Kreislaufwirtschaft für Erneuerbare Energien auf der IRENA Vollversammlung

Liebe Leserinnen und Leser,

Kreislaufwirtschaft für Erneuerbare Energien auf der IRENA Vollversammlung

Am letzten Wochenende fand die 12. Vollversammlung der International Renewable Energy Agency IRENA statt. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Konferenz inklusive aller Side Events, auch die der IRENA Coalition for Action, deren Mitglied die Energy Watch Group (EWG) ist, in den virtuellen Raum verlagert.

IRENA Generaldirektor La Camera stellte in seinem Bericht das erfolgreiche Wachstum der Mitglieder und der Erneuerbare Energien insgesamt dar. Sein Bericht ist im Liveblog zu nachzuhören.

Im Jahr 2021 ist Mitgliederzahl auf nun 167 gewachsen. Damit nähert sich diese Zahl immer stärker der Anzahl der UN-Mitgliedsstaaten von 193. Ein riesiger Erfolg, den noch vor 15 Jahren, als Hermann Scheer, ich selbst und andere für die Gründung der IRENA kämpften, kaum jemand für möglich gehalten hatte.

Viele Berichte wurden inzwischen von der IRENA als Regierungsorganisation für Erneuerbare Energien erarbeitet und den Mitgliedsländern sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. La Camera stellte beispielsweise die neuste Arbeitsplatzanalyse vor. Danach beschäftigte die Branche der Erneuerbare Energien weltweit im Jahre 2020 über 12 Millionen Menschen. Mit fast 4 Millionen waren die meisten in der Photovoltaikbranche beschäftigt. Zum Vergleich: Die elf größten Öl- und Gaskonzerne der Welt beschäftigten 2020 nur insgesamt 1,8 Millionen Menschen. Da zeigt sich, dass die Branche der Erneuerbare Energien wesentlich mehr Jobs schafft und damit besser für Einkommen von vielen Millionen Menschen sorgt als die fossile Energiewirtschaft, obwohl letztere immer noch um die 80% der Weltenergieversorgung abdeckt. Die Erdöl- und Erdgaseinnahmen gehen dagegen meist in die Hände von wenigen Eliten, die oft einen obszönen Reichtum anhäufen, wie das saudische Königshaus oder der russische Präsident Putin. Die Umstellung auf Erneuerbare Energien schafft allein über die zig Millionen neue Jobs, nachhaltige Armutsbekämpfung und eine gerechtere Vermögensverteilung.

Die Coalition for Action – das wesentliche, regierungsunabhängige Beratungsorgan für die IRENA – hielt am letzten Donnerstag seine traditionelle Veranstaltung im Public Private Dialogue. Diese stand in diesem Jahr unter der wichtigen Thematik „Erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft“. Intensiv wurde diskutiert, wie auch in der Branche der Erneuerbaren Energien eine Kreislaufwirtschaft für alle verwendeten Materialien geschaffen werden kann. Sehen Sie das Video hier.

Zwar sind die Technologien der Solarenergie und Windenergie sehr langlebige Produkte, weshalb es heute noch keinen großen Bedarf z.B. für Recyclingverfahren gibt. Dennoch bereitet sich die Branche intensiv auf Recyclingverfahren vor, insbesondere für PV Module oder Windkraftflügel. Ziel der Branche ist es, eine vollkommene Kreislaufwirtschaft zu etablieren.

In meinem Redebeitrag (ab 2: 42: 45 im obigen Video) hob ich die wichtigsten Grundprinzipien und politischen Ziele für eine Kreislaufwirtschaft hervor:

Eine echte Kreislaufwirtschaft muss emissionsfrei, giftfrei und abfallfrei sein. Dies wird erreicht durch:

  • einen sparsamen und effizienten Einsatz aller verwendeten Materialien
  • Wiederverwendung und Recycling aller eingesetzten Materialien
  • Substitution von seltenen Erden und toxischen Materialien durch häufig verfügbare und giftfreie Materialien (z.B. kobaltfreie Batterien)
  • eine gute Politik für Bergbau, Industrieproduktion und Gütertransport, die soziale und ökologische Auflagen schafft (z.B. keine Kinderarbeit)
  • die Marktintegration der immens vielen Lösungsansätze aus der Forschung für eine echte Kreislaufwirtschaft.

Als Beispiel stellte ich die Stahlbetonwirtschaft heraus, die erheblich zu den CO2 Emissionen der Welt beträgt, auch bei Windkrafttürmen, Dämmen der Wasserkraft oder Bauten für Biogas. Hier sollte ein Wechsel von der Stahlbewehrung hin zu Textilien als Bewehrung im Beton kommen. Dies reduziert erheblich den emissionsintensiven Betonanteil und ersetzt den Stahl völlig. Die Textilien können aus nachwachsenden Rohstoffen kommen, wie Faserpflanzen, Ölpflanzen, Algen und so sogar den Beton insgesamt zu einer Kohlenstoffsenke machen, wenn die Pflanzen ökologisch angebaut werden. Sogar Textilien aus entsprechend aufbereitetem Vulkangestein sind machbar.

Es gibt eine Fülle von hervorragenden Forschungsergebnissen, die bisher nur zu einem geringen Teil in der Industrie, auch bei Erneuerbare Energien verwirklicht sind. Sobald dies aber in großem Stile umgesetzt ist und die Branche auch bei Materialien eine echte Kreislaufwirtschaft verwirklicht hat, gibt es keine Debatte mehr über den ökologischen Rucksack von Windrädern, Solaranlagen oder Batterien. Genau dahin muss sich auch die Branche der Erneuerbare Energien entwickeln, ebenso wie die gesamte Weltwirtschaft.

 

Hammelburg, 19. Januar. 2022,

Ihr Hans-Josef Fell