für ein Erneuerbare Energien Notgesetz (EEN) müssen sein:

  • Schaffung einer EEG Umlage II für alle neugebauten EEG Anlagen: Da der fundamentale Fehler der steuerfinanzierten EEG Novelle bis hin zur Abschaffung der EEG Umlage zur Notifizierungspflicht bei der EU Kommission führt, kann die EEG Reform 2022 voraussichtlich frühestens erst Ende des Jahres in Kraft treten. Ein ganzes entscheidendes Jahr wäre vertan, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Der Ausweg ist: Die Vergütung für alle neu gebauten EEG-Anlagen in eine EEG Umlage II zu packen, die nicht steuerfinanziert ist.
  • Abschaffung aller Ausbaudeckel für Erneuerbare Energien: In allen Ausschreibungen dürfen keine oberen Ausbauvolumina festgelegt werden. Es ist widersinnig, in einer Energiekrise den Ausbau zu beschränken. Idealerweise wird die bewährte feste gesetzliche Einspeisevergütung, die bis 2012 für exponentielle Wachstumsgeschwindigkeit gesorgt hatte, wieder für alle eingeführt.
  • Sofortgenehmigung aller EE-Anlagen, die im Genehmigungsstau stecken
  • Abschaffung per Bundesgesetz aller länderspezifischen Behinderungsregelungen, z.B:
    • in der Windkraft 10H Regel Bayern, 1000 Meter Abstand in NRW u.a.
    • Abschaffung aller restriktiven Flächenkulissen bei PV Freiflächenanlagen
    • Zulassung von PV Anlagen im denkmalgeschützen Bereich
    • Sofortige Beendigung der Abrissverfügungen von Wasserkraftanlagen, sowie Förderung von Leistungserhöhung und Neubau von Wasserkraft
    • Schnelle Genehmigungen für Nahwärmesysteme auf der Basis von Bioenergien, Geothermie und Solarenergie
  • Einführung einer Kombikraftwerksvergütung, die Investitionen vor Ort mit verlässlicher Stromerzeugung und bedarfsgerechter Einspeisung fördert.
  • Anweisung an die Energieversorger, jede Schikane gegen den Anschluss von Erneuerbare Energien an das Stromnetz zu unterlassen und stattdessen die Anträge vorrangig und schnell zu bearbeiten und zu bewilligen.
  • Politische und gesellschaftliche Appelle an alle Richter*innen mit Klageverfahren zu Erneuerbaren Energien, die Kriegsfinanzierung Russlands, den Energienotstand, sowie den verfassungsrechtlich gebotenen Klimaschutz in die Abwägung der Gerichtsbeurteilung beim Anlagenbau von Erneuerbare Energien zu nehmen.
  • Schnelle Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für Kriegsflüchtlinge aus Ukraine und anderen Ländern zur Anstellung als Facharbeiter, Ingenieure, Hilfskräfte in den Betrieben, die Erneuerbare Energien, Altbausanierungen, Mobilitätsdienstleistungen u.ä. anbieten.

 

Diese vorgeschlagenen Maßnahmen sind nur ein erster Rahmen, der aber unverzichtbar ist. Weitere Bremsen gegen den Ausbau der Erneuerbare Energien müssen abgeschafft werden.

 

Hammelburg, 7. März 2022,

Ihr Hans-Josef Fell