Baumentscheid in Berlin erfolgreich – Hitzeschutz jetzt gesetzlich verankert

Dem Berliner Beispiel sollten nun andere Städte folgen.

Am 3. November 2025 hat das Berliner Abgeordnetenhaus Geschichte geschrieben:

Mit dem BäumePlus-Gesetz / Berliner Klimaanpassungsgesetz wurde erstmals in Deutschland ein umfassender, rechtlich verbindlicher Rahmen beschlossen, der Städte in die Pflicht nimmt, Hitze, Extremwetter und Biodiversitätsverluste systematisch zu bekämpfen. Die beschlossenen Maßnahmen dienen auch gleichzeitig dem Klimaschutz, denn viel neues Grün in den Städten bindet auch Kohlenstoff aus der Atmosphäre.

Am 21. November 2025 trat das Gesetz in Kraft. Die bundesweite Aufmerksamkeit war enorm. Die Presselandschaft berichtete ausführlich: Von Tagesschau über RND, Spiegel, Berliner Zeitung, taz, FAZ bis Euractiv wird Berlin nun als Testlabor für die klimaresiliente Stadt der Zukunft bezeichnet. Zahlreiche Kommentatoren sprechen von einem „Wendepunkt“ in der kommunalen Klimaanpassungspolitik.

Quelle: rbb24 – Berlin beschließt Baumentscheid / Klimaanpassungsgesetz

Hitzeschutzmaßnahmen in den Städten werden immer notwendiger

Die Erdaufheizung lässt auch in Deutschland die Anzahl der gesundheitsgefährdenden Hitzetage immer weiter steigen. Allein in den Sommern 2023 und 2024 gab es jeweils 3000 Hitzetote. Das World Economic Forum und der Allianz-Konzern beziffern den Produktivitätsausfall eines Hitzetages vergleichbar mit einem halben Streiktag. Hitzeschutz betrifft damit nicht nur Alte und Schwache, sondern die Breite der arbeitenden Bevölkerung, wie es Umfragen auch immer wieder zeigen.

Quelle: DIE ZEIT – Klimakrise: Hitze in Deutschland

Doch bisher gibt es in Deutschland kaum ernsthafte politische Maßnahmen, dieser bedrohlichen Entwicklung Hitzeschutzmaßnahmen entgegenzusetzen.

In Berlin formierte sich daher eine Initiative aus BürgerInnen, die einen Volksentscheid, den Baumentscheid, initiierten.

BürgerInnen initiieren Baumentscheid

Historisch einmalig ist das Zustandekommen dieses Gesetzes: Im Sommer 2023 gründeten Heinrich Strößenreuther, erfahrener NGO-Gründer u.a. von Changing Cities, GermanZero und KlimaUnion, und Génica Schäfgen, Deutschland-Chefin von Ecosia, den Volksentscheid Baum, nachzulesen unter: Baumentscheid – Offizielle Website.

Sie trommelten Ehrenamtliche zusammen, schrieben mit über 50 ExpertInnen und JuristInnen Deutschlands ein erstes konkretes Klimaanpassungsgesetz für die kommunale Umsetzung, schätzten seine Kosten mit zunächst sieben Milliarden Euro ab, sammelten 33.000 Unterschriften auf Papier in der kalten Jahreszeit, sechsmal schneller als gesetzlich eingeräumt, überstanden sogar mit einem verbesserten Gesetz die Zulässigkeitsprüfung.

Zu diesem Zeitpunkt standen schon sieben Parteien dahinter, u.a. die SPD, Grüne und Linke in Berlin. Beim Landesparteitag der CDU im September 25 schloss sich auch die CDU an, so dass der Weg für Verhandlungen und einen Parlamentsbeschluss am letzten Tag der fürs Abgeordnetenhaus vorgesehen Entscheidungsfrist von vier Monaten frei wurde. Tatsächlich konnte die Initiative die Chef-Unterhändler von CDU, SPD und Senat für eine entschlossene Klimaanpassungspolitik gewinnen, so dass das Gesetz nicht verwässert wurde, sondern sogar auf 120 % verbessert wurde. Mit diesem starken Konsens im Gepäck gab es dann den parteiübergreifenden Beschluss ohne Gegenstimmen. Der angestrebte Volksentscheid wurde damit überflüssig.

Berlin will nun drei Milliarden Euro in Klimaanpassung investieren, davon eine Milliarde aus dem Sondervermögen – zu verdanken den Senatsparteien und den Verhandlungen.

Ein parteiübergreifender Konsens: Klimaanpassung ist nun keine Kür mehr, sondern Pflicht

Bemerkenswert ist, dass das Gesetz parteienübergreifend verabschiedet wurde.

Unabhängig von politischer Herkunft wurde deutlich:

  • Hitze ist längst ein Gesundheitsrisiko.
  • Niederschlagsereignisse werden stärker und unberechenbarer.
  • Städte brauchen klare Vorgaben, Geld und verbindliche Verantwortlichkeiten.

Berlin ist nun das erste Bundesland, das genau diesen Dreiklang gesetzlich verankert hat.

Die zentralen Elemente des BäumePlus-/Klimaanpassungsgesetzes

Berlin verpflichtet sich – und damit Verwaltung, Bezirke und öffentliche Unternehmen – zu einem verbindlichen Maßnahmenkatalog:

1. Massiver Ausbau der städtischen Grüninfrastruktur berlinweit

  • Erhaltspflicht und Neupflanzung von Stadtbäumen, so dass Berlin 2040 über eine Million Straßenbäume haben wird (heute noch 430.000, Tendenz schrumpfend)

  • Neue Ziele und Pflichten zur wirksamen Pflege, Bewässerung und Gesundung – nicht nur zur Pflanzung

  • Die Nachpflanzung gefällter Bäume im Verhältnis 1:3

  • Pflanzrechte für alle, für Baumbeete, so dass 2040 eine Million Mini-Schrebergärten vor der eigenen Haustür entstehen, wie für die Nachpflanzung von gefällten Bäumen ab Dez. 2027, um Privatkapital und die Hilfs- und Mitmachbereitschaft zu integrieren

2. Verbindliche Klimaanpassungsplanung für jedes Hitze-Quartier

  • Hitzekarten und Wasserhaushaltsanalysen werden zum Standardinstrument, die die Umsetzung auf die 170 Hitzeviertel von 542 Planungsräumen in Berlin priorisiert

  • Verpflichtung zur Kühlung der Hitzeviertel um 2 Grad an den Hitzetagen

  • Verpflichtung, jeden zweiten Regentropfen vor Ort aufzufangen und u.a. für die Bäume zu verwenden

  • Verpflichtung, im Haustürumkreis (150m) insgesamt ca. 1000 Miniparks à 30 qm sowie im Nachbarschaftsumkreis (500m) ca. 100 hektargroße Grünflächen anzulegen, damit die Anwohner dort ihre aufgeheizten Körper wieder herunter kühlen können

3. Finanzielle Verpflichtung: 3 Milliarden Euro bis 2030

Berlin stellt rund 3 Milliarden Euro bereit – ungefähr 1.000 Euro pro EinwohnerIn.

Damit wird erstmals ein Budget geschaffen, das der Größe der Herausforderung entspricht.

4. Sich verschärfende Klimaanpassungspolitik wird Behördenpflicht

  • Regelmäßige Updates der Klimarisikoanalysen und Klimaanpassungsstrategien

  • Nachschärfen der Ziele sowie kurz- bis mittelfristige Klimaanpassungsprogramme

  • Mit Maßnahmen, Geld und Personal durchkalkulierte Hitzeaktionspläne verpflichtend für Senat und alle Bezirke

  • Der Kontrollrat Klimaanpassung (im Gesetz steht zwar nur noch Beirat, aber die Pflichten und Kompetenzen entsprechen dem „scharfen Schwert“ Kontrollrat, wie es moderne Politikplanungs- und Transformationsgesetz haben), der bei tatsächlicher oder wahrscheinlicher Zielverfehlung dem Senat die Vorlage von Nachbesserungsprogrammen auferlegen kann

  • Ein Umsetzungsplanungsprojekt, das in den nächsten 22 Monaten den Rollout vorbereiten, den Personalbedarf kalkulieren und alle Standards, Richtlinien und Prozesse anpassen muss, so dass Hitzeschutz und Klimaanpassung nichts im Wege stehen

5. Monitoring, Kontrolle, Transparenz

  • Öffentliche Berichte, jährliche Zielüberprüfung, unabhängige Expertise.
  • Verwaltungsteile müssen Maßnahmen nachweisbar priorisieren und berichten.
  • Klimaanpassung wird so messbar – und politisch einklagbar.

Berlin macht es vor – und die Republik soll nun hinterher

Wenn Berlin das schafft, warum nicht auch Hamburg, München, Köln, Leipzig oder Essen?

Denn klar ist: Die Klimakrise trifft nicht Berlin allein. Der Hitzekessel Stuttgart wird bestimmt schlimmer als Berlin mit “noch” vielen Straßenbäumen. Die Folgekosten von Untätigkeit sind bereits höher als die Investitionen in Anpassung.

Berlin hat mit dem Gesetz einen politischen Präzedenzfall geschaffen, der nun zum Modell bundesweiter Gesetzgebung auf Landesebene oder in Form von Satzung auf Kommunal- und Landkreisebene werden könnte – sofern das engagierte Werben, Erklärungen und der Druck aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft groß genug bleibt. Mit dem BaumEntscheid München gibt es bereits den ersten Nachahmer für die anstehende bundesweite Welle analog zu den Hunderten von RadEntscheiden und KlimaEntscheiden.

Quelle: Baumentscheid München – Bürgerinitiative für Stadtbäume

Von Berlin in die Republik – jetzt handeln

Die letzten Monate haben gezeigt:

Zivilgesellschaft wirkt. Ohne jahrelanges versiertes Projekt- und Kampagnenmanagement, ohne hartnäckige Öffentlichkeitsarbeit, ohne Hunderte Menschen, die für Stadtbäume, Schatten und lebendige Straßen streiten, ohne Engagierte, die sich von solch großen Zielen begeistern lassen, ohne ein versiertes und wertschätzendes Ehrenamtsmanagement gäbe es dieses Gesetz nicht.

Eine zentrale strategische Arbeitshypothese des BaumEntscheids hat sich in Berlin bestätigt: Klimapolitik wirkt, wenn sie vor der eigenen Haustür beginnt. Wer Hitze, Dürre und fehlenden Schatten im Alltag spürt, versteht auch die globalen Ursachen des Klimawandels. So entsteht breite Unterstützung – selbst in Milieus, die Klimapolitik sonst skeptisch sehen. Umfragen zeigen rund 70 % Zustimmung auch bei CDU- und AfD-WählerInnen, der parteiübergreifende Beschluss bestätigt das.

Was in Berlin funktioniert hat, kann auch anderswo gelingen – wenn wir nun dieses Anliegen beherzt und professionell mit den Menschen vor Ort gemeinsam auf die Straße bringen

Doch damit andere Städte nachziehen, braucht es eine starke, handlungsfähige Organisation, die jetzt bundesweit nach dem Vorbild diesen Wandel vorantreibt.

Von Berlin in die Republik

Jetzt ist der Moment, Städte in ganz Deutschland klimaresilient zu machen. Der gemeinnützige BaumEntscheid e.V. hat Großes geleistet und will nun bundesweit aufdrehen – und braucht dazu Geld und Personal. Erste Stiftungen und Spender wirken mit, weitere Hilfe ist sehr gerne gesehen.

➡️ Sie können spenden (Spendenzweck „Von Berlin in die Republik“) oder Förder- bzw. Firmenmitglied im Baumentscheid e.V. werden: Baumentscheid e.V. – Spenden, Mitgliedschaft & Engagement

Unterstützen Sie die Bewegung, die schon in Berlin gewonnen hat – und die dafür sorgt, dass auch andere Städte bald bereit sind, Millionen bis Milliarden Euro in Klimaanpassung, Stadtbäume, Klimaschutz und lebenswerte Straßen zu investieren.

Je früher der Wandel beginnt, desto günstiger wird er, je mehr Menschen mitmachen, desto schneller kommt er, je erfolgreicher die Bewegung in den Städten und Kreisen, umso eher werden auch auf Landes- und Bundesebene die richtigen Weichen gestellt.

Ich würde mich sehr freuen, wenn auch Sie den BaumEntscheid e.V. unterstützen – ich selbst bin seit letztem Jahr dabei