UNECE Konferenz für nachhaltige Energie

Liebe Leserinnen und Leser,

UNECE Konferenz für nachhaltige Energie

Die UN-Organisation United Nations Economic Comission for Europe (UNECE) hat als Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung der UN Mitgliedsstaaten voranzubringen. Energie spielt bei ihren umfangreichen Aktivitäten eine große Rolle, denn jede wirtschaftliche Tätigkeit hängt doch irgendwie von der Energieversorgung ab.

Einen ihrer besonderen Tätigkeitsschwerpunkte hat die UNECE nicht nur in Europa, sondern auch im gesamten postsowjetischen Raum, also Zentralasien, Osteuropa, Russland, Südkaukasus – eine Weltregion, die von den positiven Entwicklungen im Bereich der Erneuerbaren Energien bisher noch weit abgeschlagen ist. Hier dominieren immer noch die unternehmerischen Interessen der großen Monopolisten, die sich an den Geschäften mit Erdgas, Atomkraft, Erdöl und Kohle bereichern. Es sind genau diese Energiegiganten, die über Lobbyismus bis hin zur Korruption einen hohen politischen Einfluss auf die Regierungspolitiken ausüben. Denn bekannterweise hängen viele Staatshaushalte in Eurasien fundamental von der fossilen/ atomaren Wirtschaft ab.

In dieser Situation ist es zu begrüßen, dass die UNECE versucht einen Weg zu finden, eine nachhaltige Energieversorgung auch in dieser Weltregion zu verwirklichen. Vom 12. bis zum 15. November fand dazu in Kiew, Ukraine das 9. Internationale Energieforum für nachhaltige Entwicklung statt.

Im Rahmen des Eröffnungspanels diskutierte ich mit dem ukrainischen Umweltminister Ostap Semerak. Er unterstützte in seinem Beitrag die von mir vorgetragene Notwendigkeit, und auch die Chancen, einer 100%igen Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien. Auch Scott Forster von der UNECE und Janez Kopaz, Generalsekretär der EU Energy Community unterstützten einige meiner Thesen für eine emissionsfreie Wirtschaft.

Keinen Zuspruch bekam ich dagegen von Frau Agneta Rising, Generalsekretärin der Welt Atomenergie Vereinigung. Ich widersprach ihrer These, dass die Atomenergie sauber und daher unverzichtbar für den Klimaschutz sei. Wie man ausgerechnet in der Ukraine, dem Land der Tschernobyl Katastrophe, von sauberer Atomenergie reden kann, ist schon eine totale Ignoranz der großen inakzeptablen Radioaktivitätsprobleme dieser Technologie. Noch immer sind erhebliche Teile der Ukraine, Weißrusslands und Russlands wegen radioaktiver Verseuchung unbewohnbar. Darüber hinaus stellte Andriy Kobolev, CEO von Naftogas Ukraine, die angeblichen Klimaschutzvorteile von Erdgas heraus, statt auf den immensen klimaschädlichen Methanausstoß der Erdgaswirtschaft hinzuweisen.

Am dritten Tag war ich in die Diskussion um die Pathways der UNECE für eine nachhaltige Energieversorgung eingebunden. Holger Rogner vom Forschungsinstitut ILASA stellte an dieser Stelle den Entwurf einer Systemanalyse im Auftrag der UNECE vor. Ich war erschrocken: In dem als besonders fortschrittlich bezeichneten Energiepfad, mit einem angeblich besonders starken Ausbau der Erneuerbaren Energien, werden gerade mal 40% Erneuerbare Energien bis 2050 vorgesehen. Ein schnellerer Ausbau der Erneuerbaren Energien sei nach der Ansicht von Holger Rogner nicht möglich, weil sie keine Versorgungssicherheit garantieren können und zu teuer seien.

Diese Analysen bezeichnete ich als einen Energiepfad, der infolge weiterer extremer Aufheizung der Erdatmosphäre zum Selbstmord der Menschheit führen würde. Gleichzeitig stellte ich die Ergebnisse der Studie der Energy Watch Group (EWG) und der Technischen Universität Lappeenranta (LUT) zu einer Vollversorgung mit 100% Erneuerbare Energien vor. Das Publikum staunte vielfach, weil viele gerade zum ersten Mal hörten, dass Erneuerbare Energien sehr wohl in der Lage sind, zusammen mit Speichertechnologien, eine volle Versorgungssicherheit zu gewährleisten und zudem heute die kostengünstigste Energieversorgung darstellen.

Mir wurde wieder bewusst, wie weit die politischen Diskussionen in manchen Weltregionen von aktuellen Erkenntnissen zu den Möglichkeiten und Realitäten der Erneuerbaren Energien entfernt sind. Ein Blick in die Sponsorenliste der UNECE Konferenz klärte mich dann schnell auf, warum dies selbst für eine UN Organisation gilt. Naftogas, Ukrenergo und Energoatom sind die Hauptsponsoren der Konferenz, allesamt Akteure aus dem fossilen/ atomaren Firmenspektrum. Unternehmen aus dem Sektor der Erneuerbaren Energien fand man im umfangreichen Programm der UNECE fast keine, es waren jedoch zahlreiche vortragende Firmen aus der fossilen und atomaren Wirtschaft repräsentiert.

 

Am Rande der Konferenz führte ich meine Gespräche zur ukrainischen Gesetzesnovelle für die Erneuerbaren Energien fort, insbesondere mit Umweltminister Semerak und Alexander Dombrovskij, dem Vorsitzenden des Energieausschusses im Ukrainischen Parlament.

Darüber hinaus war die Unterzeichnung eines Memorandums der EWG mit dem Rockstar Ruslana ein ganz besonderes Erlebnis. Wir vereinbarten eine intensive Zusammenarbeit, um mit Hilfe von Kultur und Musik die Herzen der Menschen zu gewinnen und diese für eine Strategie zu 100% Erneuerbare Energien zu begeistern. Die EWG wird ihr umfangreiches Wissen und Politikberatung in das gemeinsame Projekt einbringen. Ruslana, auch Lady Maidan genannt, setzt ihre hohe Popularität in Eurasien ein, um die Menschen zu motivieren, das Überleben der Menschheit mit 100% Erneuerbare Energien selbst in die Hand zu nehmen.

 

Kiew, den 15. November 2018

Ihr Hans-Josef Fell