Klimaschutz ist erstmals wahlentscheidend

Liebe Leserinnen und Leser,

Klimaschutz ist erstmals wahlentscheidend

Klimaschutz ist erstmals wahlentscheidend, und dies wird nachhaltig sein. Denn anders als beim Wahlthema Atomausstieg 2011 wird es die Union nicht mehr so leicht haben, die Wählerstimmen für die Grünen wieder zurückzugewinnen.

Das Thema Klimaschutz war – endlich, aber viel zu spät – für einen Großteil der WählerInnen wahlentscheidend, bei dieser Europawahl, aber auch bei der Wahl in Bremen und insbesondere den vielen Kommunalwahlen.

Da Bündnis 90/Die Grünen den anderen Parteien in Sachen Klimaschutz meilenweit voraus ist, ist es kein Wunder, dass sie die großen Gewinner sind. Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich, Irland und anderen Ländern haben die Grünen enorm zugelegt.

Noch bei der Bundeswahl 1990 sind die Grünen aus dem Bundestag abgewählt worden, weil sie das Thema Klimaschutz in den Mittelpunkt rückten. Damals wäre es ungleich leichter gewesen, mit klaren politischen Maßnahmen, ausstrahlend von der großen Wirtschaftsmacht Deutschland einen wirksamen Klimaschutzkurs für die Welt politisch zu organisieren.

Doch obwohl es gerade Bündnis 90/Die Grünen in Zusammenarbeit mit dem SPD-Politiker Hermann Scheer waren, die unter rot-grün eine klare Klimaschutzpolitik machten und mit dem EEG im Jahre 2000 den wichtigsten Nullemissionstechniken, den Erneuerbaren Energien, den wirtschaftlichen Weg ebneten, hat die Wählerschaft dies nie wirklich honoriert und ab 2005 andere Parteien in die Regierungsverantwortung gewählt.

Das Ergebnis ist fatal. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist unter den verschiedenen Regierungen unter Kanzlerin Merkel abgewürgt worden, vereinbarte Klimaschutzziele konnten gerade deshalb nicht eingehalten werden. Der missachtete Klimaschutz ist nun erst 14 Jahre später politisch wahlrelevant geworden, eben weil die Auswirkungen der Erdüberhitzung auf Grund der jahrzehntelangen Versäumnisse immer mehr Menschen offensichtlich werden.

Leider viel zu spät. Die Aktivitäten, die nun erforderlich sind, sind ganz andere als solche die noch 1990 oder 2005 notwendig gewesen wären. Auf Grund der weltweiten Rekordemissionen der letzten Jahre ist es nun notwendig, bis 2030 global eine Nullemissionswirtschaft zu schaffen, also das Ende der Nutzung von Erdöl, Erdgas, Kohle und Atomkraft bis dahin zu vollenden.

Dies wird auch für Bündnis 90/Die Grünen eine deutliche Anschärfung ihrer Klimapolitik erfordern. Für alle anderen Parteien wird eine fundamentale Kehrtwendung notwendig sein, wenn sie überhaupt noch zukünftige Wahlen gewinnen wollen. Das Feld der Klimawandelskeptiker, um das die AfD, aber auch Teile von Union und FDP buhlen, wird immer kleiner werden, je schlimmer die Erdüberhitzung in Katastrophen zuschlagen wird.

Gleichzeitig werden die notwendigen gegensteuernden Maßnahmen immer radikaler werden müssen, wenn sie überhaupt noch einen Klimaschutz bewirken sollen.

Für die Union als noch stärkste politische Kraft wird das eine Zerreißprobe werden. Vor allem wird es ihr nicht mehr gelingen, wie 2011, als Kanzlerin Merkel mit ihrem politischen Instinkt (nicht wegen eigener Überzeugung) den Höhenflug von Bündnis 90/Die Grünen wegen der Atompolitik  stoppen konnte, indem sie einen eigenen (noch dazu schlecht gemachten) Atomausstieg schaffte.

Die Maßnahmen, die nun im Klimaschutz erforderlich sind, sind ungleich radikaler als der Atomausstieg, der damals, 2011, für 11 Jahre bis 2022 gesetzlich vereinbart wurde.

Nun muss die ganze Energieversorgung auf Basis von Erdöl, Erdgas und Kohle in ebenfalls 11 Jahren bis 2030 vollständig durch Erneuerbare Energien ersetzt werden. Zudem braucht es u.a. eine schnelle Umstellung in der Landwirtschaft auf Biolandwirtschaft. Es ist in den Stellungnahmen der Union am Wahlabend überhaupt keine Andeutung zu hören gewesen, ob sie dies begriffen haben.

Wenn die Union nicht in den nächsten Monaten und wenigen Jahren eine radikale Umkehr zur Politik hin zu 100% Erneuerbare Energien bis 2030 vollzieht, dann wird sie mit Sicherheit den Weg in die Bedeutungslosigkeit als Volkspartei gehen, so wie ihn die SPD mit dem gestrigen Wahltag schon hinter sich hat. Denn gerade die SPD hat nach dem Tode von Hermann Scheer keinen charismatischen Klima- und Energiepolitiker mehr gehabt, der sie von ihrem Irrweg der Unterstützung der Kohle abgehalten hätte. Die Quittung hat die SPD als Antiklimaschutzpartei gestern am Wahltag bekommen.

Hammelburg, 27. Mai 2019

Ihr Hans-Josef Fell