Entwurf zur Revision des Schweizer Energiegesetzes reicht weder für Klimaschutz noch für Unabhängigkeit von russischem Erdgas

Der Entwurf des neuen Schweizer Energiegesetzes ist weder für Klimaschutz noch zur Unabhängigkeit von russischer Energie ausreichend

Liebe Leserinnen, Liebe Leser,

in der Schweiz wird aktuell an einer Revision des dortigen Energiegesetzes gearbeitet, welches die Rahmenbedingungen für den Klimaschutz und den Ausbau der Erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren festlegt. Die Energy Watch Group hat eine Stellungnahme zu dieser Revision des Schweizerischen Energiegesetzes sowie des Stromversorgungsgesetzes veröffentlicht. Den Abgeordneten der Schweizer Bundesversammlung wurde diese bereits übermittelt und wird dort nun diskutiert.

Die Revision des Schweizer Energiegesetzes ist absolut notwendig, da die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen weder mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens kompatibel sind noch für den längst überfälligen Atomausstieg sorgen. Letzterer ist angesichts der ungelösten Fragen der Atomenergie (Atommüllendlagerung, mit dem Alter der Atomreaktoren zunehmende Gefahr eines Super- GAUs, aktuell beobachtbares Gefährdungspotentials von AKWS in Kriegen) auch in der Schweiz dringend geboten.

Zudem verdeutlicht der russische Angriffskrieg in der Ukraine auf brutale Weise, dass die europäische Abhängigkeit vom fossil-atomaren Energiesystem nicht nur vor dem Hintergrund der sich rasant beschleunigenden Klimakrise unhaltbar ist, sondern auch aufgrund ihrer sicherheitspolitischen Risiken. In ganz Europa muss die Antwort auf diesen Krieg sein, den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv zu beschleunigen. Nur so können sich die europäischen Staaten aus dem energiepolitischen Würgegriff Russlands und anderer autokratischer Energielieferant*innen befreien. Neben den EU-Staaten gilt das u.a. auch für unser Nachbarland, die Schweiz.

Der bisher vom Schweizer Bundesrat vorgelegte Entwurf wird aber diesen Anforderungen nicht gerecht. Das Ziel einer klimaneutralen Schweiz bis 2050, das dem bisherigen Gesetzesentwurf zu Grunde liegt, ist unzulänglich – nicht nur um die in Paris vereinbarte 1,5°C Grenze einzuhalten, sondern sogar für eine Begrenzung der Erderwärmung auf 2°C. Klimaneutralität bis 2050 ist der Pfad zu einer 3°C-Welt und damit zu einer unbeherrschbaren Heißzeit der Erde, mit der zu befürchtenden Konsequenz einer Auslöschung der menschlichen Zivilisation, auch in der Schweiz.

Es ist daher dringend erforderlich, dass der Entwurf des Bundesrates überarbeitet und die Ziele und Maßnahmen auf ihre Kompatibilität mit dem Pariser Klimaschutzabkommen überprüft und entsprechend nachgeschärft werden. Um die Paris-Kompatibilität zu gewährleisten und die sicherheitspolitisch unhaltbare Abhängigkeit vom fossil-atomaren Energiesystem zu beenden, muss das Ziel hin zu 100% erneuerbaren Energien (Solar, Wind, Wasser, nachhaltige Bioenergie, Geothermie) für alle Energiesektoren (Strom, Gebäude mit Heizung und Kühlung, Mobilität und Industrie) bis 2030 angepasst werden.

Dass dies nicht nur technisch möglich, sondern ebenfalls ökonomisch vorteilhaft ist, zeigen die auf die Schweiz bezogenen Ergebnisse einer weltweiten Studie der Energy Watch Group zusammen mit der LUT University. Nach allen bisherigen Untersuchungen zu einer Vollversorgung mit 100% erneuerbaren Energien wird Ökostrom auch in der Schweiz bis zu 90% des Energiebedarfs decken können.

Unterstützt wird diese Forderung vom Schweizer Klimastreik. Dieser betont, dass die wissenschaftliche Arbeit von Think-Tanks wie der EWG bei der Politik dringend mehr Gehör finden muss und fordert alle Entscheidungsträger*innen auf, die Stellungnahme sorgfältig zu lesen und danach zu handeln. Aus diesem Grund hat der Klimastreik die Stellungnahme bereits den zuständigen Parlamentarier*innen der Schweizer Bundesversammlung bereits am 21. Februar ausgehändigt. 

Die Energy Watch Group hat in ihrer Stellungnahme konkrete Politikempfehlungen entwickelt:

1. Erstellung einer Studie für eine 100 % versorgungssichere erneuerbare Gesamtenergieversorgung bis 2030 der Schweiz oder der DACH-Region

2. Ausrichtung der Ziele und Ausbaupfade der erneuerbaren Energien an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen mit dem Ziel von 100% Erneuerbare Energien in allen Energiesektoren bis 2030

3. Umsetzung von Förderinstrumenten entsprechend der sich 1. und 2. ergebenden notwendigen Wachstumsgeschwindigkeiten

a. Feste garantierte Einspeisevergütung oder gleitende Marktprämie technologiespezifisch mit 5% Rendite-Erwartung und 20-jähriger Vergütungsgarantie.

b. Kombikraftwerksvergütung für systemdienliche Einspeisevergütung

c. Wissenschaftliche Überprüfung der Obergrenze des Netzzuschlages von 2,3 Rp/kWh in Bezug auf die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens, was einen Ausbau auf 100% erneuerbaren Energien auch in der Schweiz bis 2030 notwendig macht. Korrektur dieses Wertes aufgrund des Ergebnisses dieser Untersuchung.

4. Abbau der Genehmigungshemmnisse für Ökostromanlagen mit dem Ziel einer gesetzlich garantierten Genehmigungserteilung innerhalb von sechs Monaten sowie eine Raumordnung, die genügend Raum für alle Arten der erneuerbaren Energien bereitstellen kann (Solarparks, Windparks, Geothermie, Bioenergien, Wasserkraft).

Es verbleiben nur wenige Jahre für wirksamen Klimaschutz. Andernfalls werden 1,5 °C, wohl 2 °C überschritten – mit katastrophalen Folgen. Die zu erwartende Zunahme von Kriegen ist nur eine davon. Null Treibhausgas-Emissionen und 100 % Erneuerbare Energien bis 2030 heißt das Ziel. Dieses ist längst schon keine ferne Utopie mehr, sondern machbar, ökologisch notwendig und ökonomisch vorteilhaft – weltweit, in Europa und auch in der Schweiz.

Die gesamte Stellungnahme zum Download finden Sie hier.

 

Hammelburg, 14. März 2022,

Ihr Hans-Josef Fell