Österreich macht Ernst mit Klimaschutz und beschließt 100% Ökostrom bis 2030
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Österreich macht Ernst mit Klimaschutz und beschließt 100% Ökostrom bis 2030
Am 7. Juli hat der Nationalrat in Österreich mit einer Zweidrittelmehrheit ein weitreichendes Gesetzespaket für den Klimaschutz und seinen Kern, den Ausbau der Erneuerbaren Energien, beschlossen. Es muss nur noch vom Bundesrat bestätigt werden, was als Formsache gilt.
Mit Ausnahme der Rechtsaußen-Partei FPÖ stimmten alle anderen Parteien im österreichischen Parlament für den Vorschlag der ÖVP-Grüne Regierung. Dies ist ein großer Erfolg für die grüne Ministerin Eleonore Gewessler, die damit Österreich in Sachen Klimaschutz an die Spitze aller EU-Staaten katapultiert. Deutschland als ehemaliger Klimaschutzvorreiter fällt mit seinen bescheidenen Zielen in Klimaschutz und dem Ausbau Erneuerbarer Energien weit hinter Österreich zurück.
Da in einem künftigen Energiesystem mit 100% Erneuerbaren Energien (Strom, Gebäude, Verkehr, Industrie) der Ökostromanteil um die 90 % betragen wird, kommt dieser Beschluss einer gesamten 100% erneuerbaren Energieversorgung sehr nahe – insbesondere, da Österreich ja als Vorreiter der Solarthermie und Bioenergie schon viel Erneuerbare Energie im Gebäudesektor einsetzt.
Bedeutsam sind viele Details im Gesetzespaket. So soll der Ökostromausbau mit dem Marktprämienmodell vorangetrieben werden, welches dem Grundprinzip einer festen Einspeisevergütung mit garantierter Vergütungsdauer entspricht. Anders als in Deutschland und anderen EU-Ländern setzt Österreich eben nicht auf ein Ausschreibungsmodell, welches weitgehend dezentrale, bürgerliche Akteure ausschließt. Die EWG Studie zum Versagen der Ausschreibungen wurde in Österreich stark wahrgenommen.
Auch das Umweltbundesamt hat kürzlich eine Studie vorgelegt, wonach die Erkenntnisse der EWG weitgehend bestätigt wurden: Die Akteursvielfalt, insbesondere für bürgerliche Investor*innen (z.B. Genossenschaften) ist mit der Umstellung auf Ausschreibungen bei Windkraftanlagen und PV Freiflächenanlagen stark zurückgegangen; dagegen haben große Finanzstrukturen zugenommen.
Österreich geht anders als Deutschland in der Unterstützung von bürgerlichen Investor*innen einen großen Schritt nach vorne. So wird nicht nur auf die feste Vergütung mit Marktprämie gesetzt, sondern es werden auch die Netzzugänge für Ökostromeinspeisern erleichtert und insbesondere Energiegemeinschaften entsprechend der EU Richtlinie gefördert. Geschaffen werden mit der Sammelnovelle gesetzliche Grundlagen für private – nicht vorrangig gewinnorientierte – Energiegemeinschaften. Damit will die Regierung Privathaushalte und kleine Betriebe motivieren, selbst Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu erzeugen und zu begünstigten Konditionen mit anderen Teilnehmer*innen der Gemeinschaft zu teilen.
Damit setzt Österreich die Vorgaben der EU-Richtlinie um, die bis Ende Juli 2021 in nationales Recht eingebunden werden musste. Die deutsche Regierung und die Bundestagmehrheit von Union und SPD brechen dagegen erneut EU-Recht zu Lasten des Klimaschutzes und riskieren wieder ein milliardenschweres Vertragsverletzungsverfahren der EU.
Der Beschluss des Nationalrates in Österreich zeigt auf, dass mit klaren politischen Zielen auch Mehrheiten für weitreichende Maßnahmen in Klimaschutz und Erneuerbaren Energien in Parlamenten über Parteigrenzen hinweg möglich sind.
Bisher sind gesetzliche Verpflichtungen zur Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien nur aus Kalifornien, wenigen andere US Bundesstaaten, Costa Rica und abgeschwächt aus Dänemark bekannt. Österreich wird mit diesem Gesetz ein weitreichendes Zeichen für ganz Europa und darüber hinaus setzen.
Ein großer Erfolg für die grüne Ministerin Gewessler, die dieses für ganz Europa wichtige Gesetzespaket politisch durchsetzen konnte.
Hammelburg, den 12. Juli 2021
Ihr Hans-Josef Fell