Bei Kohlekonzernen liegen die Nerven blank

Sehr geehrte Leserinnen und Leser!

Die heftigen Reaktionen aus den Braunkohlerevieren auf von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgeschlagene Klimaabgabe für alte Kohlekraftwerke, zeigt auf, dass bei den Managern der Kohlewirtschaft die Nerven blank liegen – nicht nur wegen der Klimaabgabe, sondern wohl weil die Kohlewirtschaft insgesamt wirtschaftlich immer weiter unter Druck kommt. Statt die Zeichen der Zeit zu erkennen und für einen von der Politik aktiv unterstützten Strukturwandel mit Erneuerbaren Energien zu kämpfen, halten Sie krampfhaft an der zukunftslosen Klimazerstörung fest.

Sie stemmen sich – zusammen mit vielen ihnen treu verbundenen Politikern aus CDU/SPD und den Linken vor allem aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfahlen – gegen das Ende des Zeitalters der Kohle. Sie kämpfen für den Erhalt von 10.000 Arbeitsplätzen in der Kohlebranche, sehen jedoch nicht, dass diese in den nächsten Jahren nicht zu erhalten sind. Sie haben bereits in den letzten Jahren großen Schaden im Arbeitsmarkt Ostdeutschlands verursacht, weil sie sich nicht für den Erhalt der neu geschaffenen Zehntausenden Jobs in der Solarwirtschaft einsetzten. Vor allem die Gewerkschaft IGBCE, die nun lautstark für die Kohlejobs kämpft, hatte keineswegs zum Erhalt der Jobs in der Solarbranche beigetragen.

Was bedeuten die Vorschläge Gabriels? 22 Mio. Tonnen CO2 soll die Klimaschutzabgabe jährlich einsparen. Noch immer emittiert Deutschland 912 Mio. Tonnen CO2 jährlich in die überlastete Erdatmosphäre, die keine neuen Emissionen verträgt. Diese 22 Mio. Tonnen CO2 Emissionsreduktion helfen daher dem Klimaschutz nicht wirklich.

Argumentiert wird mit dem Verlust von 10.000 Beschäftigten in den Kohlerevieren und einem daraus angeblich resultierenden Kollaps der dortigen Wirtschaft. Dabei hat Deutschland doch schon einen beispielhaften Strukturwandel im Kohlesektor hinter sich und gehört dennoch, oder vielleicht gerade deswegen zu den stärksten Wirtschaftsnationen. Die Zahlen der Beschäftigten im Stein- und Braunkohlebergbau sanken seit 1990 von 250.000 auf heute unter 40.000. Die Beschäftigungslage in Deutschland ist dennoch deutlich besser als in Ländern wie Polen, wo noch immer stark auf Kohle gesetzt wird.

Auch abstruse Klimaschutzargumente sind den Kohlepolitikern nicht zu schade. Die Minderung der CO2 Emissionen hierzulande würden angeblich in anderen Ländern überkompensiert, weil der Rückgang der Kohlestromerzeugung dort mit Kohlenutzung aufgefangen werden müsse (carbon leakage). Da haben die Kohlemanager und Kohlepolitiker wohl nicht mitbekommen, was weltweit wirklich geschiet: statt carbon leakage gibt es eine Kohlenstoffblase (carbon bubble), mit der Befürchtung einer großen Finanzkrise wegen des Festhaltens an der fossilen Wirtschaft.

Immer mehr Finanzinvestoren (wie der größte Finanzfonds der Welt, der Norwegische Pensionsfonds) haben die Zeichen erkannt und ziehen sich aus Kohlebeteiligungen zurück. Die Kampagne Divestment zieht erfolgreich weltweit immer weitere Kreise. Vor allem im Kohleland China wurde der Kohle nun massiv der Kampf angesagt. Seit die Region Peking vor einem guten Jahr ankündigte, bis 2020 aus der Kohlenutzung auszusteigen sind schon drei große Kohlekraftwerke geschlossen worden.

Der Bericht von Coalswarm, Sierra Club und Boom & Bust zeigt in aller Deutlichkeit auf, wie die Nutzung der Kohle seit 2012 weltweit auf den Rückzug ist, was unter anderem auch die hohen Verluste der Kohlekonzerne von E.ON, RWE, Vattenfall belegen.

Wenn es den Politikern der Kohleregionen und der IGBCE wirklich ernst ist um die Jobs in ihren Regionen, dann sollten sie endlich ihren Druck gegen Erneuerbaren Energien aufgeben. Stattdessen sollte bei Minister Gabriel z.B. für eine Umsetzung der Verordnungsermächtigung für die Regionalstromvermarktung im EEG gekämpft werden, jedoch nicht gegen die Klimaabgabe. Ein Ausbau der Energieversorgung mit 100% Erneuerbaren Energien würde auch in den Kohleregionen wesentlich mehr Jobs kreieren, als in der Kohlebranche noch wegfallen können.

Berlin, den 31. März 2015

Ihr Hans-Josef Fell