Eine Senkung der EEG-Umlage wird anders als es Union und Grüne behaupten, die hohen Haushaltsstrompreise in Deutschland nicht senken

Liebe Leserinnen und Leser,

Eine Senkung der EEG-Umlage wird anders als es Union und Grüne behaupten, die hohen Haushaltsstrompreise in Deutschland nicht senken 

Lesen Sie dazu meinen Kommentar und einen Gastbeitrag von Dr. Norbert Allnoch

Seit über einem Jahrzehnt wird versucht den Erneuerbaren Energien in Deutschland den schwarzen Peter für die hohen Haushaltsstrompreise in die Schuhe zu schieben. Nichts davon ist wahr. Immer mehr springen dennoch auf den vermeintlich sinnvollen, aber falschen Zug auf, eine Senkung der Strompreise über eine Senkung der EEG-Umlage zu fordern. Erstmals hatte dies im Oktober 2019 der Vorstand der CDU gefordert

Die Nähe der CDU zu den Großkonzernen der fossilen und atomaren Energieversorgung ist bekannt, daher ist deren Beschluss zwar nicht weiter überraschend aber umso mehr gefährlich.

Nun hat aber auch der Länderrat von Bündnis 90/Die Grünen einen ähnlichen Beschluss nach Vorlage des grünen Bundesvorstandes gefasst. Ausdrücklich hatte ich davor gewarnt, aber auch der Änderungsantrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Energie wurde von den Länderratsdelegierten verworfen.

Dass die Union die Senkung oder Abschaffung der EEG-Umlage fordert, hat Methode, denn seit Jahren arbeitet sie am Niedergang der Erneuerbare Energien-Investitionen, mit immer größerem „Erfolg“. Bündnis 90/Die Grünen wollen dies nicht, wie alle ihre Beschlüsse glaubhaft belegen. Warum aber Bündnis 90/Die Grünen nun dennoch mit der Forderung der Senkung der EEG-Umlage das Fundament des Ausbaus der Erneuerbaren Energien aufs Spiel setzen, kann nur mit mangelnder Analyse zu den tieferen Details begründet werden. 

Denn auch im grünen Bundesvorstand herrscht offensichtlich wie in der Union die irrige Meinung vor, mit einer Senkung der EEG-Umlage könnte der Strompreis gesenkt werden. Der Grüne Bundesvorstand folgt damit wie so oft den Vorschlägen der Agora Energiewende, die im letzten Jahrzehnt schon viele Detailvorschläge zur EEG-Novelle machte, die letztendlich zum Niedergang des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und insbesondere der Bürgerenergien in Deutschland führten. Bezeichnend für die irreführenden wissenschaftlichen Analysen der Agora Energiewende war deren Analyse zur Umstellung auf Ausschreibungen im Jahre 2014, wo sie nicht erkannt und daher nicht gewarnt hatte, welch verheerende Auswirkungen die Umstellung auf Ausschreibungen bringen wird, so wie wir sie heute im Niedergang der Neuinvestitionen bei der Windkraft, der PV und Biogas aber tatsächlich sehen.

Dass die Senkung der EEG-Umlage nicht die erhoffte Wirkung auf die Haushaltsstrompreise bringen wird, hat der exzellente Analyst Dr. Norbert Allnoch, Direktor des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR), in einem Gastbeitrag zum Erfolg des EEG hervorragend auf den Punkt gebracht. Lesen Sie im Folgenden seinen Gastbeitrag zu 20 Jahre EEG (siehe auch Veröffentlichung IWR).

Hammelburg, 13. Mai 2020

Ihr Hans-Josef Fell

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20 Jahre EEG und Erneuerbare Energien – wie in Deutschland alles begann

Gastkommentar von Dr. Norbert Allnoch

Münster – Seit 20 Jahren ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft. Es regelt die Vergütung für den in die Stromnetze eingespeisten Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland. Allerdings wird auch kaum ein Gesetz in Deutschland so kontrovers diskutiert wie das EEG. Doch ohne das deutsche EEG wären der rasante globale Ausbau der erneuerbaren Energien, die sichtbare Kostendegression bei der Stromerzeugung aus Wind- und Solaranlagen und der Aufbau einer regenerativen Industrie in Deutschland nicht denkbar gewesen.

Doch wie begann diese EEG-Geschichte und wer sind am Ende die Gewinner und wer die Verlierer?

Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 führt zum EEG-Vorläufermodell „Stromeinspeisungsgesetz“

Die Einführung des EEG am 01.04.2000 wird vielfach als Startdatum für die Energiewende in Deutschland und die EE-Nutzung bezeichnet. Tatsächlich begann alles bereits viel früher. Der letztendlich erfolgreiche Einstieg in die Nutzung der erneuerbaren Energien in Deutschland ist rückblickend eine direkte Folge des Atomunfalls in Tschernobyl im Jahr 1986. Das war das entscheidende Schlüsselereignis. Bis dahin verlief die Entwicklung ganz anders: Die politischen Weichenstellungen nach dem Ölpreisschock in den 1970iger und Anfang der 1980iger Jahre führten zum massiven Ausbau der Atomenergie. Auch die gleichzeitig rasant sinkenden Ölpreise durch neue Ölfunde (u.a. Nordseeöl) beendeten die weitere Entwicklung der schon vorhandenen Windindustrie (Windenergie-Boom Kalifornien, Growian).

Doch der Widerstand in der Bevölkerung in Deutschland gegen die Nutzung der Kernenergie war nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl vor allem wegen der unsichtbaren Strahlenbelastung gewaltig. Alternativen zur Kernenergie wurden dringend gesucht. Die Bundesregierung legte in der Folge zunächst ein Demonstrations-Programm Windenergie und anschließend ein 1.000 Dächerprogramm Photovoltaik auf.

Am 01.01.1991 trat dann das Stromeinspeisungsgesetz in Kraft, das erstmals die Verpflichtung zur Abnahme und zur Vergütung für den eingespeisten Strom aus erneuerbaren Energien durch die Energieversorger regelte. Vor allem die Windenergie und deren technologische Entwicklung konnte von diesem Gesetz in der Folgezeit profitieren, nicht aber die Solar- und Bioenergie. Das sollte sich erst mit der Einführung des EEG im Jahr 2000 ändern.

Erneuerbare-Energien-Gesetz: Wie das EEG tatsächlich funktioniert

Das in der Öffentlichkeit teils heftig diskutierte EEG stand immer wieder in der Kritik. Suggeriert wird im Kern, dass die Strompreise ohne das EEG niedriger sein könnten. Tatsächlich wird die EEG-Umlage nicht aus Steuermitteln gezahlt, es handelt sich auch nicht um eine staatliche Beihilfe. Bei den Stromnetzbetreibern wird das EEG-Konto geführt, auf dem die Einnahmen (EEG-Zahlungen, Erlöse aus Verkauf des EEG-Ökostroms) und Ausgaben (Vergütungszahlungen) verbucht werden. Beispiel: Ein Betreiber erhält 6 ct/kWh für den eingespeisten EE-Strom. Der Zwangsverkauf an der Strombörse bringt 4 ct/kWh. Die Differenz von 2 ct/kWh ist die noch zu tragende EEG-Umlage. Was der breiten Öffentlichkeit nicht vermittelt wird: Die EEG-Umlage für die Verbraucher steigt und fällt mit der Höhe der Vergütungszahlungen, aber auch mit der Höhe der Strompreise an der Börse. Im Grundsatz gilt: je höher der Börsenstrompreis, umso niedriger die EEG-Umlage für die Stromverbraucher und umgekehrt.

EEG und die Folgen – Wer die Gewinner und wer die Verlierer sind

Erst der kräftige Ausbau der erneuerbaren Energien hat in den letzten Jahren zu einem gewaltigen Stromüberangebot und zu einem drastischen Rückgang der Börsen-Strompreise bzw. der Erzeugerpreise geführt. Vor allem die Industrie profitiert durch das EEG-Modell direkt von den niedrigen Börsen- (Einkaufs)strompreisen, auch wegen der Befreiung von der EEG-Umlage und den Netzentgelten.

Zudem ist der Aufbau einer regenerativen Industrie (Industriepolitik) am Standort Deutschland eine direkte Folge des Gesetzes. Allerdings haben politische Entscheidungen zur Bioenergie- und zur Solarbranche die anfänglichen großen industriellen Erfolge einer sich entwickelnden Zukunftsbranche gleich wieder zunichte gemacht.

Eindeutige Verlierer waren in der Vergangenheit die zentralen Kraftwerksbetreiber, deren Milliarden-Gewinne und Renditen im Vergleich zu den 2000er Jahren eingebrochen sind. Die aus heutiger Sicht „entgangenen Gewinne“ sind nicht in mehr oder weniger riskanten Auslandsinvestitionen teils versenkt worden, sondern sind durch das EEG in die regionale, heimische Nutzungswertschöpfung geflossen.

Es gehört zu den zentralen Mythen, dass die Strompreise für die Verbraucher ohne das EEG heute viel niedriger wären, denn entscheidend ist die Betrachtung des Alternativ-Szenarios, d.h. die Preisentwicklung auf dem Strommarkt ohne das Gesetz. Es ist eine Illusion anzunehmen, dass die Energieversorger in den letzten Jahren freiwillig auf ihre früher hohen Margen verzichtet hätten. Erst das durch den starken EE-Ausbau ausgelöste Stromüberangebot hat zu den niedrigen Erzeuger- bzw. Einkaufspreisen an der Börse geführt.

Für die Verbraucher ist die Situation in der entscheidenden Gesamtbetrachtung (Summe aus Einkaufs-Börsenstrompreis plus EEG-Umlage) nahezu identisch. Ob die Stromkunden wie 2008 hohe Börsenstrompreise (8ct/kWh) und eine niedrige EEG-Umlage (1,12 ct/kWh) oder wie 2019 mit 3,8 ct/kWh niedrige Börsenstrompreise und eine höhere EEG-Umlage (6,41 ct/kWh) zahlen, ist im Ergebnis (Summe) jeweils nahezu gleich.

Münster, den 13.05.2020
Dr. Norbert Allnoch
Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR), Soester Str. 13, 48155 Münster