Atomunfall in der Ukraine

Sehr geehrte Leserinnen und Leser!

Nach Angaben der ukrainischen Regierung hat es im größten Atomkraftwerk des Landes einen Unfall gegeben. Es sei nur eine technische Panne, Radioaktivität sei nicht ausgetreten, so die ersten Meldungen. Wollen wir sehr hoffen, dass diese Meldung stimmt. Auch beim Super-GAU in Tschernobyl 1986 wurde zunächst beschwichtigt.

Beruhigen kann die Meldung, es sei nur eine technische Panne, aber nicht. Die nukleare Sicherheitslage in der Ukraine ist hochbrisant. Als im Sommer die Gaslieferungen in die Ukraine von Gazprom gestoppt wurden und die Regierung Erlasse herausgab, dass mit Erdgas kein warmes Wasser erzeugt werden sollte, schafften sich viele Ukrainer elektrische Durchlauferhitzer an. Dies trieb den Stromverbrauch in die Höhe. Inzwischen fließt das Gas wieder. Wie lange? Das hängt von der Kassenlage der Ukraine ab, denn Gas wird von Gazprom nur auf Vorkasse geliefert und die Kassen in der Ukraine sind eigentlich leer. Weiterhin ist also zu befürchten, dass die Gaslieferungen wieder unterbrochen werden.

Zudem hat Russland die Kohlelieferungen in die Ukraine gestoppt (vgl. meine Schlagzeile vom 25. November). Wegen des Krieges in den Kohleregionen im Osten der Ukraine und dem teilweisen Ausfall der Kohlelieferungen aus der Region, sah sich die Regierung gezwungen, 1 Mio. Tonnen Kohle monatlich aus Russland in die Ukraine zu importieren. Der Ausfall der russischen Kohlelieferungen kann nicht lange mit heimischer Kohle überbrückt werden. Nun steigt also der Strombedarf und die Kohleverstromung steht vor einer massiven Reduktion. Dies bedeutet, dass die Atomkraftwerke unter voller Last laufen müssen und auch bei kleineren Störungen kaum abgeschaltet werden können – in den alten und maroden ukrainischen Atomreaktoren ein großes Sicherheitsproblem. Hinzu kommt die Furcht, dass durch terroristische oder kriegerische Akte ebenfalls die Atomsicherheit in großer Gefahr ist.

Wenn Europa noch lange zögert und nicht endlich einen großen Plan für eine Transformation der ukrainischen Wirtschaft hin zu einer Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien organisiert, dann können wir in Europa selbst die Leidtragenden sein, falls es wieder einen Super-GAU in der Ukraine gibt. Wie damals nach Tschernobyl könnten dann wieder weite Teile Europas massiv radioaktiv belastet werden.

Canberra/Australien, den 03. Dezember 2014

Ihr Hans-Josef Fell