Bayerischer Verfassungsgerichtshof entscheidet über Zukunft der Windkraft in Bayern

Pressemitteilung

Bayerischer Verfassungsgerichtshof entscheidet über Zukunft der Windkraft in Bayern

Urteilsverkündung zu 10 H-Regelung am 9. Mai um 10:30 Uhr

„Seit Einführung des sogenannten 10 H-Gesetzes in Bayern ist die Entwicklung der Windkraftnutzung in Bayern faktisch zum Erliegen gekommen“, so die Kläger gegen die 10 H-Regelung Hans-Josef Fell und Patrick Friedl. 10 H bedeutet, dass eine Windenergieanlage nur noch dann errichtet werden darf, wenn sie mindestens das Zehnfache ihrer Gesamthöhe zur Wohnbebauung einhält.

Im Zeitraum von April bis Oktober 2015 sind gerade einmal zehn (!) Genehmigungsanträge für Windenergieanlagen überhaupt gestellt worden. Im Jahr 2014 waren es noch über dreihundert solcher Anträge. Damit gehe die Rechnung der Bayerischen Staatsregierung auf, so Fell: „Die 10 H-Regelung führt dazu, dass in Bayern der weitere Ausbau der Windenergienutzung mittelfristig gegen Null zurückgefahren wird.“ Friedl: „Nun kommt es auf den Bayerischen Verfassungsgerichtshof an. Wir sind sehr gespannt auf das Urteil zu unserer Klage gegen diese höchst umstrittene Regelung.“ Das Urteil über die Popularklage von Hans-Josef Fell und Patrick Friedl wird am kommenden Montag verkündet werden. Fell und Friedl wurden im Verfahren von Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl aus Regensburg vor dem Verfassungsgericht vertreten. Unterstützt wurden die Klagen durch den Förderverein Klimaschutz Bayerns Zukunft e.V. sowie unter anderem durch den Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern. Außer den Popularklägern Fell und Friedl hatten später auch die Landtagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Freien Wähler und SPD noch Klagen erhoben, über die mit geurteilt werden wird.

10 H-Regelung verfassungswidrig

„Inhaltlich sind wir überzeugt, dass die 10 H-Regelung in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen mehrere bayerische Grundrechte verstößt und insbesondere auch mit den bundesrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist“, so Rechtsanwalt Dr. Loibl. Der Bayerische Gesetzgeber hätte zwar durchaus größere Abstände zu Wohngebieten als bisher festlegen dürfen, allerdings nur insoweit, als trotzdem noch ausreichend Flächen für eine substantielle Windkraftnutzung übrig geblieben wären. „Durch die Festlegung von 10 H als Mindestabstand bleibt faktisch kaum noch Fläche für die Windenergie in Bayern übrig“, so Kläger Patrick Friedl. „Wir meinen, dass diese bayerische Sonderregelung unwirksam sein muss. Es kann und darf nicht sein, dass sich ein Bundesland komplett aus der Energiewende verabschiedet und damit die vom Bundesgesetzgeber vorgegebenen Ziele hinsichtlich Klimaschutz und Energiewende letztlich völlig ignoriert“, erläutert der Kläger Hans-Josef Fell. Eike Hallitzky, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen dazu: „Die beim Klimaschutzgipfel in Paris vereinbarten Ziele im Kampf gegen die globale Überhitzung können nur umgesetzt werden, wenn alle Beteiligten auf eine Verhinderungsplanung verzichten.“ Er erhofft sich von dem Urteil ein Signal für wirksame Klimaschutzbemühungen in Bayern.

Am Montag, 9. Mai, um 10.30 Uhr verkündet der Bayerische Verfassungsgerichtshof sein Urteil im Justizpalast in der Prielmayerstraße 7 in München. „Mit seinem Urteil wird das Gericht über die Zukunft des Ausbaus der Windkraft und damit über die Fortsetzung Energiewende in Bayern mit entscheiden“, so die Kläger Fell und Friedl.

„Wir laden Sie ein, zur Urteilsverkündung zu kommen. Direkt nach der Verhandlung stehen beide Kläger wie auch ich als ihr Vertreter vor Gericht für Presseinterviews zur Verfügung“, so Rechtsanwalt Dr. Loibl. Anwesend wird auch der Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern Eike Hallitzky sein.

10 H-Gesetz und Klage

Im November 2014 verabschiedete der bayerische Landtag (mit Mehrheitsentscheidung der CSU-Landtagsfraktion) das 10 H-Gesetz, das faktisch die Errichtung von Windkraftanlagen im Umkreis von etwa zwei Kilometern um Wohnbebauung ausschließt. Damit bleiben aktuell nur noch winzige Flächen in Bayern für neue Windkraftanlagen übrig. Gegen dieses Gesetz haben Hans-Josef Fell und Patrick Friedl (unterstützt vom Förderverein Klimaschutz Bayerns Zukunft e.V. und unter anderem durch den Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern) am 21. November 2014 Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof erhoben.

Erkenntnisse aus der mündlichen Verhandlung am 12. April

„Die Verfassungsrichter befassten sich in der mündlichen Verhandlung ausführlich und tiefgehend mit dem Thema, und befragten insbesondere die Staatsregierung und CSU-Landtagsfraktion als Beklagtenseite eingehend“, so Dr. Loibl. Sie fragten sowohl im Hinblick auf die Grundlagen, Annahmen und Ziele der gesetzlichen 10 H-Reglung, als auch zu möglichen Auswirkungen, die die Regelung in Bayern aktuell habe. Kläger Fell: „Bei den Antworten wurde sehr deutlich, dass sich Bayern wegen der 10 H-Regelung entscheidend vom bundesweiten Investitionsverhalten in die Windkraft zum Nachteil gerade der bayerischen Windkraftbranche abgekoppelt hat.“ Im Zeitraum April bis Oktober 2015 gab es auch nach den eigenen Aussagen der Bayerischen Staatsregierung nur noch 10 neue Anträge für Windkraftanlagen, von denen nicht einmal klar sei, welche für eine Genehmigung letztlich in Frage kämen, so Kläger Friedl. „Das verdeutlich, dass der Windkraftausbau in Bayern faktisch zum Erliegen gekommen ist und dass die 10 H-Regelung eine tatsächliche Entprivilegierung der Windkraft darstellt.“

Hans-Josef Fell hat in seiner mündlichen Stellungnahme vor Gericht vor allem den seit Jahrzehnten gleichbleibenden Willen des Bundesgesetzgebers in den Mittelpunkt gerückt, dem Ausbau der Windenergie „substanziell Raum zu verschaffen“. Patrick Friedl: „Genau diesen Willen des Bundesgesetzgebers – der bis heute im Bundestag über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg getragen wird – hat die CSU in Bayern mit der 10-H-Regelung ausgehöhlt und missachtet.“ Dadurch seinen sowohl Klimaschutz als auch in Bayern stark gefährdet. Fell: „Eine Entwicklung, die auch die Richter in der Anhörung sehr interessiert hat.“

Die Kläger Fell und Friedl

Hans-Josef Fell wirkte von 1998 bis 2013 als Abgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag unter anderem als deren Energiepolitischer Sprecher. In dieser Zeit brachte er das Erneuerbare Energien Gesetz mit auf den Weg. Seit seinem Ausscheiden aus dem Bundestag ist er Präsident der Energy Watch Group und Botschafter für 100 Prozent Erneuerbare Energien.

Patrick Friedl ist seit 2008 Stadtrat in Würzburg und derzeit stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Er ist Mitglied im Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbands Würzburg der sich seit Jahren intensiv mit der Planung und Ausweisung von Vorranggebieten für Windkraft befasst.

Kontakt: Hans-Josef Fell, Albrechtstraße 22, 10117 Berlin, presse@dwr-eco.com

 

 

TV-Tipp: ZDFzoom „Sonne, Wind und Wut“

Passend zur 10H-Kontroverse widmet sich heute Abend die ZDF-Sendung Zoom der Frage, von wem und wieso die Energiewende trotz der breiten Unterstützung in der Bevölkerung weiter ausgebremst wird. Als Mit-Autor des EEG von 2000 erläutere ich meine Sicht auf den Stand der Energiewende heute.

ZDF Zoom, 22:45 Uhr – 13:15 Uhr, und danach in der ZDF Mediathek: http://www.zdf.de/zdfzoom/zdfzoom-5991578.html

 

Berlin, den 4. Mai 2016

Ihr Hans-Josef Fell