In Myanmar kann die Politik noch viel von der Erfolgsstory der Erneuerbaren Energien lernen

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In Myanmar kann die Politik noch viel von der Erfolgsstory der Erneuerbaren Energien lernen 

Das südostasiatische Myanmar (vormals Burma) muss seinen Weg für die Energiezukunft der ca. 50 Millionen Einwohner noch finden. Noch setzen die aktuellen Regierungspläne vor allem auf viele neue Kohlekraftwerke, neue Erdgaskraftwerke und höchst umstrittene große Staudämme, um den mit 15% jährlichen Wachstumsraten schnell wachsenden zukünftigen Energiebedarf des armen Landes zu decken. Erneuerbare Energien sollen dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen. Noch dominiert Unwissenheit über die Vorteile der Erneuerbaren Energien in den Chefetagen der Ministerien.

Daher organsierte die Heinrich-Böll-Stiftung in Yangon unter seinem Leiter Mirko Kreibich in Myanmar in den letzten Tagen gut besuchte energiepolitische Gesprächsrunden. Beim Renewable Energy Roundtable in der Hauptstadt Naypyitaw trafen sich hochrangige Verantwortliche aus verschiedenen Ministerien und Parlamentarier wie U Kyi Moe Naing, der Vorsitzende des Energieausschusses im Parlament Myanmars.

In der Wirtschaftsmetropole Rangun waren Medienvertreter, Umweltorganisationen und Unternehmen geladen. Die Resonanz war jeweils sehr groß, wie auch das Erstaunen bei vielen Teilnehmern, wie weit Erneuerbare Energien bereits ökonomisch und technologisch fortgeschritten sind. In meinen Vorträgen verwies ich darauf, dass heute Stromerzeugung aus neuen Solar- und Windparks oft sogar schon in Verbindung mit Speichern in weiten Weltregionen kostengünstiger sind als Investitionen in fossile Kraftwerke. Auch die Studienergebnisse der Energy Watch Group zusammen mit der finnischen Uni Lappeenranta, wonach z.B. im klimatisch ähnlich gelagerten Indien eine Vollversorgung mit 100% Erneuerbaren Energien ohne Grundlastkraftwerke wie Kohle oder Atom sogar kostengünstiger ist als ein konventionelles Energiesystem, riefen großes Erstaunen hervor.

Denn bisher wurde die öffentliche Debatte von der Ansicht der Regierung dominierte, dass ein starker Zubau von viel fluktuierenden Solar- und Windanlagen wegen fehlender Grundlast zu erheblichen Blackouts des Stromsystems führen würde. Aber Myanmar hat doch bereits mit über sieben Stunden täglicher Stromausfälle massive Blackoutprobleme und dass wo doch auch heute schon die Stromerzeugung auf den Grundlastkraftwerken mit 61% großer Wasserkraft, 3% Kohlekraft und 36% Erdgaskraftwerken beruht. Wie soll denn eine Verstärkung der Grundlast mit insbesondere vielen neuen Kohlekraftwerken die heute schon massive Versorgungsunsicherheit lösen? Ich versuchte klar zu machen, dass diese mit den Zielen der Regierung sogar noch verschärft werden.

Mit dem Blick auf die großen finanziellen Defizite der deutschen Energieversorger wie RWE und E.on, resultierend hauptsächlich aus Fehlinvestitionen in Kohle und fehlende Investitionen in Erneuerbare Energien, konnte ich die Regierung zusätzlich warnen, dass die Umsetzung ihrer großen Kohleausbaupläne genauso wie in Deutschland zu erheblichen Finanzproblemen führen würden.

Bezeichnend ist, dass sich in Myanmar wegen der vielen Stromausfälle inzwischen 4.000 Minigrids entwickelt haben, wo die Menschen in ländlichen Räumen die Eigeninitiative übernommen haben und sich selbst Strom vielfach mit Erneuerbaren Energien erzeugen. Mein Rat war, diese noch weiter auszubauen und mit einer Kombikraftwerksvergütung verstärkt anzureizen, die Minigrids, wo sinnvoll, zu vernetzen und so eine stabile dezentrale Stromversorgung von unten aufzubauen. Dies ist schneller, leichter und kostengünstiger als der Versuch, den Strom aus zentralen Großkraftwerken mit riesigen Leitungssystemen in den letzten Winkel mancher fast menschenleeren Gebiete transportieren zu wollen.

Statt die große Wasserkraft mit der Überflutung von unberührter Natur oder umzusiedelnden Minderheiten weiter auszubauen, schlug ich viele kleine kaskadenförmig an den wasserreichen Flüssen anzubauende Wasserkraftwerke vor, z.B. mit moderner Wasserschneckentechnologien. Diese kann zudem sehr umweltfreundlich sein, da  Fische unversehrt durch die Wasserschnecken schwimmen können.

Es wird jedenfalls spannend in den alten verkrustet regierten Regierungssystemen, wo Myanmar ein besonderes Beispiel ist. Trotz einer gewissen demokratischen Öffnung hat der alte Militärapparat mit seinen undurchsichtigen Entscheidungsstrukturen weiter die Macht. Es regieren wie in Myanmar häufig Energieminister, die ihre Entscheidungen auf Erkenntnissen der alten Muster der fossilen Wirtschaft wie vor 20 Jahren aufbauen. Aber auch sie werden nicht an der neuen sich dynamisch entwickelnden Erneuerbare Energien Welt vorbeikommen, die ihre alten Entscheidungsmuster vor allem von der ökonomischen Seite her völlig in Frage stellen.

Ich bin mir sicher, dass in Myanmar die Regierungspläne mit einem massiven Ausbau der Kohlekraftwerke nicht verwirklicht werden.  Dazu wurde mit den Gesprächen des Renewable Energy Roundtable in Myanmar eine wichtige Grundlage gesetzt.

Dass der Energieplan der Myanmar Regierung mit Denkstrukturen aus dem letzten Jahrhundert nicht haltbar sein wird, hat mir ein Blick in die Schlagzeilen der Myanmar Times vom 13. Juli gezeigt.

Drei Schlagzeilen dominierten:

  • Massive Bürgerproteste und Demonstrationen gegen die vielen Stromausfälle und für billigeren Strom in der Provinz Dawei.

Die neu geplanten großen Staudämme und Kohlekraftwerke werden jedenfalls in den nächsten 10 Jahren den Wunsch nach mehr und billigem Strom nicht und schon gar nicht schnell erfüllen können, ein Ausbau der Erneuerbare Energien sehr wohl. Am Beispiel China machte ich deutlich, wie rasant schnell Erneuerbare Energien ausgebaut werden können. So hatte China im Jahre 2010 erst unter 1 GW Solarstromleistung installiert. 2016 waren es schon 77 Gigawatt und Analysten erwarten in 2020 sogar 180 Gigawatt. Eine solch schnelle Ausbaugeschwindigkeit neuer dringend erforderlicher Stromerzeugung wird es mit Kohle und neuen großen Staudämmen nie geben, weil deren Bauentscheidung, Bauplanung und Bau meist weit über 10 Jahre benötigen, bis der erste Strom fließt. Die Regierung Myanmars wird also ihre Pläne im Energiesektor in Richtung eines steilen Ausbaus der Erneuerbaren Energien umschreiben müssen, wenn sie weitere anwachsende Stromproteste wie in Dawei verhindern will.

  • Kritik am Beschluss der Regierung in Kyaukphyu für den Baubeginn zweier neuer großer Staudämme für Wasserkraft, der gesetzeswidrig ohne Umweltprüfung gefasst wurde.

Auch diese Staudämme werden in den nächsten 10 Jahren keinen neuen Strom liefern, dafür aber endlosen Streit um Umsiedlungen der betroffenen Bevölkerung und um Überflutung intakter Natur.

  • Tagelange Schließung von 184 Schulen in der Sagaing Region wegen ungewöhnlich heftiger Monsunregen und daraus folgender Überschwemmungen.

Auch ich hatte in Yangon diesen heftigen Monsunregen erlebt und fürchtete angesichts großflächiger knietiefer Überflutungen vieler Straßenabschnitte nicht mehr rechtzeitig zum Abflug in die Hauptstadt Naypyitaw zu kommen. Mit viel Glück schafften wir es doch und ich konnte dann bei den Regierungsgesprächen bewusst machen, dass Myanmar von den Auswirkungen der Klimaveränderungen heute schon besonders stark betroffen ist und mit dem geplanten massiven Ausbau der Kohlekraftwerke sich selbst massiv weiteren Klimaschaden zufügen wird.

Gruppenbild vom Renewable Roundtable

 

Abgeordneter  U Kyi Moe Naing, Vorsitzender des Energieausschusses im Parlament von Myanmar (rechts) und der Abteilungsleiter im Energieministerium Myanmar (links)
Mein Betreuer in Yangon, der im Monsunregen auf der überflutenden Straße vor der Heinrich Böll-Stiftung auf mein Taxi wartet

Berlin, den 15. Juli 2017

Ihr Hans-Josef Fell