Wasserstoffstrategie und Konjunkturpaket: Ein Fortschritt für den Klimaschutz?
Liebe Leserinnen und Leser,
Wasserstoffstrategie und Konjunkturpaket: Ein Fortschritt für den Klimaschutz?
Nein, nur weiter Täuschungen und keine wirksamen Klimaschutzmaßnahmen
Diese Woche war die Presse voll mit angeblichen Beschlüssen der großen Koalition zu Klimaschutzmaßnahmen. Insbesondere das Konjunkturpaket und die Wasserstoffstrategie standen im Fokus der öffentlichen Debatte. Dass das Konjunkturpaket kein wirksamer Beitrag zum Klimaschutz ist, hatte ich schon letzte Woche aufgezeigt.
Insbesondere wurde oftmals herausgestellt, dass eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren nicht kommt und dies ein Beitrag zum Klimaschutz wäre. Wie wenig die Union diesen von der SPD durchgedrückten Beschluss der Bundesregierung ernst meint, hat gerade die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in ihrem jüngsten Rundschreiben berichtet: Danach habe die Bundestagfraktion von CDU/CSU ein Positionspapier, in welchem die von der EU für 2021 geplanten Verschärfungen der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid verhindert werden sollen. Zudem solle die bereits beschlossene Absenkung der CO2- Grenzwerte für PKW-Flotten um 37,5 % bis 2030 gestrichen werden.
Dies alles dient nur klimaschädlichen Autos mit Verbrennungsmotoren. Gesundheitsschutz scheint für die Union keine Rolle zu spielen, denn 70.000 Tote jährlich durch Luftverschmutzung scheinen sie nicht zu stören, obwohl die hohe Anzahl der Lungenkranken, u.a. hervorgerufen durch eben jene Luftverschmutzung, eine besonders große Risikogruppe in der Corona-Krise darstellen.
Auch die kürzlich verabschiedete nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ist kein wirksamer Beitrag zum Klimaschutz. Zwar sollen etwa 7 Milliarden Euro in die Wasserstoffelektrolyse gesteckt werden, was zu begrüßen ist, da dies zur Erzeugung von grünem Wasserstoff dient, doch die Bundesregierung belässt es nicht bei der notwendigen und ausschließlichen Unterstützung für grünen Wasserstoff. Vielmehr wird in der Wasserstoffstrategie ausdrücklich auch einem Aufbau klimaschädlicher Wasserstoffproduktion aus Erdgas (blauer und türkiser Wasserstoff) als sogenannter Übergangstechnologie der Weg bereitet. Aufgrund der hohen Methanemissionen in der Vorkette von Erdgasförderung und -transport, werden blauer und türkiser Wasserstoff die Erdtemperatur nur beschleunigend aufheizen. Von Klimaschutz keine Spur.
Statt ausschließlich auf grünen Wasserstoff zu setzen, der als Power-to-Gas-Technologie insbesondere in dezentralen Anwendungen die Sektorenkopplung auf dem Weg zu 100% Erneuerbaren Energien unterstützen kann, setzt die Bundesregierung im Wesentlichen auf große Anlagen, so beispielsweise Wasserstoffproduktion aus Offshore-Windkraft.
Dies ist sicherlich eine wichtige Option vor allem für industrielle Anwendungen, bürgerliche dezentrale Investitionen werden aber nicht ausreichend gefördert. Damit wird klar, um was es der Bundesregierung mit dieser Wasserstoffstrategie in Wirklichkeit geht: Eine Fortführung der Interessen der fossilen Wirtschaft insbesondere der Erdgas-Wirtschaft unter Zurückdrängung der bürgerlichen Investitionstätigkeiten.
Dass es der Bundesregierung gerade nicht um Klimaschutz mit 100% Erneuerbaren Energien geht, sieht man an ihrem in der gleichen Kabinettssitzung verabschiedeten nationalen Energie- und Klimaplan (NECP), dessen Übergabe an die Europäische Kommission übrigens ein halbes Jahr zu spät kam.
Wie Euractiv treffend analysiert hat, gibt es dort nur wacklige Versprechungen in Sachen Erneuerbare Energien. So sollen diese bezogen auf den Gesamtenergiesektor auf lediglich 30% ausgebaut werden. Die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens würde aber 100% erfordern. Damit bestätigt die Bundesregierung auch in ihrem NECP, dass sie weiterhin ihre Blockadehaltung gegen Erneuerbare Energien und insbesondere gegen die Bürgerenergie aufrecht erhalten will.
Genau dies ist auch ein entscheidender Punkt für das Scheitern eines Ausbaus von grünem Wasserstoff, denn der braucht eine massive und wesentliche Steigerung des Ökostrom-Ausbaus, den die Bundesregierung aber schon seit Jahren nicht will und nicht fördert, sondern nur behindert.
In der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung fehlen außerdem klare Maßnahmen für die Vermarktung des von vielen Elektrolyseuren erzeugten grünen Wasserstoffs. Das genau wäre aber eine wichtige Grundlage, um grünem Wasserstoff zum Durchbruch zu verhelfen.
Genau hier wird die Hybris von Wirtschaftsminister Altmaier klar, wenn er bei der Präsentation zur nationalen Wasserstoffstrategie euphorisch verlauten lässt, sie sei die „größte Innovation seit dem EEG“.
Das EEG hat über den Anreiz einer festen Einspeisevergütung sichere Investitionsbedingungen für Millionen Bürger*Innen und Unternehmen geschaffen. Womit über eine nachfrageorientierte Anreizpolitik Fabriken und Innovationen entstanden sind, die in der Tat zu einer echten weltweiten Energierevolution führten. Wie dies mit ausschließlich auf staatlichen Mitteln beruhenden Förderprogrammen nun für grünen Wasserstoff gelingen soll, bleibt das Geheimnis von Peter Altmaier.
Aber eines ist an diesem Zitat schon bemerkenswert. Offensichtlich sieht auch Herr Altmaier im EEG die bisher größte Energierevolution und einen großen Erfolg. Da stellt sich nur die Frage, warum er es unentwegt attackiert und seit Jahren mit vielen von ihm federführend zu verantwortenden Beschlüssen fast unwirksam gemacht hat.
Hammelburg, 12. Juni 2020
Ihr Hans-Josef Fell