EEG nicht weiter zum Energiewende-Verhinderungsgesetz machen!

Liebe Leserinnen und Leser,

In einem offenen Brief an die Bundesregierung fordert die Energy Watch Group gemeinsam mit fünf weiteren Organisationen, Weichenstellungen für einen schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien ins Zentrum der Energiepolitik und der anstehenden EEG-Novelle zu rücken und dabei die Bürgerenergie als treibende Kraft zu stärken. Der von Parents for Future initiierte Brief wurde auch von Bündnis Bürgerenergie, dem Bund der Energieverbraucher, der Europäische Energiewende Community und dem Solarverein Goldene Meile mitunterzeichnet.

Brief an die Bundesregierung: EEG nicht weiter zum Energiewende-Verhinderungsgesetz machen!

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel, sehr geehrter Herr Minister Altmaier,
sehr geehrte Frau Ministerin Schulze,

seit nunmehr zwei Jahren setzen wir uns dafür ein, die Zukunft der uns nachfolgenden Generationen zu sichern, indem wir zusammen mit Fridays for Future und anderen Gruppierungen von der Politik nichts weniger als die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens einfordern.

Ein dafür ganz zentraler Bereich ist die Energieversorgung in allen Sektoren, die für einen sehr großen Anteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Konsequenterweise haben Fridays for Future daher die Forderung erhoben, dass Deutschland seine gesamte Energieversorgung bis spätestens 2035 auf Erneuerbare Energien umstellt – aus heutiger Sicht ist sogar 2030 als Zieldatum erforderlich und möglich. Vor allem mit dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) war Deutschland einmal sogar weltweiter Wegbereiter für die globale Energiewende und hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Stromgestehungskosten für Strom aus Wind und Solarenergie massiv gefallen sind. All das ist wesentlich durch die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes möglich geworden, die die Technik entwickelt und auch angewandt haben. Millionen von Menschen haben Milliarden von Euros in eine zukunftsfähige und klimaverträgliche Energieversorgung investiert. Und wir Bürgerinnen und Bürger wollen weiter und sogar noch stärker die Zukunft unseres Landes auf diese Weise selbst gestalten, selbst oder in Form von Genossenschaften, in der Nachbarschaft usw. Wir wollen auch nicht mehr zu Konflikten um Gas und Ölressourcen beitragen, sondern mit heimischen Erneuerbaren Energien hier eine klimaverträgliche und nachhaltige Wirtschaft aufbauen.

Leider hat die Bundesregierung in den letzten Jahren den einst erfolgreichen Ausbau der Erneuerbaren Energien immer mehr ausgebremst, vor allem indem es für Bürgerenergie immer schwerer wurde, sich zu entfalten. Die Neugründung von Energiegenossenschaften ist in den letzten Jahren in Deutschland eingebrochen, von 167 im Jahr 2011 auf nur noch 9 im Jahr 2019. Dabei ist Bürgerenergie ganz zentral für eine sozial gerechte, demokratische und partizipative Energiewende.

Die Einführung von Ausschreibungen hat es echter Bürgerenergie in vielen Fällen unmöglich gemacht, weiter am Strommarkt zu bestehen, da die Zuschlagsrisiken für neue Bürgerenergieprojekte nicht tragbar sind. Das wiederum hat vor allem bei der Windenergie dazu geführt, dass sich weniger Menschen lokal für Windenergie einsetzen, während die Gegner von der Bundesregierung überproportional angehört und berücksichtigt werden. Selbst verbrauchter Strom wurde außerdem mit Abgaben belegt, was die weitere Entfaltung von lokalen Energiegemeinschaften und den dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien erschwert hat. Die Mieterstrom-Regelungen erweisen sich bislang als in der Praxis nicht umsetzbar.

Anstatt diese Barrieren abzubauen, plant die Bundesregierung nun aber einen erneuten Anschlag auf die Bürgerenergiewende, indem zusätzliche Erschwernisse ins EEG aufgenommen werden sollen, wie die Ausweitung von Ausschreibungen auch auf kleinere Anlagengrößen. Die Bundesregierung hat auch noch nicht die EU-Vorgaben zur Förderung von Bürgerenergie in deutsches Recht umgesetzt, wie von der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) verlangt, vor allem bezüglich der Behandlung von selbstgenutztem Strom und der mangelnden Unterstützung für Mieterstrommodelle/Quartierslösungen sowie die Ausnahmen von Ausschreibungen.

Wir fordern Sie auf:

  1. die Förderung der Erneuerbaren Energien zu priorisieren, anstatt den Weiterbetrieb von ohnehin unwirtschaftlichen Kohlekraftwerken direkt oder indirekt zu subventionieren;
  2. Zieljahr für den Kohleausstieg und die Umstellung der Stromversorgung auf 100% Erneuerbare Energien muss das Jahr 2030 sein. Auch Gaspipelines oder LNG-Terminals für Frackinggas sind obsolet und dürfen auf keinen Fall als “Brückentechnologie” subventioniert werden;
  3. die Bürgerenergie in den Mittelpunkt einer zügigen, sozialen, demokratischen, partizipativen und dezentralen Energiewende zu stellen, und entsprechend zu fördern, da die Bürgerinnen und Bürger dadurch direkt von der Energiewende profitieren;
  4. dem Eigenverbrauch von Strom als ökologisch und makroökonomisch sinnvollste Form der Energienutzung Vorrang einzuräumen vor dem Bezug von Strom aus dem Netz. Das muss auch Mieterstrommodelle und Energiegemeinschaften einschließen, wie von der Europäischen Union gefordert;
  5. Bürgerenergieprojekte, das heißt Projekte, die mehrheitlich im Besitz von Bürgerinnen und Bürgern vor Ort sind und von denen auch kontrolliert werden, von den Ausschreibungen auszunehmen.

Wenn die Bürgerinnen und Bürger den notwendigen Wandel aktiv gestalten können und den Wandel als positiv erleben, dann kann nicht nur die Energiewende gelingen, dann kann Deutschland ein Land sein, das die richtige Antwort auf den Klimawandel findet und für uns und unsere Kinder lebenswert bleibt.

Mit freundlichen Grüßen

Parents for Future Germany
(presse@parentsforfuture.de)

Bündnis Bürgerenergie
Bund der Energieverbraucher
Energy Watch Group
Europäische Energiewende Community
Solarverein Goldene Meile

 

Hammelburg, 16. September 2020

Ihr Hans-Josef Fell