Der Streit um den Hambacher Forst zeigt die gravierenden Mängel unseres Rechtstaates

Liebe Leserinnen und Leser,

Der Streit um den Hambacher Forst zeigt die gravierenden Mängel unseres Rechtstaates

Die Sicherung des Fortbestandes der Menschheit sollte die alles entscheidende Rechtfertigung dafür sein, einen Rechtsstaat mit gültigen und verbindlich einzuhaltenden Gesetzen aufzubauen und zu verteidigen. Eine rechtstaatliche Ordnung und deren Einhaltung ist die unverzichtbare Grundlage für ein friedliches und gerechtes Zusammenleben der Menschen.

Ebenso ist die Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschheit existenziell für deren Fortbestand.

Mit der rasant fortschreitenden Erdüberhitzung in eine Heißzeit ist die Menschheit auf dem Wege ihre Existenz selbst auszulöschen. In akute Existenzgefährdung kommen Menschen auch, wenn die allernotwendigsten Lebensgrundlagen wie saubere Luft zum Atmen, sauberes Wasser zum Trinken, saubere Böden zur Erzeugung von gesunden und ausreichenden Lebensmitteln missachtet und nicht geschützt werden.

Der Schutz der Existenzgrundlagen der Menschheit muss daher auch Grundlage für unseren Rechtstaat sein und alle Gesetze sollten darauf ausgerichtet sein. Denn wenn unsere Zukunft auf der Erde nicht mehr gewährleistet werden kann, macht es auch keinen Sinn Rechtstaatlichkeit auszuführen, denn was nützt der Menschheit Rechtsstaatlichkeit, wenn sie am Ende gar nicht mehr existiert.

Die Situation um den Hambacher Forst zeigt in aller Deutlichkeit die Mängel und falschen Prioritäten unserer Gesetzgebung und damit der rechtsstaatlichen Grundsätze auf.

Dass ein Konzern wie RWE die Abholzung des Hambacher Forstes im Einklang mit der Gesetzgebung vollziehen darf, aber gleichzeitig mit der Abholzung und dem Verbrennen weiterer Braunkohle genau dazu beiträgt, die Lebensgrundlagen der Menschheit zu zerstören, zeigt, dass unsere Gesetzgebung eben nicht geeignet ist, die Lebensgrundlagen der Menschheit zu sichern.

Dies bedeutet eine Gefahr für die Demokratie, die Akzeptanz der Rechtstaatlichkeit gleichermaßen wie auch für die Sicherung der Lebensgrundlagen. Der Konzern RWE hat offensichtlich wie andere Konzerne der fossil/atomaren Wirtschaft, der Chemie- oder Landwirtschaft, die rechtsstaatliche Legitimation, die Lebensgrundlagen der Menschheit weiter zu zerstören. Gesetze in unserem Rechtsstaat haben sich so entwickelt, dass sie die Verhinderung der Zerstörung der Lebensgrundlagen nicht in den Mittelpunkt rücken, sondern den Weiterbetrieb von Geschäftsmodellen, die unsere Lebensgrundlagen zerstören.

Am Beispiel Hambacher Forst wird dies eklatant offensichtlich.

Ja, RWE hat in allen Verfahren – zumindest bisher – Recht bekommen, den einzigarten Stileichen- Maiglöckchen-Urwald abzuholzen. Der rasante Niedergang der Biodiversität in der Welt, als eines der zentralen Probleme der Menschheit hat nicht dazu geführt, das Abholzen des Hambacher Forsts zu verhindern, genauso wenig wie riesige Waldflächen vorher, die längst wegen der Braunkohle abgeholzt wurden.

RWE hat auch Recht bekommen, den Wald abzuholzen, um an die Braunkohle zu kommen, deren Verfeuerung das irdische Hitzefieber weiter aufheizt. Ein Hitzefieber, das heute schon die Lebensgrundlagen von über 20 Millionen Menschen in ihren Heimaträumen zerstört hat, die nun als Klimaflüchtlinge bezeichnet werden. Dabei ist gerade das Verbrennen von Braunkohle die klimaschädlichste von allen Energieformen und RWE betreibt ja mit seinen Braunkohlekraftwerken die punktuell größten CO2-Emissionsquellen in Europa.

RWE hat das Recht zum Weiterbrennen der Kohle bekommen, obwohl die Kohleverbrennung in der EU jährlich über 18 000 vorzeitige Todesfälle und geschätzte Gesundheitskosten von bis zu 40 Mrd. Euro verursacht. RWE darf also weiter Luftschadstoffe emittieren, obwohl diese die Atemlauft so verschmutzen, dass viele Menschen diese mit dem Leben z.B. über Lungenkrebs bezahlen müssen. Gesetzliche Normen erlauben die schädlichen Emissionen bis zu einem Grenzwert, der dann in der Summe zu den vielen Lungenkrebserkrankungen führt. Dass auch RWE-Manager sich immer gegen weitere Senkungen der Grenzwerte einsetzten, kann aber ein Richter nicht werten.

Diese Unfähigkeit des Rechtstaates in Deutschland (und vielen anderen Ländern), die menschlichen Lebensgrundlagen ausreichend zu schützen, wirft zwei entscheidende Fragen auf:

  1. Warum schützt die Gesetzgebung Konzerne, die so offensichtlich die Lebensgrundlagen der Menschheit missachten?
  2. Warum sind Manager solcher Konzerne nicht einsichtig und stellen selbst auf Klimaschutz um?

Zu A): Über 150 Jahre lang bis heute hat sich eine Gesetzgebung mit tausenden Einzelbestimmungen entwickelt, die die Geschäftsinteressen der fossilen Wirtschaft befördert. Getrieben wurde sie von dem irrigen Glauben, nur die großflächige Versorgung der Bevölkerung mit fossilen Energierohstoffen, oder mit intensiver, krankmachender und auf Giftchemie basierender Landwirtschaft würde Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum hervorrufen.

Eine Wirtschaft, die im Einklang mit Natur, Klimaschutz und Gesundheit steht, wurde zwar immer diskutiert, sie kam aber in den Gesetzgebungen nicht ausreichend zum Zuge. Zu stark war die Macht der einflussreichen Manager der fossilen Wirtschaft mit Lobbyismus, Medienmacht, bis hin zu Korruption. Und am Ende einer politischen Karriere konnte ein willfähriger Politiker meist mit einem hochdotierten Posten in der umweltzerstörenden Wirtschaft rechnen.

So haben wir heute Gesetze, die bei allem Widersinn die Abholzung des Hambacher Forstes auch noch als rechtmäßig erklären, obwohl es offensichtlich ist, dass diese Abholzung geradezu ein Paradebeispiel für die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen ist.

Zu B) Warum aber sind nun die Manager von RWE nicht selbst einsichtig und stoppen die Abholzung aus eigenem Antrieb? Kein Richter der Welt hätte eine Gesetzesgrundlage, sie gegen ihren Willen zur Abholzung des Hambacher Forstes zu zwingen. Aber sie halten selbst an der Abholzung fest. Ihre jahrelange Agitation hinter den Lobby-Kulissen für eine entsprechende Gesetzgebung scheinen sie nun ernten zu müssen, um die Geschäfte mit der Braunkohle fortführen zu können und die nächsten Quartalsberichte mit hohen Gewinnen abgeben zu können. Eine ernsthafte Konzernpolitik für Erneuerbare Energien statt Braunkohle haben sie entweder aus Gleichgültigkeit gegenüber der Zukunft unserer Erde oder Unvermögen nie ausgeführt. Wir erinnern uns, dass es gerade der RWE-Boss Großmann war, der die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke mit Kanzlerin Merkel 2010 im Hinterzimmer verhandelte. In diesem Geiste, nun für die Braunkohle, handeln diese RWE-Manager und viele andere Konzernchefs weiter.

Was Not tut, ist eine Veränderung der Gesetze des Rechtsstaates, sodass endlich die Sicherung der Lebensgrundlagen im Geiste und Ziel einer jeden Gesetzgebung verwirklicht wird. Ohne Zweifel eine Herkulesaufgabe.

Diese kann nur vom Volke kommen, mit der Unterstützung von Volksvertretern in den Parlamenten, die dann korrekte Gesetzte verabschieden. Dazu brauchen wir Politiker, die genau dies tun. Mehr und mehr Politiker werden dem folgen, wenn die Kraft des Volkes für eine echte und wirksame Klimaschutzpolitik größer und größer wird.

Der Widerstand gegen die Abholzung des Hambacher Forstes kann diese Bewegung stimulieren, wenn er weiterhin wie bisher gewaltfrei bleibt.

Doch dann braucht es neben den Wahlen aktive Volksbewegungen, die entsprechende Gesetzesnormen auf den Weg bringen.

Ein positives Beispiel ist das Volksbegehren zur Aufnahme des Klimaschutzes und der Umstellung auf Erneuerbare Energien in die bayerische Verfassung. Wäre der Klimaschutz bereits heute in der Verfassung Deutschlands verankert, könnten die Richter dem Abholzen des Hambacher Forstes nicht mehr Recht geben, weil dies eben der Verfassungsnorm Klimaschutz entgegenlaufen würde.

Meine Hoffnung ist es, dass aus dem großartigen Widerstand der friedlichen Aktivisten gegen die Abholzung des Hambacher Forstes eine neue starke Kraft des Volkes entsteht, damit wir endlich eine Gesetzgebung bekommen, die im Grundsatz die Lebensgrundlagen der Menschheit schützt, statt wie heute missachtet.

 

Hammelburg, den 18. September 2018

Ihr Hans-Josef Fell