Es gibt keine Renaissance der Atomenergie – auch nicht mit neuen kleinen modularen Atomreaktoren
Liebe Leserinnen und Leser,
Es gibt keine Renaissance der Atomenergie – auch nicht mit neuen kleinen modularen Atomreaktoren
Seit Jahren geistert in den Medien die Renaissance der Atomkraft herum, mit neuen modularen kleinen Atomreaktoren (SMR). Insbesondere das medial hochgepushte Buch von Bill Gates zur Bekämpfung des Klimawandels stellt die Atomenergie als Lösung für das Klimaproblem in den Mittelpunkt und darin insbesondere neue kleine modulare Kernreaktoren. Offensichtlich ist es ein Versuch, seine massiven Fehlinvestitionen in seine Atomfirma Terra Power noch irgendwie zu retten. Gates behauptet wie viele andere Atombefürworter, dass neue Reaktorkonzepte, kostengünstig Strom erzeugen könnten, schnell zu bauen seien und gleichzeitig die Sicherheits- und Atommüllprobleme lösen würden. Doch wissenschaftlich belastbare Belege konnte bisher niemand aus der Atomszene für solche Behauptungen vorlegen, geschweige denn ein realisiertes kommerzielles Projekt dazu. Außer vielen Konzepten auf dem Papier gibt es dazu nichts Greifbares.
Die einzigen, bisher verwirklichten kleinen Reaktoren sind allerhöchsten Forschungs- oder Demonstrationsprojekte und erzeugen – wenn überhaupt – sehr teuer Strom. Das vielgepriesene Atomschiff KLT-40s in Russland erzeugt Strom zu Preisen jenseits von Gut und Böse titelte der MDR im letzten September.
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, gibt es erstmals zwei umfassende wissenschaftliche Untersuchungen zu den in der Atomkraftunterstützerszene stetigen Behauptungen zu neuen Reaktorkonzepten. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hatte die beiden Untersuchungen in Auftrag gegeben:
- Sicherheitstechnische Analyse und Risikobewertung einer Anwendung von SMR-Konzepten (Small Modular Reactors)
- Sicherheitstechnische Analyse und Risikobewertung von Konzepten zu Partitionierungs- und Transmutationsanlagen für hochradioaktive Abfälle
„In absehbarer Zeit können möglicherweise zur Verfügung stehende Atom-Technologien weder die Altlasten der Atomenergie-Nutzung beseitigen noch die jetzt anstehenden Zukunftsfragen des Klimawandels beantworten“. Das ist das zentrale Fazit von Wolfram König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zu einem Einsatz von Transmutation als Atommüllentsorgung in neuen Reaktorkonzepten.
Wolfram König weiter zu SMRs: „Wir müssen konstatieren: Keine der diskutierten Technologien ist derzeit am Markt verfügbar. Es ist auch nicht absehbar, ob sie es künftig sein werden. Gleichzeitig werden sie verbunden mit Versprechen, die oftmals stark denen ähneln, die bereits mit der ersten Generation von Reaktoren in den 1950ern und 1960er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gemacht worden waren.“
Die vielen Behauptungen der Atomkraftlobby und auch von Bill Gates, wonach es in absehbarer Zeit mit neuen Reaktorkonzepten wirtschaftliche Lösungen zu den Fragen Atommüllentsorgung und schnellem Ausbau kleiner modularer Reaktoren gäbe, entpuppen sich also bei einem genauen wissenschaftlich fundiertem Blick als das, was die Atomlobby schon immer gut konnte: Propaganda für die eigene Atomsache ohne substanzielle Basis.
Dass die Atomlobby auf solche Luftschlösser setzt ist klar. Die wesentlich billigere Konkurrenz der Erneuerbaren Energien sitzt ihr im Nacken und sie muss fürchten, dass sie im kommenden Jahrzehnt völlig in der energiepolitischen Bedeutungslosigkeit versinken wird. Alleine in den USA werden in diesem Jahr 5 Atomblöcke abgeschaltet, weil die Konkurrenz der Erneuerbaren Energien billiger und verlässlicher Strom erzeugen.
Seit über 20 Jahren wird von der Atomlobby aber immer wieder eine Renaissance der Atomenergie herbeigeredet. Dass es diese auch heute nicht gibt, hat erst der jüngste Nuclear Statusbericht von Micheal Schneider klar aufgezeigt. Seit vielen Jahren werden in der Welt mehr Atomreaktoren abgeschaltet als neue zugebaut. So deckte die Atomkraft 2019 nur noch rund 10 Prozent des globalen Strombedarfs. 1996 war der Anteil am höchsten und lag bei 17,5 Prozent.
Die Atomenergie kann also keinen Beitrag zum Klimaschutz liefern, dagegen sind die Probleme der Atomkraft weiterhin nicht beherrschbar.
- So gibt es weltweit kein funktionierendes Endlager, obwohl seit über 70 Jahren an Endlagern geforscht und entwickelt wird. Die Probleme sind einfach zu groß.
- Der Uranbergbau schafft immer größere Umweltprobleme, wie radioaktiv verseuchte Giftmüllseen oder einen immensen Wasserverbrauch sowie massive Menschenrechtsverletzungen.
- Die nukleare Aufrüstung nimmt massiv zu, die Atomreaktoren liefern das Waffenmaterial dafür.
- Die Gefahren eines SuperGAUs wie in Tschernobyl oder Fukushima schweben weiter über allen Atomreaktoren, insbesondere weil sie nicht ausreichend gegen Terrorangriffe geschützt sind.
Dass die Argumente der Atomenergie-Befürworter*innen trotz alle offensichtlichen und höchst bedrohlichen Probleme auch in der deutschen Politik weiterhin gehört werden, zeigen auch die Worte vom amtierenden CDU-Parteichef Armin Laschet vom Dezember 2019: “Wenn das CO₂ und das Weltklima das größte Problem sind, um das wir uns kümmern müssen, war die Reihenfolge zumindest falsch.” Die Ansicht, dass der Atomausstieg dem Klimaschutz zuwiderläuft ist leider auch heute noch weit verbreitet. Dabei gibt es für die Zukunft unserer Energieversorgung keine kosteneffiziente und umweltverträgliche Alternative zu den Erneuerbaren.
Es bleibt nur der Weg des schnellen disruptiven Ausbaus der Erneuerbaren Energien und der wird leichter, wenn Medien und öffentliche Debatte endlich aufhören die Propaganda-Argumente der Atomwirtschaft aufzugreifen und statt dessen mit den wissenschaftlich klar belegten Analysen die Bevölkerung aufklären: Die Atomenergie hat keine Zukunft, ist kein Beitrag zum Klimaschutz und muss endlich umfassend abgeschafft werden, damit die durch sie verursachten Probleme wenigstens nicht immer noch größer werden.
Hammelburg, 15. März 2021
Ihr Hans-Josef Fell